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Christine Schlegel Christine Schlegel: Stasi-Überwachung in der DDR

26.11.2001, 12:16

Berlin/dpa. - Auch mehr als zehn Jahre nach der Wende sind imWesten die Kenntnisse über das, was vor 1989 die Kunstszene in derdamaligen DDR ausmachte und prägte, keineswegs Allgemeingut. Währendinsbesondere die «Viererbande», also die Maler Bernhard Heisig,Wolfgang Mattheuer, Willi Sitte und Werner Tübke, offizielle Gunstgenoss und früh auch in der «kapitalistischen» Bundesrepublikausstellen konnte, wurden Maler, die von den verordneten Wegen des«sozialistischen Realismus» abwichen, mit Misstrauen beäugt und vonStasi-Mitarbeitern überwacht. Im Kunst- und Literaturbereichzeichnete sich dabei besonders der IM Sascha Anderson aus, der nachseiner Enttarnung von Wolf Biermann öffentlich als «Arschloch»bezeichnet wurde.

Eine der überwachten Künstlerinnen war die 1950 geborene ChristineSchlegel, die jetzt in dem Buch «Hautlos - EingeschweißteÜberwachung» über Erfahrungen berichtet, die sie während und nachihrer Ausbildung an der Dresdner Hochschule für Bildende Künstemachte. Allerdings konnte die Malerin, die auch Filme schuf, schon1986 die DDR verlassen, so dass sie die letzte Phase der Entwicklungnicht mitbekam. Was sie über die Unfähigkeit bestimmterKunstprofessoren in Dresden und vor allem über die ständig«hineinregierenden» Parteifunktionäre mitzuteilen hat, ist fürwestliche Ohren im einzelnen schon erstaunlich, aber auch sehrpersönlich gefärbt, so dass man gern andere Stimmen dazu hören würde.

Die Künstlerin spricht einerseits davon, dass sie gegenüberoffiziellen Stellen «laviert» und mit ihrer eigentlichen Meinunghinter dem Berg gehalten habe, andererseits stellt sie sich als«tapfer» dar und betont, es habe ihr «grundlegend an Opportunismus»gemangelt. Daraus kann man also keine einheitliche Haltung entnehmen,wie es ja wohl auch gewöhnlich der Fall ist, aber zurSelbstüberhebung, wozu die Malerin neigt, gibt so eine Ambivalenzeigentlich keine Berechtigung.

So teilt Schlegel einerseits Abträgliches über den verstorbenenDresdner Hochschullehrer Gerhard Kettner mit, den wohl bedeutendstenZeichner in Ostdeutschland, schwärzt ihn als Militaristen undSowjetfreund an, muss dann aber anlässlich eines von der Parteiabgelehnten Dresdener Faschingsfestes doch einräumen, dass Kettnersich vor die Studenten stellte und eher abwiegelte als anheizte.Manche Äußerungen der Künstlerin scheinen auf pure Ressentimentszurückzugehen, wenn sie etwa anlässlich ihrer Diplomprüfung die nichtallzu freundliche Beurteilung ihres «künstlerischen Gesamtvolumens»,wovon sie später erfuhr, einseitig auf die Voreingenommenheit derPrüfer zurückführt. Die haben aber möglicherweise ganz richtiggeurteilt - einer der Prüfer war übrigens besagter Kettner.

All das weckt nicht allzu viel Vertrauen in die Tragfähigkeit undÜberprüfbarkeit dieser Aufzeichnungen, was besonders deshalbbedauerlich ist, weil es immer noch vieles zu beleuchten gilt, wasdamals an den Kunsthochschulen der DDR und in den dortigen Ateliersgetan und gedacht wurde. Es kommt erschwerend hinzu, dass der Textvon Christine Schlegel in formaler Hinsicht sehr mangelhaft ist,viele Komma- und sonstige Fehlern enthält und auch nicht frei vonStilblüten ist.

Christine Schlegel: Hautlos - Eingeschweißte Überwachung. Collagen - Zeichnungen - Erinnerungen. Mit Beiträgen von Matthias Flügge, Hannelore Offner und Christoph Tannert, Gerhard Wolf Janus press, Berlin, 100 S., viele Abb., DM 49,80/Euro 25,50 (ISBN 3-928942-70-0)