Einmal ganz nach unten und zurück
Hochfilzen/MZ. - Kaum war die erfreuliche Botschaft über seine nächste Bewährungschance zu Michael Rösch vorgedrungen, blitzte auch schon wieder der alte Schabernack auf. Den Wink von Bundestrainer Mark Kirchner, dass er auch beim zweiten Hochfilzener Weltcup, der heute mit dem Männer-Sprint beginnt, wieder am Start sein wird, übermittelte Rösch seinen Freunden bei Facebook am Montag mit dem Satz: "Jetzt kann ich meinen Zimmerkollegen Arnd Peiffer eine Woche länger in den Schlaf schnarchen."
Peiffer, der designierte Häuptling der deutschen Biathleten, wird die angedrohten Nebengeräusche aber verschmerzen können, gilt er doch als wichtiger Mosaikstein bei Röschs Rückkehr in die Skijäger-Elite. Im italienischen Antholz hatte der Sohn des früheren Biathlon-Weltmeisters Eberhard Rösch im Januar 2010 sein letztes Weltcup-Rennen bestritten. Der strahlende Gold-Junge von Turin verpasste kurz darauf die Olympischen Spiele in Vancouver, musste im international zweitklassigen IBU-Cup starten - und als er der Konkurrenz selbst dort noch hinterher lief, wurde er im letzten Winter gar in den Deutschland-Pokal verbannt. "Ich war", sagt Michael Rösch lapidar, "ganz unten."Um die großen - auch privaten - Probleme zu Hause im sächsischen Altenberg zu überwinden, verständigte er sich mit dem DSV vor dieser Saison auf einen Standortwechsel. Statt in Altenberg trainierte Rösch mit Arnd Peiffer, dem Sprint-Weltmeister vom März, vier Monate lang im oberbayerischen Bad Endorf. Er wechselte zudem das Management - und fand sich letztlich beim abschließenden Trainingslager der DSV-Skijäger in Nordfinnland wieder. Unter anderem mit Peiffer, Daniel Böhm und dem mittlerweile pausierenden Christoph Stephan, mit denen er sich jenseits des Polarkreises eine Hütte teilte.
"Michael Rösch ist auf dem Weg zurück zu alter Stärke", betonte Männer-Coach Kirchner anschließend. Und lobt nun, wo der Schwergeprüfte auch beim zweiten Weltcup in Hochfilzen starten darf, die allgemeine Entwicklung des einstigen Hallodris. "Er ist", hat Kirchner festgestellt, "als Mensch, als Persönlichkeit absolut gereift."
Vor dem Comeback in der Vorwoche ging dem innerlich gereiften Sportler nach eigenem Bekunden allerdings "extrem der Stift - so wie vor meinem allerersten Weltcup-Rennen". Doch er bekam die Nervosität in den Griff, wurde 27. im Sprint, verbesserte sich in der Verfolgung auf Rang zwölf - und darf sich deshalb im Kreise der Biathlon-Elite nun noch eine Spur heimischer fühlen. Auch wenn Rösch nach der ersten Schleife in Hochfilzen schon das Gesicht verzog - weil er hautnah miterlebte, wie massig die Weltspitze nach seinen knapp zwei Jahren Zwangsabstinenz mittlerweile daherkommt. "Das Feld ist brutal eng zusammen, du darfst nirgendwo eine Sekunde liegen lassen."
Rösch genießt es umso mehr, in dieser wüsten Konkurrenz weiter mitmischen zu dürfen. "Erkenntnisresistent" sei er gewesen, entschuldigt sich Rösch im Nachhinein bei Trainern und Kollegen - und gesteht: "Dass ich es nicht nach Vancouver geschafft habe - dieser Stachel sitzt immer noch tief."
Schließlich sind da die Erinnerungen an Olympia 2006, als er, das damalige Staffel-Küken, im Team mit Ricco Groß, Michael Greis und Sven Fischer in den Bergen oberhalb von Turin als Einziger aus dem DSV-Quartett fehlerfrei schoss, zudem die zweitschnellste Laufzeit hinter dem Norweger Ole Einar Björndalen in den Schnee legte und so entscheidend zum Staffel-Gold der deutschen Skijäger beitrug.
Damals galt er als der Kronprinz im schwarz-rot-goldenen Biathlon. Seitdem sind fast sechs Jahre vergangen, in denen Rösch tiefe Täler durchwandert hat.
Das ZDF und Eurosport übertragen den Sprint heute ab 14.30 Uhr.