Griechenland Griechenland: Von Insel zu Insel hüpfen
Halle/MZ. - Seit Ende August die Olympia-Besucher ihre Koffer gepackt haben, ist auch der Massenansturm auf den griechischen Inseln vorbei. Jetzt, Anfang September, fallen zum Saison-Endspurt die Übernachtungspreise, die Beschaulichkeit kehrt zurück, und das Meer ist noch badewarm. Das ist auch die schönste Zeit zum Inselhüpfen.
Das Schiff aus Piräus braucht etwa fünf Stunden nach Serifos. Touristen wohnen im Hafenort Livadi, die Einheimischen in Sichtweite oben in der Chora. Wie ein Adlerhorst klammern sich die weißgewürfelten Häuser und Kirchen am Berg. Ein gepflasterter Maultierpfad führt hinauf ins Gassenlabyrinth. Am Windmühlenplatz sitzen vorwiegend betagte Männer in den Kafenions. Zwischen ihren Fingern klicken die Kugeln der Gebetskette. Manche schauen konzentriert auf das Tavlibrett, andere kommentieren lautstark die Spielzüge. Ein paar Häuser weiter lässt sich Petros in die Töpfe gucken. Kichererbsensuppe, gefüllte Paprika und Tomaten hat er vorbereitet, auch Hühnchen und Kalbfleisch in Soße. Dazu empfiehlt er selbst gekelterten roten Serifos-Wein. Um die wenigen Tische gruppieren sich unbequeme blaue Holzstühle. Kaltes Neonlicht durchflutet die Taverne. Typisch griechisch eben.
Das Leben in der Chora hat sich dem Tourismus nicht untergeordnet. Serifos ist eine wilde und zerklüftete Insel. Hinter ihrem steinigen Antlitz verbirgt sich wie so oft eine schöne Geschichte aus der griechischen Mythologie: Medusentöter Perseus zeigte seinem Nebenbuhler auf Serifos das abgeschlagene Haupt des Ungeheuers; König Polydektes erstarrte daraufhin vor Schreck zu Stein - und die Insel gleich mit.
Viele Sandstrände schmiegen sich wie ein Halsband an die Küste. Macchia überzieht die steilen Flanken der Berge. Auf weiten Strecken ist das Inselinnere nahezu unberührt. Im Herbst, wenn es nicht mehr so heiß ist, es nach Kräutern duftet und das Johanniskraut blüht, bietet es sich an, Serifos zu Fuß zu entdecken. Sechs markierte Wanderwege erschließen die 75 Quadratkilometer große Insel. Claudia Steinert ist vor fünf Jahren der Liebe wegen hängen geblieben. In Livadi betreibt sie neben Dimitrios' Café-Bar ein Kunstgewerbegeschäft. Mitte Oktober macht auch sie den Laden dicht und überwintert bis Ostern in Athen. Serifos ist für sie die schönste Kykladen-Insel. Aber wir würden sehen: Auf Sifnos sei alles ordentlicher und sauberer. "Kein Wunder, schließlich macht der Ministerpräsident dort jedes Jahr Urlaub."
Nur eine halbe Stunde braucht die Autofähre "Pegasus Express" dorthin. Im kleinen Hafenort Kamares, der von steilen Bergen eingerahmt wird, verdient sich die Frau des Bäckers ein Zubrot. Als wir von Bord gehen, fragt sie sogleich, ob wir ein Zimmer brauchen. Sifnos ist nicht größer als Serifos, aber touristischer. Das merkt man schon daran, dass Motorroller fast um die Hälfte billiger sind. Ein fruchtbares Flusstal begleitet die Straße von Kamares nach Apollonia. Der Hauptort hat sich herausgeputzt mit den Bougainvilleen an den blendend weißen Häusern und den strahlend blauen Kirchenkuppeln.
Das anziehendste Gebäude von Appolonia jedoch beherbergt Jannis Gerontopoulos' verführerisches Kaffeehaus auf der Ecke, wo die Straße nach Artemonas abzweigt. Die Vitrinen sind voller selbst gemachter Leckereien. Es fällt schwer, sich zu entscheiden zwischen Torten, Blätterteiggebäck, knusprigen Sesamkringeln, Pralinen und Loukoumades, den mit Honig übergossenen Teigkugeln.
Malerische Flecken, an denen man sich nicht satt sehen kann, gibt es viele auf der Insel. Faros und Vathi zum Beispiel sind besonders hübsche Fischerorte. Auf einem steilen Felssporn über dem Meer hockt das denkmalgeschützte Kastro, eine Wehrsiedlung aus der Zeit der spanisch-venezianischen Beset-zung im 14. / 15. Jahrhundert.
Ausgesprochen fotogen präsentiert sich auch das Kloster Moni Chrissopigi auf einer Felsnase im Wasser. Ministerpräsident Kostas Simitis macht übrigens seit 1965 in Plati Gialos Sommerurlaub und sonnt sich mit vielen anderen am längsten Strand der Insel. Im Herbst jedoch ist man dort fast allein. Die bekannteste Sehenswürdigkeit von Milos steht im Louvre. Die Statue der Venus von Milo im Foyer des Archäologischen Inselmuseums ist nur eine Kopie.
Ein Besuch der größten Insel der westlichen Kykladen, zwei Stunden von Sifnos entfernt, lohnt sich dennoch. Die Inselbewohner leben hauptsächlich von ihren Bodenschätzen. Zahlreiche Bergbaugesellschaften schürfen nach Mineralien und haben dabei Narben in der Landschaft hinterlassen. Doch das Interessanteste der Insel vulkanischen Ursprungs ist ohnehin die Küste mit ihren fjordähnlichen Buchten und bizarren Felsformationen.
Kristallklares Wasser schwappt an die Strände von Firopotamos, Sarakiniko, Provatas, Firiplaka und Tsigrado. Paliochori wird von steilen Felswänden flankiert in den Farben kalkweiß, senfgelb, orange bis rostrot. Dort bereitet die Taverne "Skirocco" als Spezialität "Vulcanic food" zu. Für das "vulkanische Essen" werden Lammfleisch, Kartoffeln und Fisch über Nacht im Sand vergraben und gegart. An manchen Stellen nämlich kocht unter dem Strand die Erde. An kühleren Tagen braucht man also nur ein wenig zu buddeln, um sich im Sand zu wärmen.