Die zweite Frau
Hamburg/dpa. - Erwin Kobarek ist 41 und lebt noch immer bei seiner Mutter. Beide führen eine kleine Tankstelle an einer Landstraße irgendwo in der Provinz. Und beide halten den Zeitpunkt für gekommen, dass sich Erwin nach einer Frau umsieht.
Zu diesem Zweck reist er nach Rumänien, wo die Frauen laut Katalog einer Heiratsvermittlung «lieb, warmherzig und treu» sind. Matthias Brandt spielt unter der Regie von Hans Steinbichler den schüchternen und gehemmten Mann in dem Film «Die zweite Frau», den die ARD an diesem Mittwoch (20.15 Uhr) zeigt. Seine Mutter wird von Monica Bleibtreu dargestellt.
Bleibtreu starb am 13. Mai dieses Jahres kurz nach ihrem 65. Geburtstag. Zweieinhalb Jahre lang hatte sie zuvor unter ihrer Krebserkrankung gelitten, auch schon im Juli 2007 während der Dreharbeiten zum Film «Die zweite Frau», der im November 2008 bereits im Kulturkanal Arte, Koproduzent des Streifens, zu sehen war. In einem im Auftrag des Westdeutschen Rundfunks (WDR) nur wenige Tage vor ihrem Tod geführten Gespräch sagte Bleibtreu über den Kollegen Brandt, er habe «eine Gabe dafür, scheinbar tumbe Typen mit großem Feingefühl zu spielen». Regisseur Steinbichler sei aufmerksam, er lasse den Akteuren genug Freiraum, «ohne sie aus den Augen zu verlieren». Maria Popistasu sei «eine absolute Entdeckung».
«Auf den ersten Blick mag die Mutter, die ich spiele, hart wirken, aber sie ist es nicht», fuhr Bleibtreu fort. «Sie ist eine pragmatische Frau, die zu ihrem Sohn freundlich und herzlich ist. Zu der jungen Rumänin ist sie es weniger.» Die Nabelschnur zum Sohn sei noch längst nicht durch. «Die beiden lieben sich und hängen sehr aneinander. Deshalb ist es ein besonders großer Schritt sowohl für den Sohn, sich eine zweite Frau zu suchen, als auch für die Mutter, ihn loszulassen. Ich mochte das Buch auf Anhieb. Die Idee, dass eine Mutter ihrem Sohn aus Liebe eine Frau kauft, finde ich grandios.»
In dem modernen Heimatdrama kommt Erwin mit der Krankenschwester Irina (Maria Popistasu) nach Hause, die ein bisschen Deutsch spricht. Die Abmachung ist, dass die beiden es drei Wochen lang miteinander versuchen wollen, bevor sie sich entscheiden, ganz zusammenzubleiben. Doch sie kommen kaum dazu, einander kennenzulernen, denn Erwins Mutter dominiert das Leben im Haus. Kurz vor dem Ende der Probezeit will Irina wissen, woran sie ist. Als Erwin sie vertröstet, er müsse noch mal «mit Mama sprechen», lässt sie keinen Zweifel daran, was sie davon hält: «Bist du Mann, oder was? Scheiß auf Mama!»
Selbst als die Mutter schwer krank ins Krankenhaus kommt und an Krebs stirbt, kann sich Erwin noch nicht von den Zwängen befreien, mit denen er bisher gelebt hat. Erst als Irina wieder in ihre Heimat flüchtet, findet Erwin den Weg zu innerer Freiheit und zu dem Mut, sein bisheriges Leben von Grund auf umzukrempeln. In Rumänien angekommen, erlebt Erwin eine dicke Überraschung.
Die 29 Jahre alte Rumänin Maria Popistasu, die als Irina zu sehen ist, machte international auf sich aufmerksam, als sie in dem britischen Zweiteiler «Sex Traffic» die Rolle einer jungen Frau spielte, die als Sexsklavin verkauft wurde. Dafür erhielt sie 2005 den kanadischen Gemini Award als beste Nebendarstellerin. In «Die zweite Frau» ist sie eine ebenbürtige Partnerin ihrer deutschen Kollegen. Das Drehbuch schrieb der Österreicher Robert Seethaler (40). «Die zweite Frau» wurde vor der TV-Ausstrahlung bei den Festivals von Toronto und Warschau gezeigt. Im März dieses Jahres wurden Steinbichler, Brandt und Popistasu mit dem Adolf Grimme Preis ausgezeichnet.