Boxen Boxen: Der etwas andere Champion

HALLE/MZ. - Ein sanftes Schnurren ist zu hören. Kater Bucks ist im Anmarsch. Der schlohweiße sibirische Perser streicht um die Füße des Hausherren. Es ist eine kuschlige, stille Begrüßung. Eine, die viel aussagt.
Ortstermin in Magdeburg. Box-Weltmeister Robert Stieglitz hat die MZ zu einem Hausbesuch eingeladen. Er erlaubt einen ganz besonderen Blick in sein Leben. Und der verrät viel über ihn. Stieglitz nämlich passt so gar nicht in das gängige Klischee eines Boxers. Kater Bucks ist nur ein Beispiel dafür. Hier leben eben keine Kampfhunde, hier verteidigt eine weiße Rassekatze ihr Revier.
"Meine Frau", erzählt Stieglitz beim Eintreten in die Wohnung, "hat Bucks vor fünf Jahren mitgebracht." Während er spricht, hängt er seine Jacke feinsäuberlich auf einen Bügel. Seit eben dieser Zeit ist er mit Anna verheiratet. Im Untergeschoss des Zweifamilienhauses betreibt sie den familieneigenen Friseursalon. Eine selbstständige Frau, nicht bloß das hübsche Anhängsel eines Profisportlers.
Ein Faible für Ordnung
Robert Stieglitz sitzt mit dickem grauen Pullover und Jeans im Wohnzimmer. Er läuft auf Socken durch die Wohnung, während des Interviews trinkt er Tee. "Ich liebe dieses Getränk", sagt er. Mehr noch, er ist geradezu verrückt danach. Die verschiedensten Sorten hat er auf Vorrat im Schrank. Einmal im Monat, erzählt er, fahre er mit Freunden nach Berlin zum Edelkaufhaus KaDeWe, um seine Bestände aufzufüllen.
Was in Stieglitz' privatem Reich auffällt, ist die akkurate Ordnung. Es liegen keine Sportsachen herum. Die offene amerikanische Küche wirkt blitzeblank, alles ist aufgeräumt. Wieder so ein Widerspruch zum erwartbaren Klischee. "Ordnung muss sein", sagt Stieglitz. Und deshalb gibt es in diesem Haus sogar klare Putz-Zuständigkeiten. Seine Frau kümmert sich um die oberen Schlafräume, er ist fürs Saubermachen von Wohnzimmer, Küche und Arbeitszimmer zuständig.
Stieglitz' Wohnzimmer ist sparsam mit Möbeln bestückt. Riesig wirkt es dadurch, ja nahezu leer. Und funktionell. Die weiße Ledercouch und der Kamin hinter Glas verraten aber auch eine ganz spezielle Note. "Ich habe früher schon immer gesagt, dass ich nur in einer Wohnung leben will, in der es einen Kamin gibt und ein weißes Ledersofa", sagt Stieglitz. Er hat seine Vorstellungen durchgeboxt.
Ein futuristischer Kronleuchter, der überdimensionale Flachbildschirm, eine kunstvolle Fotografie seiner Frau in Lebensgröße an der Wand - "ich sage zu all dem moderner Jugendstil", sagt Stieglitz und prustet laut los. Hell klingt sein Lachen, und ungekünstelt. Auf einen Schlag wird aus dem ernsthaften Menschen, dem zielstrebigen Sportler, ein jungenhafter Typ.
Freunde oft zu Besuch
Stieglitz ist gern unter Leuten. Allerdings bevorzugt er die Geselligkeit zu Hause. Anna und sein dreijähriger Sohn Oskar stehen im Mittelpunkt. "Wir haben aber auch viele Bekannte und einige sehr gute Freunde", erzählt er. Oft kommen sie zu Besuch. "Dann sitzen wir in der Küche und spielen unser Kartenspiel, das Dummkopf heißt. Oder auch Schach, während die Frauen Fernsehen gucken." Für ihn sind solche Abende wichtig. "Auch für den Kopf. Das hilft abzuschalten." Gerade so kurz vor einem Kampf. Am Samstag verteidigt er gegen Eduard Gutknecht seinen Weltmeistertitel.
Für wilde Hobbys bleibt Stieglitz in einer solchen Phase kaum Zeit. Er mag Waterboarden auf dem Neustädter See. "Aber ich muss vernünftig sein", sagt der Champion. Sich selbst zu disziplinieren, daran hat er sich gewöhnt. Und seine Familie hat sich darauf eingestellt. Sie hilft. Annas Eltern wohnen gleich nebenan, in der zweiten Doppelhaushälfte. "Ohne sie wäre das alles nur schwer zu schaffen", sagt Stieglitz.
Das Training tagtäglich kostet viel Zeit und Kraft. In diesen Tagen, unmittelbar vor einem großen Kampf, ist er kaum ansprechbar. Da lebt er ganz für das Boxen. "Und deshalb passt das alles ganz gut zusammen, so wie es ist", sagt Stieglitz. Denn am Ziel seiner Träume sieht sich der Champion noch nicht. Weder beruflich noch privat. Seine Zukunftsvision: Ein Einfamilienhaus außerhalb der Stadt mit Garten und Pool. Dazu möglichst noch eine kleine Tochter. Irgendwie hätte man das alles anders erwartet von einem Box-Champion.