1. MZ.de
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. Doping: Doping: Interview mit Professor Fritz Sörgel

Doping Doping: Interview mit Professor Fritz Sörgel

Von Richard Janssen 24.10.2007, 14:46

Hamburg/Nürnberg/dpa. - Dasist die Zukunft», sagte der Leiter des Instituts für Biomedizinischeund Pharmazeutische Forschung in Nürnberg am Mittwoch in einemInterview mit der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Der Sport ist einegroße Lüge.»

Was bringt uns die Doping-Zukunft?

Sörgel: «Wir befinden uns in einer Übergangsphase. Wenn erstintelligente Epo's kommen, also wenn man die Wirkung von EPOsimuliert, ohne sich an den jetzigen Epos zu orientieren, wie bei denBiosimilars und Dynepo, dann wird es wirklich auf lange Zeit wiederein verlorenes Rennen.»

Worauf beruhen Ihre Vermutungen?

Sörgel: «Ich schätze, es gibt momentan weltweit hundert kleinereFirmen und Labore, die innerhalb von 4 Wochen einen Stoff herstellen,der die gleichen Wirkungen hat, wie die bekannten Stoffe. Wenn dazudie kriminelle Potenz eines Dr. Conte, wie in den Balco-Laboratorienbei San Francisco kommt, dann ist das Horror-Szenario perfekt:Sportler dopen sich mit wirksamen Substanzen, deren Nebenwirkungenman nicht im Entferntesten vorhersagen kann. Das ist die Zukunft.»

Wie wird heute gedopt?

Sörgel: «Man muss bedenken, dass die modernen, analytischen Methodenmittlerweile hervorragend funktionieren. Im Moment dürften nach wievor anabole Steroide, also männliche Sexualhormone, Wachstumshormoneund Blutdoping im Vordergrund stehen.»

Warum ist Blutdoping wieder so aktuell geworden?

Sörgel: «Das Blutdoping ist eine Methode, die in der Breite angewandtwerden kann. Und sie ist sehr erfolgversprechend, bei scheinbarrelativ geringen Risiken, kaum Nachweismöglichkeiten und viel zulaschen Grenzwerten. Das weiß die Szene.»

Es gibt jetzt neue Epo-Präparate, was hat es damit auf sich?

Sörgel: «Bei diesen neuen Epo-Präparaten, handelt es sich um ganzminimale Abwandlungen, die genauso wirken, wie die bereits im Handelbefindlichen Epos. Man nennt sie Biosimilars. Es sind also Epo-Präparate, die wie bei anderen Arzneistoffen eine ArtNachahmerpräparat sind. Sie müssen also aufgrund derZulassungsrichtlinien für Arzneimittel eine mehr oder wenigeridentische Wirkung wie Epo überhaupt nachweisen, um auf den Markt zukommen.»

Sind diese neuen EPOs leicht nachweisbar?

Sörgel: «Ja. Jedes erfahrene Labor wird sofort erkennen, dass sich inder entsprechenden Urinprobe ein Stoff befindet, der den bisherbekannten Epos bis in fast alle Details gleicht.»

Gibt es andere neue Dopingstoffe?

Sörgel: «Ja, Anfang November kommt nun auch ein IGF-1-Präparat in denHandel. Eine Substanz, die ebenfalls zusammen mit Epo,Wachstumshormonen und Anabolika eine große Rolle in der Doping- undBodybuilder-Szene spielen wird. Einerseits ist diese Substanz füretwa 44 000 Patienten in der EU, die dieses Medikament dringendbrauchen, ein Segen. Aber gleichzeitig stellt es ein Potenzial fürden Sportbetrug dar.»

Worauf stützen Sie Ihre Vermutung, dass man neue Dopingstoffe soschnell herstellen kann?

