Fußball Fußball: Fahrgemeinschaft aus der Hauptstadt
WOLFEN/MZ. - Professionelles Verhalten mit einem wichtigen Hintergrund: Der Mittelfeldspieler des FC Grün-Weiß Wolfen ist genau wie sein Mannschaftskollege Ronny Ermel zum Islam konvertiert. Im multikulturellen Berlin aufgewachsen, spielte der Glauben früh eine Rolle in ihrem Leben. "In meinem Freundeskreis waren viele Moslems", erzählt Marcus Zschiesche, "da habe ich mich natürlich auch mit dem Islam beschäftigt."
Im Gegensatz zu ihren Glaubensentscheidungen verliefen ihre bisherigen Karrieren gegensätzlich. Während der 24-jährige Ermel beim BSC Rehberge, einem Verein
in Berlin-Reinickendorf, das Fußball spielen lernte, startet Zschiesche bei Hertha BSC. Dort schaffte er es in die U 18-Nationalmannschaft und absolvierte ein Spiel gegen Spanien. Zum damaligen Kader gehörten unter anderem heutige Bundesligaspieler wie Simon Rolfes und Marcus Feulner. "Zu denen habe ich aber keinen Kontakt mehr", berichtet Zschiesche. Anders als seine damaligen Mitspieler verschlug ihn sein sportlicher Werdegang zum SC Paderborn. Und auch dort sollte er auf einen späteren A-Nationalspieler treffen: Patrick Owomoyela.
"In diesem Geschäft braucht man neben Talent auch das nötige Glück", weiß der 26-jährige Zschiesche. Genau dieses hatte Ronny Ermel in seiner Zeit bei Tennis Borussia Berlin. Aufgrund finanzieller Probleme setzte der Club auf den Nachwuchs - die Chance für Ermel. Der defensiv orientierte Linksfuß rutschte bereits mit 17 Jahren in den Oberligakader und sammelte dort viel Spielpraxis. Nach vier Jahren führte ihn sein weiterer Weg 2005 zum MSV Neuruppin - genau der Verein, bei dem Marcus Zschiesche nach seinen einjährigen Gastspielen in Paderborn und Neumünster bereits seit einem halben Jahr aktiv war.
Beide lernten sich kennen und wurden Freunde. Gemeinsamer Gegner in der Oberliga Nordost war der SV Babelsberg mit dem Trainer Rastislav Hodul und dem Spieler René Tretschok. "So schnell sieht man sich wieder", haben Ermel und Zschiesche die Worte des Wolfener Sportdirektors noch in den Ohren. Tretschok und Hodul nahmen nach ihrem Amtsantritt bei Grün-Weiß Kontakt zu den beiden Kreuzbergern auf. Das erste Treffen auf dem Vereinsgelände lief freundschaftlich ab. "Trotzdem ist es egal, ob wir mal gegen René Tretschok gespielt haben oder heute mit ihm auf dem Platz stehen", so Zschiesche, "wir treten ihm mit Respekt gegenüber."
Trotz anderer Angebote entschieden sich beide Spieler für den FC Grün-Weiß Wolfen. "Hier gibt es ein super Stadion, tolle Bedingungen und eine professionelle sportliche Führung", erzählt Zschiesche. Dinge die sie beispielsweise beim BFC Türkiyemspor nicht so vorfanden. "Wir können uns hier in Ruhe auf Fußball konzentrieren", nennt der Vater einer neun Monate alten Tochter einen weiteren Grund für seinen Wechsel nach Wolfen. Während er sich recht schnell im neuen Umfeld zurechtfand, dauerte es bei Ronny Ermel etwas länger. "Ich denke, er ist mittlerweile im Team angekommen", sagt Zschiesche über seinen Freund. "Das liegt vor allem an seiner gestiegenen Aggressivität im Zweikampfverhalten." Vielleicht aber auch an den Gesprächen mit Rastislav Hodul und René Tretschok.
Zeit dafür ist bei den Fahrten zum Training genügend vorhanden. Gemeinsam mit dem sportlichen Führungsduo, welches in Potsdam wohnt, bilden die beiden Berliner Fußballer eine Fahrgemeinschaft: "Wir wechseln uns da regelmäßig ab", erzählt Ronny Ermel. Und spricht dabei natürlich viel über den gemeinsamen Verein. "Unser primäres Ziel ist auf jeden Fall der Klassenerhalt, auch wenn die Oberliga Süd stärker ist als die Nordstaffel", meinen die beiden Berliner.
Doch erst einmal bleibt über Weihnachten Zeit, sich den Familien zu widmen. Und da fühlen sich Marcus Zschiesche und Ronny Ermel sichtlich wohl: "Wir sind voll in das Familienleben unserer Freundinnen integriert", berichtet Marcus Zschiesche. Und auch aus der Wolfener Fußballfamilie sind sie mittlerweile nicht mehr wegzudenken. Selbst bei gemeinsamen Grillabenden gibt es für die beiden Moslems statt Schweinefleisch eben Hähnchen. Beim Weihnachtsbraten aber ist es einfacher: Denn egal ob Ente oder Gans - es gibt auf jeden Fall Geflügel.