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Dänemark Dänemark: Auf Andersens Spuren durch Kopenhagen

Von Thomas Kärst 23.11.2004, 08:31
Inzwischen das Wahrzeichen Kopenhagens - die Statue der Kleinen Meerjungfrau wurde von dem Bildhauer Edward Eriksen geschaffen und 1913 enthüllt. (Foto: dpa)
Inzwischen das Wahrzeichen Kopenhagens - die Statue der Kleinen Meerjungfrau wurde von dem Bildhauer Edward Eriksen geschaffen und 1913 enthüllt. (Foto: dpa) dpa

Kopenhagen/Odense/dpa. - Sie haben Millionen von kleinen und großen Lesern begeistert: Die Märchen von Hans Christian Andersen(1805 bis 1875) gehören noch immer zu den bekanntesten Werken derWeltliteratur. Im kommenden Jahr erinnern Kopenhagen und AndersensGeburtsstadt Odense mit zahlreichen Veranstaltungen an den 200.Geburtstag des dänischen Nationaldichters. Schon ein Spaziergangdurch Kopenhagen lässt die Geschichten von der kleinen Meerjungfrau,dem standhaften Zinnsoldat oder den Galoschen des Glücks lebendigwerden.

Etwa am historischen Kastell im Norden der Altstadt, in dessengrüne Wallanlagen sich nur selten Touristen verirren. Im Burggrabendrängt sich piepsend und schnatternd ein Schwarm gestreifterEntenküken an die Mutter. Ihre Vorfahren mögen es gewesen sein, dieAndersen zur Geschichte vom hässlichen jungen Entlein anregten: Eingroßes, graues Küken wird von seiner Entenfamilie verspottet - undwächst am Ende zu einem stolzen Schwan heran. Eine deutlicheParallele zu Andersens eigenem Leben: Der Sohn eines armen Schustersaus Odense war mit 14 Jahren völlig mittellos in Kopenhagenangekommen und bahnte sich mühsam seinen Weg nach oben.

«Meine erste Wanderung war nach dem Theater», notiert Andersenspäter in seiner Autobiografie. Doch der hagere Jüngling mit dermarkanten Nase und den viel zu großen Füßen musste seinen Traum vonder Schauspielerei bald begraben. Statt dessen versuchte er sich,nachdem er durch reiche Gönner eine höhere Schulausbildung erhaltenhatte, mit Erfolg als Stückeschreiber und Schriftsteller.

Viele Abende verbrachte er im Königlichen Theater am KongensNytorv. Zwar wurde das Haus 1874 durch einen Neubau ersetzt. Derbelebte Neumarkt mit dem Reiterstandbild Christians V. und erst rechtdie benachbarten Straßen und Gassen haben jedoch ihr Gesicht aus derMitte des 19. Jahrhunderts weitgehend bewahrt. Hier fühlte Andersensich offenbar zu Hause: Seine zahlreichen Kopenhagener Wohnungenlagen fast immer in der Nähe des Theaters.

So lebte der junge Dichter 1827/28 in der schmalen Vingårdstraße.«Es war einmal ein richtiger Student, der wohnte in einer Dachkammer,und ihm gehörte gar nichts», beginnt er eines seiner Märchen. Daskleine Haus aus dem Mittelalter steht noch heute. Wer die vielenStufen bis unter das Dach erklommen hat, findet hier das wohlkleinste Andersen-Museum Dänemarks. In dem Kämerlein, das vor kurzemweitgehend originalgetreu wieder hergestellt wurde, unterhieltAndersen seine Freunde mit selbstgebastelten Scherenschnitt-Figuren.«Dabei musste er im Bett sitzen - woanders war kein Platz», erläutertStadtführerin Anita Vystavel.

