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Ecuador Ecuador: Von Tölpeln und Echsen

Von Florian Oertel 19.10.2004, 13:46
Die berühmtesten Bewohner der Insel - die Galápagos-Schildkröten beeindrucken schon allein durch ihre Größe. Ehe das Archipel im 16. Jahrhundert entdeckt wurde, gab es Hunderttausende von ihnen, heute sind es noch rund 15 000. (Foto: dpa)
Die berühmtesten Bewohner der Insel - die Galápagos-Schildkröten beeindrucken schon allein durch ihre Größe. Ehe das Archipel im 16. Jahrhundert entdeckt wurde, gab es Hunderttausende von ihnen, heute sind es noch rund 15 000. (Foto: dpa) Florian Oertel

Puerto Ayora/dpa. - Die Männchen geben schrille Pfeiftöne vonsich, die Weibchen merkwürdige Quaklaute. Noch erstaunlicher sindjedoch die Füße der Blaufußtölpel: Sie leuchten tatsächlich derarthellblau, als seien sie angemalt. In großer Zahl bevölkern dieentenartigen Vögel die Galápagos-Inseln. So ungewöhnlich wie dieBlaufußtölpel ist auch der Archipel im Pazifik selbst: Obwohl erunberührte Natur und breite Sandstrände bietet, ist es keinTraumreiseziel im eigentlichen Sinne.

Große Touristenströme vereitelt schon die geografische Lage vonGalápagos: Etwa 1000 Kilometer westlich von Ecuador im Pazifikgelegen, sind die Inseln ausschließlich nach einem Stopp in demsüdamerikanischen Staat zu erreichen, zu dem sie auch gehören. DreiStunden dauert es, bis die kleine Maschine von der Hauptstadt Quitoaus zum Beispiel den ehemaligen Militärflugplatz auf Baltra erreicht.Wobei das Wort Flugplatz übertrieben ist: Mehr als eine in der Sonneglänzende Start- und Landebahn mit einigen Hütten gibt es hier nicht.

Gleich nach der Landung werden die Besucher zur Kasse gebeten: 100US-Dollar (81 Euro) muss jeder berappen. Mit dem Geld werden unteranderem die «Park Rangers» bezahlt, deren Begleitung für Tourenzumindest auf den kleineren der 18 Inseln vorgeschrieben ist. Danngeht es im Bus zum Hafen und zur bequemsten Möglichkeit, von einerInsel zur nächsten zu gelangen: zum Kreuzfahrtschiff einereinheimischen oder US-amerikanischen Reederei. Neben der «CelebrityXpedition» von Celebrity Cruises fahren die «Tip Top II» und die «TipTop III» von Rolf Wittmer Turismo Galápagos, die «Nemo Galápagos» unddie «Pelíkano» von Latin Tour sowie die «Amigo I» des AnbietersGalahost, zählt der Informationsservice Ecuadorline in Quito auf.

Neben den Schlauchbooten, die die Gäste zu den weiter draußen imMeer vor Anker liegenden Schiffen bringen, schwimmen Seelöwen her.Die Tiere, die den Archipel zu Zehntausenden bewohnen, sind aufkeinen Fall die Herren von Galápagos - aber zumindest die großenExemplare benehmen sich so: Auf Española, der südlichsten Insel,liegen sie bei der Bootsanlegestelle Punta Suarez in einem Momentträge am Strand und wuchten im nächsten ihre Zentner schweren Körperin die Höhe, um markerschütternd zu brüllen. Die Weibchen, dienebenan ihre Jungen säugen, beeindruckt das allerdings nicht weiter.

Galápagos-Besucher müssen gut zu Fuß sein: Auf den unbewohntenInseln wie Española gibt es markierte, aber nicht speziell ausgebauteWege - Galápagos soll als Nationalpark und Unesco-Welterbestätte soursprünglich bleiben wie möglich. Daher heißt es immer wieder, überFelsen zu balancieren oder sich unter herabhängenden Ästen vonBüschen hindurch zu ducken. Doch die Mühe lohnt sich: Einer der Pfadeauf Española führt zu einer Bucht, in der alle paar Sekunden durchein kleines Loch im schwarzen Felsboden eine gewaltige Wasserfontänezischend in die Höhe schießt - ein imposanter Anblick.

Auch die Blaufußtölpel haben hier ihren großen Auftritt: Aufgeregtwatscheln ein Männchen und ein Weibchen umeinander herum. Mit jeweilsin die Höhe gestellter Schwanzfeder signalisieren sich die beidengegenseitig Interesse. Mit ihren Schnäbeln heben sie kleine Zweige indie Höhe und lassen sie wieder fallen. Dann schlagen die beiden Vögelihre Schnäbel klappernd aneinander, um urplötzlich wieder voneinanderabzulassen - offenbar doch kein Traumpaar. «Der Liebesakt hätte nurfünf Sekunden gedauert», erklärt Justin, ein ursprünglich ausKalifornien stammender «Park Ranger».

Nur auf fünf der Galápagos-Inseln leben Menschen, auf vier gibt esjeweils eine Hand voll Hotels. Ein großer Teil der weniger als 20 000Einheimischen wohnt in Puerto Ayora auf Santa Cruz. In der Bucht vordem Ort dümpeln hölzerne Fischerboote und Yachten auf demkristallklaren Wasser. Auf der kleinen Promenade radeln Jugendlichemit Mountainbikes umher, es gibt Läden, Cafés und eine Kirche. ImInneren des Gotteshauses wird deutlich, dass auf Galápagos die Uhrenetwas anderes ticken: Nicht ein Schutzheiliger ziert das bunteFenster hinter dem Altar, sondern Pelikane.

