Handball Handball: Torhütern droht bei Kontern nun schneller die rote Karte
DESSAU-ROSSLAU/MZ. - Es war im September 2008, als Linksaußen Konrad Wilczynski und Torwart Zoran Djordjic im Erstliga-Spiel zwischen den Füchsen aus Berlin und der HSG Wetzlar bei einem Tempogegenstoß zusammenprallten. Mit dramatischen Folgen: Wilczynski erlitt zwei klaffende Platzwunden, Djordjic verschluckte seine Zunge und wurde nur durch das schnelle Eingreifen des Mannschaftsarztes vor dem Ersticken bewahrt. Die Szene und ihre Folgen waren Auslöser für heftige Debatten. Wie kann der Handball das Risiko für solche Situationen eindämmen?
Berührung ist entscheidend
Seit dem 1. Juli 2010 gilt nun ein überarbeitetes Regelwerk, welches das Vorgehen der Schiedsrichter beim Zusammenprall zwischen Torwart und Angreifer genauer definiert. Die überarbeitete Regel 8.5 besagt nun, dass der Torwart, der seinen Torraum verlässt, um einen Konterpass abzufangen, bei jeder Berührung mit einem Gegnerspieler die rote Karte erhält. Egal, ob der Ball erreicht wird oder nicht.
"Der Torwart trägt die volle Verantwortung", sagt Sebastian Wutzler, Bundesligaschiedsrichter und Pressesprecher der deutschen Handball-Schiedsrichter. Für Andreas Sprecher ist das kein Problem. "Es ist sinnvoll, die Angreifer zu schützen", sagte der Torwart des Dessau-Roßlauer HV. Befinde sich der Ball in der Luft, schaue der Angreifer nicht in die Richtung, in die er läuft. "Wir hingegen sehen Ball und Angreifer und können besser auf die Situation reagieren."
Schon im alten Regelwerk aus dem Jahr 2005 war definiert, dass ein Torwart, der einen Gegenspieler außerhalb seines Torraumes stößt oder so angreift, dass dieser die Körperkontrolle verliert, zu disqualifizieren ist. Für die Schiedsrichter war es jedoch schwierig, einheitlich zu entscheiden. "Es gibt im Handball einfach eine Vielzahl von Grauzonen", erklärt Sebastian Wutzler. "Für die Schiedsrichter war es schwer zu erkennen, wann ein Eingreifen des Torwarts zu hart oder gerade noch im Rahmen war."
Die neue Regelauslegung macht den Schiedsrichtern die Entscheidung leichter. Maßgebend für eine rote Karte ist jetzt die Gefährdung des Gegenspielers, nicht mehr die Intensität des Körperkontaktes. DRHV-Trainer Peter Pysall befürwortet die Neuerung. "Das ist ein guter Schritt." Auch Heinz Prokop, Coach beim Drittligisten HG 85 Köthen, sieht die gesundheitsschützende Maßnahme als einen Schritt in die richtige Richtung. Ihm ist dieser Schritt aber sogar noch zu wenig: "Die Torhüter haben da draußen eigentlich gar nichts zu suchen." Die Regel werde aber sicher dazu beitragen, dass es sich ein Torwart genau überlegt, ob er seinen Torraum verlässt.
Abwägung ist notwendig
Andreas Sprecher muss sein Torwartspiel nicht umstellen. "Ich bleibe sowieso eher in meinem Torwartbereich und versuche dort das Tor zu verhindern." Sprechers Team-Kollege Christian Hoffmann sieht das ähnlich. "Es gilt jetzt noch mehr: Wer rausgeht, muss den Ball haben." Die rote Karte werde defensivere Torhüter zur Folge haben. Ein Trainer-Verbot zum Rausgehen gibt es aber noch nicht. "Der Trainer legt wert darauf, dass wir mitspielen und Präsenz zeigen."
Das Handballspiel wird sich durch Neuerungen, wie den Wegfall des Ausschlusses aufgrund einer Tätlichkeit, nicht grundsätzlich verändern. "Es gab vor allem eine Vielzahl von redaktionellen Änderungen, wie Umformulierungen und klarere Definitionen", erklärt Wutzler. Die Anwendung der meisten Änderungen wird der Fan auf der Tribüne gar nicht mitbekommen. Schiedsrichter-Entscheidungen werden dort auch weiter diskutiert.