Finanzmärkte Finanzmärkte: Inflations-Gespenst hat Konjunktur
BERLIN/MZ. - Sie demonstriert damit "überwältigende Stärke", sagt Unicredit-Chefvolkswirt Marco Annunziata. Es ist eine Politik der Abschreckung: Durch ihre Machtdemonstration, so hofft die Europäische Union (EU), werden die Finanzmärkte entmutigt und das Griechenland-Problem löst sich, ohne dass Geld fließen muss. Was aber, wenn die Milliardenhilfe doch aktiviert wird? Viele befürchten, dass dann die nächste Katastrophe naht: die große Inflation.
Am Montag ging die Abschreckungs-Strategie der Europäer auf. An den Finanzmärkten stiegen die Kurse steil an. Der Euro machte einen Satz nach oben. Der Druck auf Länder wie Griechenland, Spanien oder Portugal ließ nach. Ihre Anleihen legten zu, damit ging ihre Rendite deutlich zurück. Das heißt: Wollen sich diese Länder auf dem Kapitalmarkt finanzieren, müssen sie deutlich weniger Zinsen zahlen. Dies dürfte die Furcht einer Staatspleite in Europa dämpfen.
Kurzfristig hat sich die Situation entspannt. Europa hat das große Gewehr gezückt, und das "Wolfsrudel", wie Schwedens Finanzminister Anders Borg die Finanzmärkte nannte, ist abgeschreckt. Kehrt es jedoch zurück, so muss die EU Milliarden zur Stützung gefährdeter Länder locker machen. Und das schürt die Angst vor Inflation, vor allem in Deutschland. Dort haben Bücher wie "Die Inflation kommt" oder "Die Inflationsfalle" derzeit Konjunktur.
Es gibt verschiedene Szenarien. "Die Staaten verschulden sich stark", erklärt Commerzbank-Volkswirt Michael Schubert. "Um sich zu sanieren, könnten sie Preise auf staatliche Dienstleistungen anheben." Dies würde die Kosten für Unternehmen und Arbeitnehmer erhöhen, sie antworten ihrerseits mit höheren Lohn- oder Preisforderungen, was die Kosten weiter treibt - die Spirale dreht sich. Ein anderes Szenario geht vom Finanzsektor aus. Staaten geben mehr Geld aus und verschulden sich stark, indem sie Anleihen auf den Markt bringen. Banken kaufen diese Anleihen, tragen sie zur EZB und erhalten im Gegenzug Geld, das sie verleihen. Auf diese Weise strömt immer mehr Liquidität in den Wirtschaftskreislauf, was die Inflation anheizt. Verstärkt wird diese Angst dadurch, dass die EZB bereits angekündigt hat, zur Unterstützung der Euro-Zone Staatsanleihen zu kaufen und dadurch Geld in den Markt zu pumpen.
Das könnte dazu führen, dass die Unternehmer ihr Vertrauen in die EZB verlieren und dadurch ihre Inflationserwartungen erhöhen. Um diese künftigen Preissteigerungen vorwegzunehmen, könnten sie ihre Preise anheben, wodurch die Inflation dann tatsächlich ansteigt. "Es droht eine sich selbst erfüllende Prophezeiung", so Schubert.
Kurzfristig, also in den nächsten zwei Jahren, sieht jedoch kein Ökonom die Gefahr stark steigender Preise. Die Inflationsprognosen für 2010 und 2011 blieben am Montag unverändert. Denn die Wirtschaft liegt am Boden. Die Unternehmen leiden unter hohen Überkapazitäten, die Arbeitnehmer unter steigender Arbeitslosigkeit. Beides lässt ihnen keinen Spielraum, die Preise für Waren oder für die Arbeit zu erhöhen. Keine Preiserhöhung heißt auch: keine anziehende Inflation. Zudem horten die Banken derzeit ihr Geld, es gelangt nicht in den Wirtschaftskreislauf. Langfristig aber könnte sich das ändern, wenn die Wirtschaft wieder anzieht.