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Cliff Barnes And The Fear Of Winning Cliff Barnes And The Fear Of Winning: Country-Götter bei der Arbeit

Von Steffen Könau 01.02.2002, 09:37

Halle/MZ. - Genau zehn Jahre nach ihrem Abschiedsgrußmit dem furiosen Konzertmitschnitt "Live AtThe World" ist die wunderliche Countrybandmit dem bizarren Humor nun wieder da. CliffBarnes And The Fear Of Winning (Cliff Barnesund die Angst vor dem Gewinnen), so benanntnach dem ewig glücklosen J. R. Ewing-Widersacheraus dem 80er-Jahre-Straßenfeger "Dallas",legen mit "Godsatwork" ihr insgesamt viertesStudioalbum vor.

Der Countrypunk von einst, der subversiv alleKlischees des Genres benutzte und in Songswie "No one got an asshole like a cowboy"unterlief, ist dabei zu einem Gemisch ausStones-Riffs und Lagerfeuer-Romantik geronnen.Bobby Tijuana, einziger echter Texaner imQuintett, singt noch immer mit dem näselndenTimbre eines alten Ranchers, Gitarrist MarcPraed traktiert das Wahwah-Pedal und Alt-TrommlerMoses Pellberg, zurückgekehrt von einem Ausflugzu Avantgarde-Popper Phillip Boa, lässt denBesen zischen.

Die Mimikry-Posen, die die Band in den 80erneinnehmen musste, weil ernst gemeinte Countrymusikdem aufgeklärten Publikum als grundreaktionäreAngelegenheit gegolten hätte, sind verschwunden,ein Augenzwinkern ist geblieben.

"Keine zwei Wochen, nachdem die erste Cliff-Barnes-Plattein der DDR veröffentlicht wurde, fiel dieBerliner Mauer", erinnert sich Bobby Tijuana,immer noch mit Hornbrille, immer noch mitbreitem Lone-Star-State-Akzent. Er habe jastets geahnt, "dass unser politischer Einflussvon der Kreml-Juke-Box bis hin zum WeißenHaus reichte", sagt der Sänger, "aber eigentlichwaren wir bloß eine Band, die Liebesliedersingen wollte".

Mit dem Fall der Mauer jedoch war Selbstironienicht mehr gefragt. Die 90er Jahre begannen,der Golfkrieg fing an. "Dallas" flog aus demAbendprogramm und Cliff Barnes wurde beerdigt.Für "Guns, love and a cactus in your heart"(Plattentitel) war kein Platz mehr. "Wir hattenkeine Lust, als Country-Alternative zum Stealth-Bomberzu enden", begründet Tijunana die Entscheidung,lieber als "Illegal Artists" durch die amerikanischeHonky-Tonk-Szene zu tingeln.

Unsichtbar machte sich der begnadete Songschreiberanschließend dennoch. Andere Bandmitgliederbetätigten sich als Fahrradentwickler, spieltenJazz in New Orleans und erforschten das Seelenlebenvon Gitarren.

Gitarren waren das offenbar, die gern weinen."Godsatwork", das mit zwei Stampfern namens"Orange Juice" und "Cold Outside" beginnt,wird denn in der Folge auch zusehends samtweich."I want everything", ein Stück mit schleppendemRhythmus, erzählt mit großen Worten von derLiebe in einer kleinen Stadt, "Orchard" istein geflüstertes Bibel-Gleichnis, durch dasstaubtrockene Piano-Läufe perlen und das finale"Babys not in love" eine unwiderstehlicheHymne über eine Karrierefrau, die alles hat,nur eben niemanden, der in ihrem neuen Hausauf sie wartet.

Popmusik klingt anders als diese schonungsloswahren Lieder, Rockstars sehen anders ausals Bobby Tijuana mit dem dünnen Blondhaarund seinem unverwüstlich bunten Hemd. CliffBarnes And The Fear Of Winning, von ihremAnhang nur CBATFOW genannt, singen dafür ganzund gar unpeinlich von Leuten, die von Dächernspringen, von Tod und Einsamkeit und unsterblicherLiebe. Manchmal gibt es in diesen Stückenkein Morgen mehr und keine Hoffnung. Die Steel-Guitarjammert. Die Wurlitzer greint. Nur ein echterCowboy könnte da noch etwas retten. Aber wogibt es heute schon noch echte Cowboys?