Der malende Fotograf - Elger Esser in Stuttgart
Stuttgart/dpa. - Jeder glaubt, diese Motive schon einmal gesehen zu haben: Ein einsames altes Haus auf einer winzigen Insel vor der französischen Atlantikküste, hereinbrechende Wellen an einer zerklüfteten Küste, die auf einer großflächigen Fotografie langsam verbleichen.
Es ist keine fünfzehn Jahre her, dass diese Fotografien entstanden - und doch wirken sie in den ersten Räumen der neuen Ausstellung des Stuttgarter Kunstmuseums seltsam aus der Zeit gefallen. Die Farben verbleichen. Wie nostalgische Erinnerungen erscheinen die Bilder des Fotokünstlers Elger Esser. Die Ausstellung «Eigenzeit» ist bis zum 11. April 2010 zu sehen.
«Die Erinnerung an diese Motive in uns wird dann wieder wach, wenn man sie wiedersieht», sagt der 1967 in Stuttgart geborene Esser zu diesem Spiel mit Erinnerung und Neuem. Doch die eigenen Fotografien sind nur einer von mehreren Schwerpunkten in der rund 50 großformatige Werke umfassenden Schau. Ein weiterer liegt auf den Heliogravuren Essers. Auch dieser heutzutage fast vergessene Vorläufer des modernen Tiefdrucks trägt zum nostalgischen Gesamteindruck von Essers Arbeiten bei.
Starken Eindruck hinterlassen die vergrößerten und teils nachkolorierten Postkartenmotive von der letzten Jahrhundertwende, darunter acht großflächige Bilder mit mächtigen Wellen in einem rund zehn Meter hohen Raum. Esser hat sie auf mehrere Quadratmeter aufgezogen, so dass die Werke durch die Körnung wie gemalt aussehen. Zum Schluss sind teils kolorierte Schiffswracks zu sehen, auch dies eine weitere Mischung aus Fotografie und Malerei.
«Als ich 16 Jahre war, habe ich beschlossen, Fotograf zu werden, als ich 28 war, habe ich beschlossen, kein Fotograf mehr zu sein», erzählt Esser von diesem Gegensatz. Er, der über Presse- und Werbefotografie schließlich zum Schüler von Bernd und Hilla Becher an der Düsseldorfer Kunstakademie wurde, sei auch von Bechers Stil, der reduzierten Fotografie von Industriegebäuden, beeinflusst worden. «Man sieht auch bei mir nie den Menschen in seiner menschlichen Präsenz, sondern nur in seiner Hinterlassenschaft», sagt er über eine verlassene, einst von Gustave Eiffel erdachte Brücke bei Saint-André de Cubzac.
Die sehr assoziativen Arbeiten werden in der Schau auch durch zwei kleinere Räume unterstützt, in denen Kuratorin Simone Schimpf die Arbeiten Essers in einen breiten literarischen und malerischen Kontext stellt. Es finden sich Texte Marcel Prousts, genauso wie Dokumente von Walter Benjamin oder Originalmalereien, entstanden um 1900. Ergänzt werden diese Anknüpfpunkte auch im Ausstellungsband um Texte von Cees Nooteboom und Peter Herzog.