Extra Extra: David Beckham beschwört den Geist von München

Awaji/Japan/dpa. - Was ist nur aus diesen Engländern geworden?Keine Saufgelage, keine Prügeleien, kein zertrümmertes Hotelmobiliar,keine Bettgeschichten: Die einstigen Skandalnudeln aus dem Fußball-Mutterland scheinen sich unter ihrem schwedischen «Missionar» Sven-Göran Eriksson zu wahren Chorknaben entwickelt zu haben. Wenn amSonntag (11.30 Uhr MESZ) - ausgerechnet gegen das Heimatland desTrainers - der Überlebenskampf in der «Todesgruppe» F beginnt, sollendie Musterschüler jedoch alle Zurückhaltung ablegen. «Ich will Feuersehen, ich will alles sehen», forderte Eriksson.
«Wir sind nicht zum Vergnügen hier oder um Witze zu reißen. EineWM ist eine ernste Angelegenheit», betonte David Beckham, dassfeucht-fröhliche Exzesse im englischen Nationalteam Geschichte sind.Außer einer stattlichen Thekenrechnung beim Zwischenstopp in Dubai,die allerdings in erster Linie der Betreuerstab verursacht habensoll, fanden die schon leicht frustrierten Schreiber vom Boulevard indrei Wochen Trainingslager keinen skandalträchtigen Stoff.
Schlagzeilen boten im Trainingscamp auf der Insel Awaij nur dieGrußworte der Queen und Wasserstandsmeldungen über denHeilungsprozess von Beckhams gebrochenem Mittelfuß. Dass der 27 Jahrealte Kapitän («Ich hätte auch mit gebrochenem Fuß gespielt») nachsieben Wochen Pause gerade rechtzeitig wieder fit geworden ist, passtden Schweden gar nicht. «Er hat eine Waffe, die sonst kein andererbesitzt: Alle Welt kennt seine Schüsse», sagte Teddy Lucic. Der 28-Jährige vom AIK Solna soll den Kunstschützen bewachen, gestand aber:«Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie ich ihn stoppen soll.»
Von derlei Understatement lässt sich Eriksson nicht blenden,schließlich haben die Engländer seit 34 Jahren nicht mehr gegen dasDrei-Kronen-Team gewonnen. «Wir wollen den Sieg, nicht dasUnentschieden. Ein guter Start ist so wichtig für das Turnier», sagteEriksson und betont zuversichtlich: «Wir sind bereit, und ich glaube,wir werden es gut machen.» Zudem meldete sich gerade rechtzeitig mitKieron Dyle der letzte «Pflegefall» nach auskurierter Knieverletzungeinsatzbereit. «Anfangs sah es sehr schlecht um ihn aus, aber er hatbis zu sieben Stunden pro Tag an seiner Gesundheit gearbeitet»,erläuterte Eriksson.
Beckham beschwor unterdessen den Geist von München, forderteseine Kollegen dazu auf, an das in England mittlerweile alshistorisch gefeierte 5:1 gegen den Erzrivalen Deutschlandanzuknüpfen. «Wir haben in den Qualifikationsspielen Maßstäbegesetzt, die müssen wir jetzt auch im Turnier bestätigen», forderte«Becks». Doch nicht alle im Fußball-Mutterland trauen den«enthaltsamen Engländern» den großen Coup zu, zum Beispiel GaryLineker. «Jede Mannschaft kann gewinnen, aber England hat nur einesehr kleine Chance. Wir bräuchten eine große Portion Glück», urteilteder WM-Torschützenkönig von 1986.