Heute führt der Zugang zur Vingårdstraße 6 durch den Prachtbau des«Magasin du Nord» am Kongens Nytorv, des größten dänischenKaufhauses, das zu Andersens Zeiten als «Hotel du Nord» ebenfallseine Zeit lang sein Wohnsitz war. Später lebte er auch imgegenüberliegenden «Hotel D'Angleterre» - das immer noch bestehendeFünf-Sterne-Haus gilt mit seinen rund 250 Jahren als eines derältesten Hotels der Welt. In der Nähe liegt das «Café A'Porta», überdem Andersen ab 1866 wohnte und in dem er häufig zu Gast war.Zwischen vergoldeten Tapeten und Stilmöbeln lässt sich dort erahnen,wie der Dichter lebte, nachdem er zu Ruhm und Ansehen gelangt war.

Zwar wird schon 1829 Andersens erstes Theaterstück aufgeführt,sein Durchbruch kommt aber erst mit den Märchen, die er ab 1834veröffentlicht. «Ich habe wiedergegeben, worüber ich als Bub sehrglücklich war», schreibt er später. Doch auch sein Unglück fließt indie Geschichten ein - etwa in «Die kleine Meerjungfrau». In dertragischen Geschichte einer Nixe, die sich in einen Prinzen verliebt,klingt das größte Problem Andersens an: Zwar glaubte er in seinemLeben mehrmals, die große Liebe gefunden zu haben, etwa in derschwedischen Sängerin Jenny Lind - doch nie erwiderte eine derAngebeteten seine Gefühle.

Die kleine Meerjungfrau wurde schnell zu einer der beliebtestenMärchenfiguren Andersens und später sogar zum WahrzeichenKopenhagens. Traurig sitzt die Schöne mit dem Fischschwanz am Uferöstlich des Kastells und blickt über den Hafen in Richtung Öresund.Die 1913 aufgestellte Bronzestatue ist wesentlich kleiner, als ihrweltweiter Ruhm vermuten lässt. «Besonders die Amerikaner sindmanchmal etwas enttäuscht - die erwarten eher so eine ArtFreiheitsstatue», erzählt Stadtführerin Anita Vystavel schmunzelnd.

Ähnlich geht es vielen Ausländern mit dem Tivoli: Der weltbekannteVergnügungspark hinter dem Hauptbahnhof ist ein beschaulicherRummelplatz, der mit Bäumen und Teichen tatsächlich eher einem Parkähnelt als einer wilden Amüsiermeile. Pavillons im arabischen oderchinesischen Stil verliehen dem 1843 eröffneten Gelände von Anfang aneinen Hauch von Exotik, und Andersen holte sich hier manche Anregung,etwa für das in China spielende Märchen «Die Nachtigall». Heutedrehen eine Achterbahn und ein Riesenrad auf dem Gelände ihre Runden,daneben finden sich ein Pantomimentheater und Freilichtbühnen - dienatürlich regelmäßig Andersen-Märchen im Programm haben.

Doch auch ganz alltäglichen Gebäuden und Szenen in Kopenhagensetzte Andersen in seinen Märchen ein Denkmal. Manche haben sich bisheute erhalten, beispielsweise der Rundetårn, der runde Turm derUniversitätskirche: Augen «so groß wie ein Turm» - und damit wie derDurchmesser des Rundetårn - hat ein Hund im Märchen «Das Feuerzeug».Auch die Wachen vor dem Schloss Amalienborg, dem Wohnsitz derKönigsfamilie, kommen Andersen-Kennern bekannt vor: «Das Gewehrhielten sie im Arm und das Gesicht geradeaus, rot und blau, überausherrlich war die Uniform», heißt es in «Der standhafte Zinnsoldat».

Am ursprünglichsten aber wirkt das alte Kopenhagen noch am Nyhavn.Zahlreiche Fischerboote liegen in dem ab 1671 als Stichkanalangelegten Neuen Hafen. Kräne ragen aus den Giebeln der Lagerhäuser.Hinter düsteren Einfahrten öffnen sich enge, kopfsteingepflasterteHöfe. Hier am Nyhavn lebte Andersen in verschiedenen Häusern bis zuseinem Tod 1875. Später wurde die Gegend zur Rotlichtmeile,inzwischen ist sie ein beliebtes Ausgehviertel mit zahlreichenFischrestaurants, Pubs und Bars.