Auf Santa Cruz gibt es asphaltierte Straßen. Eine von ihnen führtdurch Puerto Ayora hindurch und bergan ins Inselinnere. Nach ein paarKilometern biegt der Bus mit den Besuchern in einen Feldweg ein, ehees zu Fuß weitergeht. Ziel ist ein von Büschen und Bäumen umrandeterTümpel. Darin liegen nahezu regungslos drei Exemplare der vermutlichbekanntesten Insel-Bewohner: mächtige Galápagos-Schildkröten. EheSiedler den Archipel im 16. Jahrhundert entdeckten, gab esHunderttausende von ihnen. Heute sind es nur noch rund 15 000.

Die Nachfahren der Galápagos-Entdecker behandeln die Schildkrötenglücklicherweise pfleglich und haben sie vor allem längst von ihrenSpeisekarten gestrichen. In Puerto Ayora gibt es die «Charles DarwinResearch Station», eine Forschungsstation, in der die gepanzertenTiere kontrolliert gezüchtet werden. Immer wieder werden Schildkrötenausgesetzt, um in freier Wildbahn zu leben. Das Aussterben einerspeziellen Art, die von der nördlichsten Galápagos-Insel Pintastammt, werden die Wissenschaftler jedoch nicht verhindern können:«Lonesome George» lebt als letzter Vertreter in ihrer Obhut.

Der Naturforscher Charles Darwin kam 1835 auf die Galápagos-Inselnund war besonders von der Vogel-Vielfalt fasziniert - mehr als 50Arten leben hier. Von Darwins Arbeit zeugt eine nach ihm benannteFinkenart. Diese und viele ihrer Artgenossen lassen sich etwa auf derwinzigen Insel North Seymour beobachten. Besonders auffällig sind dieFregattvögel mit ihrem leuchtend roten Kehlsack. North Seymour istnur spärlich bewachsen, das rote Gestein von den Ausscheidungen derBlaufußtölpel weiß gesprenkelt. Die Sonne brennt auf dievoranstaksenden Besucher herab - das ganze Jahr über mit kaum sichverändernder Macht, da der Archipel direkt am Äquator liegt.

In den niedrigen Büschen auf North Seymour hocken Leguane - ohnesich von den neugierigen Blicken der Besucher aus der Ruhe bringen zulassen. Zwei Arten der schuppigen und etwas bedrohlich wirkendenEchsen leben auf den Galápagos-Inseln: Eine davon hält sichausschließlich an Land auf, die Vertreter der anderen verbringeneinen beträchtlichen Teil ihrer Zeit im Meer. Besonders große,rotbraun gefärbte Land-Leguane gibt es auf dem Cerro Dragon - zuDeutsch Drachenhügel - im Westen von Santa Cruz zu bestaunen.

Am Fuß des Drachenhügels waten einige pinkfarbene Flamingos imWasser eines kleinen Sees umher. Für weitere, wenn auch eher auf denzweiten Blick erkennbare Farbtupfer in der heißen Nachmittagssonnesorgen Schmetterlinge und die kleinen gelben Blüten derBaumwoll-Blume. «Die Pflanzen brauchen hier keine prächtigen Blütenfür die Bestäubung», sagt Justin.

Im angenehm warmen Pazifik-Wasser vor dem nur ein paar Schritteentfernten Sandstrand finden die Besucher Abkühlung. Wem eher nacheinem kühlen Getränk zumute ist, der muss sich mit dem Schlauchbootzurück zum Schiff fahren lassen: Der Drachenhügel ist nicht bewohnt,und es gibt auch keine Strandbar. Das gilt auch für die zahlreichenanderen Traumstrände der Galápagos-Inseln.

Einer dieser Strände, der anderswo von Hotels gesäumt wäre, liegtam Fuß des Cerro Brujo auf San Cristobal im Osten des Archipels. Hierwird besonders deutlich, dass der Mensch auf den Galápagos-Inseln nureine Nebenrolle spielt: Obwohl die unmittelbar hinter dem Sandstrandbeginnende, hügelige Wildnis zu Entdeckungstouren einlädt, lassen die«Park Ranger» diese nicht zu. Zu groß ist die Gefahr, dass dabei dieNester von Meeresschildkröten zertrampelt werden. Anhand von Kuhlenim Sand lässt sich erahnen, dass die Tiere hier an Land gekrochensein müssen, um ihre Eier abzulegen und zu verscharren.

Erreichen lässt sich der Strand am Cerro Brujo also nicht überLand, sondern wiederum nur durch eine Fahrt im Schlauchboot. VieleBesuchergruppen treten diese im Morgengrauen an, weil sie unterwegseines der beeindruckendsten Spektakel erleben wollen, das die Inselnzu bieten haben: einen Sonnenaufgang am Kicker Rock. Ein paar hundertMeter vor der Küste ragt der Felsen hoch in den Himmel. Im Wasser desPazifik sind Meeresschildkröten und ein Rochen zu sehen - jeweils nurfür einen kurzen Augenblick. Um den Felsen herum schwirren kreischendHunderte von Vögeln.

Der Galápagos-Archipel liegt etwa 1000 Kilometer westlich von Ecuador im Pazifik - die Inseln sind ausschließlich nach einem Stopp in dem südamerikanischen Staat zu erreichen, zu dem sie politisch auch gehören. (Grafik: dpa)
Der Galápagos-Archipel liegt etwa 1000 Kilometer westlich von Ecuador im Pazifik - die Inseln sind ausschließlich nach einem Stopp in dem südamerikanischen Staat zu erreichen, zu dem sie politisch auch gehören. (Grafik: dpa)
Sven-E. Hauschildt