Sörgel: «Das ist ganz einfach. Wenn Sie sich ansehen, wie vielgefälschte Arzneimittel tagtäglich über das Internet in Umlaufgesetzt werden, dann müssen diese ja von technisch recht gutausgerüsteten Laboren stammen. Diese Labore sind natürlich auch inder Lage, sehr schnell neue Stoffe herzustellen, die abergleichzeitig nicht mit den gängigen Nachweismethoden nachweisbarsind.»

Was erwarten Sie mit Blick auf Olympia 2008 in Peking?

Sörgel: «Ich denke, dass sich alle Beteiligten derzeit sehr bemühen,nach außen einen perfekten Dopingkampf zu demonstrieren. Ich denkeaber auch, dass Doping weiter perfektioniert wird und vor allem auchalle Möglichkeiten des Blutdopings ausgeschöpft werden. DieGrenzwerte für Hämoglobin und Hämatokrit sind ideal hoch und ladengeradezu ein, Blutdoping zu betreiben. »

Ist ein Doping-freier Sport noch denkbar?

Sörgel: «Eine der Lebenslügen des Sports ist es einfach, dass dasProblem des Dopings jemals beseitigt werden kann. Es ist immer nurdie Frage, auf welchem technischen Niveau sich Sportler und Doping-Labore einen Wettkampf liefern und wie gleich die Waffen sind. DieWaffen sind jedenfalls nicht gleich, wenn vergleichbar wenigfinanzielle Mittel in die Dopingforschung gesteckt werden.»

Wenn Sie die olympischen Sportarten betrachten, gibt es da überhauptnoch eine Doping-freien Raum?

Sörgel: «In praktisch jeder Sportart ist Doping attraktiv und kann zugroßen, sonst nicht erreichbaren Erfolgen führen. Wenn Sie morgen dasSchachspiel in das olympische Programm aufnehmen, werden Sieübermorgen den ersten Dopingfall mit Stoffen haben, die dieintellektuelle Leistungsfähigkeit erhöhen. Und wenn Sie übermorgenauch das Violinspiel in das olympische Programm aufnehmen, dann habenSie am nächstfolgenden Tag ein Dopingproblem insofern, als ja bekanntist, dass Künstler zur Vermeidung von Lampenfieber Beta-Blockereinnehmen. Nur wird es dort nicht als Doping bezeichnet und ist auchnicht verboten.»

Wie können wir diesem System entgehen?

Sörgel: «Wir müssen mit dem System der Heuchelei leben. Der Sport isteine große Lüge. Ich sehe manchmal auch keine klaren Linien und habegrößte Schwierigkeiten, selbsternannte Anti-Doping-Kämpfer anvorbildlichem und zweifelsfreiem Verhalten erkennen zu können. Es istdoch ein sehr schlimmes und undurchsichtiges Gemisch beim Kampf umGeld und Ruhm. Wenn der Sportbegeisterte wüsste, was da hinter denKulissen läuft... Man kann nur versuchen sich davon fern zu halten.Zu den großen Lügen des Sports gehört es sicher, dass professionellerSport und Anstand miteinander zu verbinden sind, und dass dasDopingproblem überhaupt jemals zu lösen sein wird.»

Sind die Verbände, national wie international, wirklich am Anti-Doping-Kampf interessiert?

Sörgel: «Mit wenigen Ausnahmen spielt der Anti-Doping-Kampf inwenigen Verbänden eine große Rolle. Man macht die Augen zu, hofft,dass nichts passiert und man nicht eines Tages aus diesem Traumerwacht.»

Laufen wir nicht auch Gefahr, Sportler zu kriminalisieren?

Sörgel: «Wer Anti-Doping-Kampf machen will, muss sich letztlicheingestehen, dass er den Sport und den Sportler unter Generalverdachtstellen muss, jeden Sportler als potenziellen Betrüger ansehen mussund deshalb permanent Razzien und andere investigative Methodeneinsetzen muss. Alles andere wirkt nicht. Das klingt hart, verändertden Sport. Aber was sind die Alternativen?