«Mein Leben ist ein hübsches Märchen, so reich und glücklich», zogAndersen in seiner Autobiografie Bilanz. Tatsächlich hatte er vielerreicht: Er wurde mit Orden und Titeln bedacht, war ein gerngesehener Gast an den Fürstenhöfen seiner Zeit und wurde schon zuLebzeiten viel gedruckt - neben rund 170 Märchen schrieb er Romane,Theaterstücke und Gedichte. Am meisten Anerkennung fand er dabeizunächst allerdings nicht in Dänemark, sondern im Ausland, vor allemin Deutschland.

In 144 Sprachen wurden seine Werke bislang übersetzt - von«Abchasisch» bis «Zulu» sind die Märchenbücher imHans-Christian-Andersen-Haus in Odense geordnet. Die Geburtsstadt desDichters etwa 150 Kilometer westlich von Kopenhagen bietet inmehreren Museen die umfangreichste Sammlung zu Leben und Werk ihresbekanntesten Sohnes. Darin sind neben den Manuskripten auch vieleGegenstände aus dem Besitz Andersens zu sehen - darunter skurrileDinge wie das sechs Meter lange Seil, das der reiselustige Poet immerim Koffer hatte, um sich bei einem Brand aus dem Hotel abseilen zukönnen.

Erhalten ist das vermutete Geburtshaus des Dichters - eine kleineKate in einer der damals ärmsten Gegenden der Stadt. «Bis vor wenigenJahren war es tatsächlich noch ein Arme-Leute-Viertel, dann wurde essaniert», erläutert Fremdenführerin Jette Klingbech. Doch ausgestelltist nicht nur die Vergangenheit: Auf einer Bühne vor dem Museumtanzen Kinder eine Märchen-Revue - bestaunt von den kleinen, aberauch eifrig beklatscht von den großen Zuschauern.

Info-Kasten Dänemark

REISEZIEL: Kopenhagen liegt im äußersten Osten der Insel Seeland,Odense liegt rund 150 Kilometer westlich davon auf der Insel Fünen.

ANREISE: Kopenhagen lässt sich von Hamburg aus in etwa viereinhalbStunden über die Vogelfluglinie Puttgarden - Rødby mit der Bahnerreichen. Bei der Anreise mit dem Auto ist diese Strecke auchmöglich, daneben gibt es die deutlich längere Route über die Autobahnvon Hamburg über Flensburg nach Jütland und weiter über Fünen nachSeeland. Schließlich ist auch eine Anreise über die Autobahn Berlin -Rostock und weiter mit der Fähre nach Falster möglich. Der FlughafenKastrup wird von vielen deutschen Städten aus angeflogen.

SPRACHE: Dänisch

REISEZEIT: Kopenhagen ist das ganze Jahr über ein lohnendesReiseziel. Zahlreiche Museen, Theater, Konzerte und Ausstellungensowie die Einkaufsmeile Strøget lassen auch im Winter keineLangeweile aufkommen.

WÄHRUNG: Eine Dänische Krone entspricht 0,13 Euro, ein Euro 7,42Dänischen Kronen.

INFORMATIONEN: Dänisches Fremdenverkehrsamt, Glockengießerwall 2,20095 Hamburg (Tel: 040/32 02 10, Fax: 040/32 02 11 11)

Übersichtliche Metropole - obwohl sich die Bevölkerungszahl Kopenhagens mit fast 1,4 Millionen Menschen im Vergleich zu Andersens Zeiten fast verzehnfacht hat, hat die Stadt ihre Beschaulichkeit bewahrt. (Grafik: dpa)
Übersichtliche Metropole - obwohl sich die Bevölkerungszahl Kopenhagens mit fast 1,4 Millionen Menschen im Vergleich zu Andersens Zeiten fast verzehnfacht hat, hat die Stadt ihre Beschaulichkeit bewahrt. (Grafik: dpa)
Sven-E. Hauschildt