Doping im Radsport Doping im Radsport: ARD und ZDF boykottieren die Tour
Marseille/Hamburg/dpa. - Nach ARD-Informationen vom Mittwoch sollenweitere positive Doping-Fälle vor der Veröffentlichung stehen.
Nach Bekanntwerden der positiven A-Probe des 26-jährigenT-Mobile-Profis wurde von den öffentlich-rechtlichen Anstaltenumgehend ein Exempel statuiert. «Wir haben entschieden, bis zurKlärung des Falles aus der Tour-Berichterstattung auszusteigen»,sagte ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender nach Beratungen mitARD-Programmdirektor Günter Struve.
Der Boykott dürfte die Tour überdauern, weil das Ergebnis derB-Probe erst knapp vor Ende der Frankreich-Rundfahrt oder kurz danachvorliegen dürfte. Der Privatsender Eurosport, der bereits zuTour-Beginn überdurchschnittliche Zuschauer-Quoten hatte, reibt sichnun die Hände und will weiter übertragen. «Das ist die Tendenz. Wirsehen das aus einem internationalen Blickwinkel», sagte Eurosport-Sprecher Werner Starz der dpa. Noch am Wochenende hatten bis zu 3,28Millionen Zuschauer die zweite Alpen-Etappe in der ARD verfolgt - bisdahin Tour-Rekord.
Das Team T-Mobile aus Bonn, das im Vorjahr an der Affäre JanUllrich fast zerbrach, kann auch mit einem offensiven Anti-Doping-Programm nicht verhindern, dass Betrug die eigene Mannschaftbelastet. «Die Situation ist für uns klar. Wir haben Sinkewitz sofortsuspendiert und werden ihm kündigen, wenn die B-Probe positiv ist»,erklärte Team-Manager Bob Stapleton. Sein Team hatte bereits vor derTour durchgegriffen und den ebenfalls nach eigenen Ermittlungenauffällig gewordenen Profi Sergej Gontschar erst vom Giro d'Italiaausgeschlossen und dann entlassen.
«Das ist ein Tiefschlag. Wir müssen uns jetzt über unserSponsoring Gedanken machen und setzen uns nach der Tour zusammen.Durch die Entscheidung von ARD und ZDF liegt die Messlatte hoch unddaran müssen sie sich in Zukunft bei allem messen lassen», sagteFrommert in Anspielung auf künftige Sport-Übertragungen wie Olympiaoder die Fußball-WM. Sponsor T-Mobile zahlt jährlich für sein Radteamschätzungsweise 13 Millionen Euro. Einen Ausstieg schloss Frommertausdrücklich nicht aus.
«Ich kann im Moment nicht einschätzen, was das für uns bedeutenkönnte. Ich gehe nach wie vor davon aus, dass unser Sponsor seinEngagement über 2008 hinaus verlängert», sagte Hans-Michael Holczer,der Manager von Gerolsteiner. Vertreter des Mineralwasser-Herstellershatten im Anschluss an die 3. Tour-Etappe in Compiègne erklärt, überihr weiteres Engagement Ende August zu entscheiden. «Wir tun uns alleschwer, damit umzugehen. Aber ich habe kein Verständnis dafür, dassjemand das Team und die Arbeitsplätze so akut gefährdet», sagte derneue deutsche Rad-Liebling Linus Gerdemann zum Fall Sinkewitz.
Fassungslos reagierte der nach seinem Unfall bei der Tour imKrankenhaus liegende Sinkewitz auf die Nachricht seiner positiven A-Probe. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) hatte am Mittwoch bekanntgegeben, dass bei einer Trainingskontrolle am 8. Juni ein erhöhterTestosteron-Wert festgestellt worden war. «Ich? Wieso ich? Davon weißich nichts. Das kann nicht sein», sagte er der dpa.
Der 26-jährige Sinkewitz, der im Vorjahr auf Druck seines Teamsdie Zusammenarbeit mit dem umstrittenen Mediziner Michele Ferraribeenden musste, war am Sonntag nach der 8. Tour-Etappe mit einemZuschauer zusammengestoßen und hatte sich schwere Verletzungen imGesicht zugezogen. «Ich werde gleich operiert und kann mich jetztnicht darum kümmern», sagte er zu dem Doping-Vorwurf. SeinSportdirektor Rolf Aldag, ein geständiger Doping-Sünder, riet ihm,sich einen Anwalt zu suchen. «Ich kann mir vorstellen, dass vonSeiten T-Mobiles auch Regressmöglichkeiten bestehen könnten»,sagte der jetzige Teamchef.
Der BDR war von der Nationalen Anti-Doping-Agentur NADA über denpositiven Analysebefund mit dem erhöhten Testosteronwert informiertworden. Der lag bei 24:1 - mehr als sechs Mal über dem Grenzwertvon 4:1. «Bei T-Mobile werden keine team-internen Tests aufTestosteron-Doping vorgenommen», erklärte Stapleton. «Wir tun alles,was wir können, aber wir können nicht rund um die Uhr kontrollieren»,sagte der Amerikaner.
Sinkewitz sei bei einem Tour-Trainingslager seines Teams in denPyrenäen zusammen mit Linus Gerdemann, Marcus Burghardt, MichaelRogers und Kim Kirchen getestet worden, teilte Teamsprecher StefanWagner mit. «Bisher unterstützt der Sponsor uns auf unserem Weg desstrikten Anti-Doping-Programms. Wie er jetzt reagieren wird, kann ichnicht sagen. Das ist Sache von T-Mobile», erklärte Wagner. «Nach derTour werden wir uns zusammensetzen und dann mit Abstand entscheiden,wie es mit dem Team weiter geht», sagte Telekom-KommunikationschefPhillip Schindera.
Das Unternehmen hatte nach den Doping-Geständnissen ihrer Ex-Fahrer Erik Zabel, Udo Bölts, Rolf Aldag, Brian Holm, Christian Hennund Jörg Jaksche im Mai noch einmal bekräftigt, das Engagement wieangekündigt bis 2010 fortsetzen zu wollen. Zusammen mit CSCinstallierte das T-Mobile-Team unter dem neuen Management daswahrscheinlich effektivste Anti-Doping-Programm aller 20ProTour-Teams.
Sollte auch die B-Probe von Sinkewitz positiv sein, riskiert der26-jährige Hesse aus Fulda die Zahlung eines Jahres-Gehalts im hohensechsstelligen Bereich an den Weltverband UCI. Mit seinerUnterschrift unter eine UCI-Verpflichtungs-Erklärung, die an denTour-Start gekoppelt war, hatte sich der Profi dazu bereit erklärt.Das Geld würde die UCI in den Anti-Doping-Kampf stecken. Die WM inStuttgart vom 25. bis 30. September sei nicht in Gefahr, erklärteeine Sprecherin der Stadt.
