Der Soundingenieur
Halle/iposa. - Es ist nahezu unmöglich, einen halleschen Szenemusikus ausfi ndig zu machen, der nicht schon einmal die Dienste Thomas Niederlohmanns in Anspruch genommen hat. Ob beim Konzert, bei der Aufnahme von Songs oder beim panischen Versuch, verdammt kurzfristig noch fehlendes Equipment zu organisieren. Niederlohmann ist in Halle so berühmt wie Hit-Produzenten- Depp Dieter Bohlen, aber bevor üble Missverständnisse auftreten, er wird eben auch mindestens so verehrt wie Indiehit-Produzenten- Papst Steve Albini.
Niederlohmann sorgt sich in seinem Job um den guten Ton in Halle. Weil es ihm damit ernst ist, hat er die unmittelbare Präsenz als Musiker vorerst vollständig gegen das verborgene Dasein eines Tontechnikers eingetauscht. Seit März 2003 ist er Mitbetreiber des „Masterpapst“-Tonstudios, dem ehemaligen Tonstudio der JFE Wasserturm, das er Anfang der 90er Jahre mit aufbaute. SAM, ABM und derlei Beschäftigungskonstrukte waren ausgelaufen, Selbstständigkeit blieb die einzige Chance.
Für Bandproben und Bandausflüge fehlt deshalb momentan die Zeit. Was nicht so schlimm ist für Niederlohmann, denn als Gitarrist durfte er mit der Reggae-Band Uprising einen stattlichen Höhenflug unternehmen. Uprising sind mittlerweile wieder gelandet, die Band existiert nicht mehr, aber das erhebende Gefühl, von ein-, zweihundert Konzertbesuchern gefeiert zu werden, kann ihm keiner nehmen. Auf die große Karriere hatte er sowieso nie abgesehen, „lieber Kreisklasse und Spaß dabei“, so ist seine sportliche Vorstellung vom Leben. Niederlohmann ist für Traumtänzereien auch viel zu vernünftig, ihm fehlt die Naivität wie die Schicksalsergebenheit gegenüber penetranten Musikmanagern und Labelbossen. Das Image eines Tontechnikers – viel Haar, wenig Hirn, große Stimme, kleiner Wortschatz – erfüllt er ganz und gar nicht. Seine Rasta-Mähne ist zwar erst vor nicht allzu langer Zeit in eine Kurzhaarfrisur übergegangen, aber beim Rest: Fehlanzeige.
Thomas Niederlohmann, in der halleschen Szene nur als „Nilo“ bekannt, hat früh seine Bestimmung gefunden. Im Alter von elf Jahren hockte er vor dem Radio seiner Eltern, hörte DDR-Rock und war fasziniert von Tönen und insbesondere Bässen. Mit 16 hat er das erste Schlagzeug „tierisch versohlt“, dann Lehrlingsband, NVA-Singeklub, Basteleien an der Bandtechnik, selbst zusammengefriemelte Lautsprecher. Das Studium in Dresden, das er als Diplom-Ingenieur für Bahntechnik beendete, konnte daran nichts mehr ändern: Musik war sein Lebensmittelpunkt. Folglich woll te er mit ihr auch seinen Lebensunterhalt verdienen. Irgendwie hat das seither immer geklappt.
Die Gewissheit, das Richtige zu tun, mag auch ein Grund sein, weshalb man Niederlohmann nach einem Arbeitstag bis 8 Uhr am Morgen („so `ne Erstsemesterparty“) drei Stunden später konzentriert und in sich ruhend, nicht zu verwechseln mit ausgeruht, antrifft. Ein, zwei solcher Termine hat er pro Woche, wo er für den Sound vor Ort, bei Konzerten oder DJs-Sets, verantwortlich ist. Er regelt dann, von einem meterlangen Pult aus, den Klangverkehr. Welche Töne wann noch einen Arschtritt (eine effektvolle Ausreizung) erhalten, ob sie sich leise oder laut verhalten sollen, durch die Mitte kommen dürfen oder mehr über die Höhe. „Veranstaltungstechniker“ heißt die offi zielle Berufsbezeichnung dafür. Niederlohmann hat diese Ausbildung nicht gebraucht. Man könnte ihn einen „Soundingenieur“ nennen.
Im Tonstudio mischt er gerade mit Partner Steffen Fiedler das neue Material von Green Street Green ab. Die hallesche Combo hat konkrete Vorstellungen vom Sound und Gesamtcharakter ihrer Musik. Jetzt ist es an Niederlohmann und Fiedler, das Gewünschte umzusetzen, dabei aber eigene Ideen mit einzubringen. Rund sechs Wochen dauert das Abmischen eines CD-Albums, eine Woche braucht es für ein Demoband mit drei, vier Titeln. Bei Green Street Green ist ein Tag pro Song veranschlagt. Das heißt mehrere hundert Male hintereinander ein und dasselbe Lied (wenn auch nicht immer komplett) hören – so etwas ist bisweilen auch für musikbegeisterte Soundmaster anstrengend.
Wenn Niederlohmann, als 40-Jähriger kein Grünschnabel mehr im Mischgewerbe, von halleschen Bands redet, dann immer voller Achtung und Respekt. Die „lassen sich nicht unterkriegen“, jene „versuchen es immer weiter, super“ – „wahre Stehaufmännchen“; manchmal ist er richtig „stolz auf die Jungs“. Thomas Niederlohmann ist nicht einfach Tontechniker. Er ist die gute Seele der halleschen Musikszene.
MASTERPAPST-Tonstudio Hardenbergstraße 23 Tel.: 9596429 www. masterpapst.de