Frankreich Frankreich: Das Burgund abseits der Touristenwege
Beaune/gms. - Das anmutige Land zwischen Jura und Loire kündet noch immer vomGewicht, das es zu Zeiten der Herzöge von Burgund hatte. Von derSchweizer Westgrenze bis zur Nordsee reichte ihr Einfluss. ImSchatten der Kirchen, Klöster, Burgen und Schlösser, die trutzig vonihrem früheren Rang Zeugnis ablegen, sind es die Weinberge, die vieleKenner und Freunde eines feinen Roten oder trockenen Weißen anziehen.Neben dem Cassis-Likör und dem scharfen Senf aus der Metropole Dijonsteht das Burgund von Chablis im Nordwesten bis zum südlichen Maconvor den Toren Lyons im Zeichen der Weinkultur. Von hier kommen nochimmer mit die besten (und teuersten) Tropfen überhaupt.
Durchschnitten von den Nord-Süd-Verkehrsachsen für den mobilenEuropäer ist das Burgund mehr denn je ein Transitland. Doch selbstwer auf der Durchreise kurz Station macht, lernt nur die bekannteSeite der reizvollen Kulturlandschaft kennen. Jenseits der erstenHügelketten und der ausgetretenen Pfade scheint die Uhr dagegenstehen geblieben zu sein. Dörfer, die sich an die Hänge zu kuschelnscheinen, tauchen plötzlich aus dem Morgendunst auf. Nur derKaminrauch, der sich in sanften Schwaden über die Weingärten undKoppeln legt, zeugt von Leben. Und da gibt es verwunschene Schlösser,die wohl schon seit der letzten Weinlese im Dornröschenschlaf liegen.
An einem ziemlich kalten Frühjahrsmorgen liegt dann oft noch einedünne Eisschicht auf dem Schlossteich. Auch das Chateau selbst wecktNeugierde, liegt es doch da wie von seinen Herrschaften verlassen -die Fensterläden sind zugeklappt. Einige Kilometer weiter blühenbereits die ersten Kirschbäume als weiße Wattetupfer inmitten eineskahlen Weinbergs, der Kraft sammelt für einen erstklassigen Jahrgang.Über diesem so geschichtsträchtigen Landstrich, der sich nach einerFahrt durch Wälder und Täler dem aufmerksamen Besucher öffnet, machtsich ein friedlicher Zauber breit. Auf einem murmelnden Bach in derNähe begibt sich ein Schwanenpaar auf seinen ersten Frühlingsausflug.
Auch etwas weiter südlich, auf dem Weg nach Vezelay, scheint esnoch, als hätte es die Französische Revolution mit ihrer blutigenAbkehr vom Feudalismus nie gegeben. Durch wuchtige Tore in denSchutzmauern hält man auf Kopfsteinpflaster Einfahrt in dieweitgehend intakte mittelalterliche Stadt. Hübsche Arkaden-Häuser undder sich durch die Stadt schlängelnde Serein machen den Charme vonNoyers aus.
Es ist nicht der letzte schöne Winkel vor der Ankunft in Vezelay,das die meisten Burgund-Touristen wegen der Basilika anpeilen. AlsZentrum eines «grünen Tourismus» und als Tor zu der Morvan genanntenFreizeitregion wartet noch das auf einem Felsen gelegene Avallon.Dort kann man den Spaziergang mit Aussicht über das Land auf derFestungsanlage beginnen und dann an einem romantisch-schattigenFlüsschen mit Mühlen fortsetzen.
Zu den stillen Flecken im Burgund gehört auch das kleine Sullyzwischen Vezelay und Dijon. Gutsherrenart ist hier angesagt, denn dieRenaissance-Residenz mit Schlossgraben und weitem Park beherrscht dieLandschaft. In dem verwinkelten und charmanten Dorf wird Aufbauarbeitgeleistet. Rund um den Kalvarienberg werden die historischen Häuservon ihren heutigen Besitzern - oft Pariser mit Zweitwohnsitz - inaller Ruhe und mit viel Liebe restauriert. Der Ort, in dessen Schlossder spätere französische Präsident Mac-Mahon im Jahr 1808 zur Weltkam, soll seine Atmosphäre als Ensemble nicht verlieren. Es istimmerhin ein idealer Platz für den gestressten Großstadtmenschen.
An einer Sehenswürdigkeit aber gibt es bei aller Abneigung gegenTouristenmassen kein Vorbeikommen: Cluny, die größte Abtei desMittelalters, in der die einflussreichsten Mönche des Abendlandes dieReben wie das Studium pflegten, wird zum Höhe- und Schlusspunkt derReise.