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DDR-Geschichte DDR-Geschichte: Sportler berichten über Flucht und Ausreise

Von Antonia Lange 10.06.2011, 12:33
Wolfgang Schmidt aus der DDR schleudert beim 7. Europacup der Leichtathleten im August 1979 in Turin (Italien) den Diskus. Schmidt war am 2. November 1987 ausgereist. (FOTO: DPA)
Wolfgang Schmidt aus der DDR schleudert beim 7. Europacup der Leichtathleten im August 1979 in Turin (Italien) den Diskus. Schmidt war am 2. November 1987 ausgereist. (FOTO: DPA) dpa

Berlin/dpa. - Der Wettkampf seines Lebens fand bei Dunkelheitund ohne Schiedsrichter statt. 22 Kilometer kraulte derMeister-Schwimmer Axel Mitbauer durch die Ostsee. Eine Medaille bekamer dafür nicht. Er wurde mit etwas anderem belohnt: der Freiheit.Mitbauer ist einer von zahlreichen DDR-Athleten, die ihren Sportnutzten, um in den Westen zu fliehen.

Am Donnerstagabend traf sich der zweimalige DDR-Meister über 400Meter Freistil in Berlin mit anderen Republikflüchtlingen anlässlichdes 50. Jahrestags des Mauerbaus am 13. August. DarunterEx-Diskus-Weltrekordler Wolfgang Schmidt und Sportfunktionär ManfredSteinbach. An seine Flucht im Wasser erinnert sich der 61-jährigeMitbauer gut: «Rein. Möglichst nicht erwischt werden und ab.» Übereinen Rückzieher habe er nicht nachgedacht. «Mein Leben in der DDRwar praktisch zu Ende», sagt er. «Für mich gab es nur die Gewinnungeines neuen Lebens.»

Das war 1969. Heute räumt er ein: Es war nicht alles schlecht imDDR-Sport. «Man muss auch mal sehen, dass wir aus Traditionsvereinenstammen», sagt er. «Ich empfand mich auch als Vertreter der StadtLeipzig.» Leichtathlet Manfred Steinbach pflichtet ihm bei.Sportliche Erfolge hätten DDR-Sportler auch an ihr Land gebunden. «Dawar man plötzlich stolz auf das Jäckchen, das man trug», erinnertsich der 77-Jährige. «Da gab es auch so etwas wie Identifikation.»

Warum wollten dennoch so viele Ost-Sportler rüber in den Westen?«Die Sportler hatten natürlich die Welt gesehen und wussten: Wenn wirmit dem Leistungssport aufhören, sind wir hier gefangen», erklärtJutta Braun vom Zentrum deutsche Sportgeschichte, dem Mitveranstalterdes Treffens.

«Im Sport war der Mauerbau nicht die eigentliche Zäsur», sagt dieSporthistorikerin. Entscheidend sei das Jahr 1968 gewesen, in dembeide Staaten erstmals olympisch getrennt wurden. «Weil da der Kampfum die Medaillen entbrannte und sich das bessere Deutschland auf demSportplatz beweisen sollte.» Die DDR belegte in Mexiko-Stadt damalsPlatz 5 im Medaillenspiegel - die Bundesrepublik wurde Achter.

Die Erfolge der Ost-Athleten waren jedoch nicht selten die Folgevon Doping - oftmals ohne das Wissen der Sportler selbst.«Republikfluchten, die zu Doping-Enthüllungen führten, warennatürlich besonders gefährlich für den SED-Staat», sagt Braun. Umsomisstrauischer beäugte man daher dort die West-Kontakte der Athleten.

Bei gemeinsamen Staffeltrainings habe aber niemand gesagt:«Eigentlich müsstest du zu uns kommen», beteuert der mehrfachedeutsche Weitsprungmeister Steinbach. Steinbach flüchtete schon 1958in den Westen - mit einem eigens für Sportler ausgestellten Reisepass.

«Mein schönster Augenblick war der 2. November 1987, als ichausgereist bin aus der DDR», sagt Wolfgang Schmidt, derOlympia-Zweite von 1976 in Montreal. Selbst all seine sportlichenAuszeichnungen könnten da nicht mithalten. Ein Stasi-Spitzel hatteseine Fluchtpläne zunächst verraten und ihn damit anderthalb JahreGefängnis beschert.

Heute pendelt Schmidt zwischen Berlin und den USA. SchwimmerMitbauer ist in die Schweiz gezogen. Ihren deutschen Pass wollen aberbeide nicht abgeben. «Wenn ich nach Deutschland komme, bin ich immerheimisch», sagt Schmidt. «Ich bin Deutscher bis auf die Knochen.»