Doping-Skandal Doping-Skandal: Wird Ullrich sein Olympia-Gold aberkannt?
Hamburg/dpa. - Die Luft für Jan Ullrich wird immer dünner: Nachder Geständnis-Lawine im Radsport hat das Internationale OlympischeKomitee (IOC) eine Disziplinar-Kommission ins Leben gerufen, dieDoping-Verstöße bei zurückliegenden Olympischen Spielen untersuchensoll. Damit droht Olympiasieger Jan Ullrich die Aberkennung seinerGoldmedaille von Sydney. Unter dem Vorsitz des Schweizers DenisOswald will das Gremium auch die Verwicklung von Medizinern derFreiburger Universitätsklinik in den Skandal um das ehemalige TeamTelekom prüfen. «Wir werden natürlich kooperieren und alle wichtigenInformationen zur Verfügung stellen», sagte Michael Vesper,Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) derDeutschen Presse Agentur dpa, «das ist der richtige Schritt.»
Die Bundesregierung will im Kampf gegen Doping eine «Task Force»einsetzen, hält aber weitere Gesetzes-Nachbesserungen nicht fürnötig. Dafür geht das öffentlich-rechtliche Fernsehen auf Distanz zumRadsport. ARD und ZDF erwägen sogar einen Ausstieg aus der Tour deFrance. Das Bundeskriminalamt (BKA) nahm unterdessen zwei FreiburgerSportmediziner ins Visier. Von den ganzen Tumulten scheinbarunbeeindruckt hält die Öffentlichkeit den Radfahrern unverändert dieTreue: Doping-Sünder Erik Zabel wurde zum Auftakt der Bayern-Rundfahrt am Mittwoch von den Fans frenetisch gefeiert.
Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte bei denKabinettsberatungen über Rechtsverschärfungen im Anti-Doping-Kampferneut die Einsetzung einer «Task Force» an. Diese Eingreiftruppesolle untersuchen, ob Steuergelder in der Vergangenheitmissbräuchlich verwendet wurden. «Doping zerstört die Werte desSports. Seine Glaubwürdigkeit, Vorbildfunktion und die öffentlicheAkzeptanz insgesamt stehen auf dem Prüfstand», mahnte Schäuble.
Die Regierung will den Vorschlag des Bundesrates prüfen, dieEinfuhr von Arzneimitteln zu Dopingzwecken zu verbieten. Doch in denAugen der Kritiker wurden die Nachbesserungswünsche des Bundesrateskaum berücksichtigt. Der Grünen-Abgeordnete Winfried Hermannkritisierte, Einnahme und Besitz von Dopingmitteln seien nichtstrafbar, zudem müsse ein neuer Straftatbestand Sportbetruggeschaffen werden. Der Regierungsentwurf sei nur eine «weiße Salbe»,sagte Hermann im Sender N24.
Der Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Peter Danckert(SPD), hält die beschlossenen Maßnahmen indes für ausreichend: «Wirhaben eine sehr gute Grundlage für den staatlichen Kampf gegenDoping.» Auch die Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbundes(DOSB) zeigten sich zufrieden. «Jetzt ist der Weg frei für einerasche Verabschiedung des Gesetzes zur Bekämpfung des Dopings imSport», sagte DOSB-Generaldirektor Michael Vesper. Die gesetzlichenRegelungen sollen noch vor der parlamentarischen Sommerpauseverabschiedet werden.
Im Zuge der Ermittlungen gegen die in die Affäre verwickeltenFreiburger Uni-Mediziner Lothar Heinrich und Andreas Schmid schaltetedie Staatsanwaltschaft Freiburg das BKA ein. Die Bundesbehörde werdedie polizeilichen Ermittlungen übernehmen, sagte ein Sprecher derStaatsanwaltschaft. Es sei erforderlich, bundesweit die Erkenntnissezu bündeln. Gegen den ebenfalls geständigen Olympia-Arzt Georg Huberlaufen allerdings keine strafrechtlichen Ermittlungen, da in seinemFall die Verjährungsfrist greift.
Im Rahmen des Skandals um den spanischen Arzt Eufemiano Fuenteshatte das BKA zuvor bereits Ermittlungen gegen einen Göttinger Arztsowie den noch immer schweigenden Ex-Profi Jan Ullrich aufgenommen.Der Verband der deutschen Sportmediziner, die Deutsche Gesellschaftfür Sportmedizin und Prävention (DGSP), schloss die drei FreiburgerÄrzte am Mittwoch aus.
Unterdessen teilten ARD und ZDF mit, den Ende 2008 auslaufendenVertrag über die Tour-Berichterstattung vorerst nicht zu verlängern.«Wir werden die Option zur Vertragsverlängerung nicht wahrnehmen,bevor wir sicher sein können, dass Doping bei der Tour de Francekeine Chance mehr hat», sagte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender derdpa. «Darüber sind wir uns mit der ARD einig.» Der Sender habeGespräche mit dem Bund Deutscher Radfahrer (BDR) und den deutschenRennställen angesetzt. Danach will das ZDF entscheiden, ob es fürdieses Jahr an der Tour festhält. «Zum jetzigen Zeitpunktauszusteigen wäre falsch.» Die ARD gab bekannt, dass erst nach demEnde der diesjährigen Radsport-Saison eine Entscheidung über dieÜbertragung der Tour 2009 getroffen werden solle.
Ungeachtet des größten Skandals in der Geschichte des deutschenRadsports werden seine Protagonisten von den Fans weiter begeistertumjubelt. Sechs Tage nach seiner tränenreichen Doping-Beichte nahmErik Zabel die erste Etappe der Bayern-Rundfahrt unter großem Beifallin Angriff. «Es ist ein schönes Signal, dass ein so erfolgreicher undsympathischer Sportler nicht platt gemacht wird», sagte BDR-PräsidentRudolf Scharping. Zabel räumte ein, einen Rücktritt erwogen zu haben:«Ich habe auch daran gedacht, überhaupt nicht mehr zu fahren.» Zabelwurde beim ersten Rennen nach seiner Beichte Vierter.
Für die frühere BDR-Präsidentin Sylvia Schenk hat der Vize-Weltmeister mit der Fortsetzung seiner Karriere ein falsches Signalgesetzt. Dadurch ändere sich nichts an der «Mentalität, insbesonderedie Fahrer fühlen sich sogar noch bestätigt». Die Doping-Geständnissevon bisher sieben ehemaligen Fahrern des T-Mobile-Vorgängers TeamTelekom gehen Scharpings Amts-Vorgängerin nicht weit genug. «Dasendet immer an der Verjährungsgrenze und es sind auch nur bisherSachen zugestanden worden, die bereits auf dem Tisch lagen.»