Bestmarke im Kreis Bestmarke im Kreis: Herz schlägt für die Leichtathletik
Osternienburg/Köthen/MZ. - Doch was ist schon die Zeitspanne zwischen diesen beiden Sprüngen? 37 Jahre ist es mittlerweile her, da legte Bernd Kaden einen Satz von 7,26 Meter hin. Und an der Weite des damals 24-Jährigen beißen sich seine Nachfolger im Kreis Köthen bis heute die Zähne aus. Sogar Sohn Jens reichte an diese Leistung nicht heran. Dafür hielt sich der Sprössling mit 14 Jahren beim Hochsprung schadlos und überwand die bei 178 Zentimetern liegende Latte.
26-jähriger Rekord
Auch diesen, vor 26 Jahren aufgestellten Kreisrekord vermochte bislang niemand zu überbieten. "Das müsste", glaubt Jens Kadens Ehefrau Annett (42), die heute als freiberufliche Fitnesstrainerin tätig ist, "wohl ein absolutes Naturtalent sein." Entweder ein Naturtalent oder ein Mitglied aus der eigenen Familie. Inzwischen haben nämlich nach Versuchsphasen im Handball und Karate auch die Söhne Christian (17), Stefan (14) und Thomas (9) unterm Dach des VfL Köthen zur Leichtathletik gefunden.
Die Kadens treten also während des Trainings und anlässlich von Wettkämpfen - für den Fall gibt es sogar spezielle T-Shirts - gern als komplettes Team auf. Und wem das noch nicht ungewöhnlich genug erscheint: Bereits der Uropa war anhaltischer Meister im Sprint.
Später gaben der Opa und der Vater nicht bloß einer Disziplin den Vorzug, sondern deckten als Mehrkämpfer die ganze Spannbreite der Leichtathletik ab. Die drei Söhne setzen heute diese Tradition fort. Ein derart vom Sportsgeist beseeltes Familienunternehmen hat natürlich den unbestreitbaren Vorteil, dass sich die Generationen gegenseitig anfeuern.
Hätte es diese familiäre Motivation nicht gegeben, wäre der heute 61 Jahre alte Bernd Kaden wohl kaum bei den vergangenen Landesmeisterschaften der Senioren zu Titelehren im Kugelstoßen und Diskurswurf gelangt. Erst eine längerfristig vorbereitete Aktion zu seinem 60. Geburtstag trug dazu bei, ihn aus der Reserve zu locken. Die aus einer persönlichen Kugel, einem Bandmaß, einem "Kaden-Team"-Shirt und einem aktuellen Auszug aus der Senioren-Bestenliste bestehende Geschenke-Kollektion gab den entscheidenden Anstoß, wieder mit der Leichtathletik zu beginnen. "Beim ersten ausdauernden Laufen fehlte mir eigentlich weniger die Puste. Ich habe mich nur gewundert, was meine Beine mit mir anstellen", so der frühere zehnfache DDR-Jugendmeister.
,Doch kein Preis ohne Fleiß. Nur in den seltensten Fällen findet einer der zwei wöchentlichen Trainingstage in Köthen ohne die Kadens statt. Wobei die Bedingungen auf der Anlage am Ratswall, im Stadion "An der Rüsternbreite" und in der Sporthalle der Hahnemann-Schule - dorthin wird in der Kälteperiode gewechselt - keineswegs optimal sind.
Etwas anpassen
"Man muss sich überall etwas anpassen", erzählt Jens Kaden. "Am Ratswall hat die Laufbahn nur einen Kiesbelag, aus dem hin und wieder ein Stück Bahnbegrenzung aus Plastik herausschaut. Im Stadion fehlen beispielsweise Anlagen für den Hochsprung und die Wurfdisziplinen.
Und im Winter herrscht in der Halle eine ziemliche Drängelei. Das zugewiesene Drittel der Halle reicht für die etwa 50 Mitglieder der Leichtathletikabteilung des VfL kaum aus. Auch zwei Trainingszeiten pro Woche sind zu wenig." Im Vergleich zu anderen Sportarten fehle der Leichtathletik heute in Köthen eine Lobby, die sich für Verbesserungen einsetze, meinen Vater und Sohn dazu übereinstimmend.
"Leider wird auch im Schulsport insgesamt zu wenig Freude an der Leichtathletik vermittelt, obwohl gerade durch das Laufen, Springen und Werfen der Körper vielseitig trainiert werden kann", ergänzt Annett Kaden, die auch aus der eigenen leistungssportlichen Vergangenheit im Schwimmen und in der Leichtathletik weiß, wie wichtig eine gut dosierte sportliche Betätigung ist.
Vor dem Hintergrund schätzt der gesamte Familienclan die Leistung von Günter Siegel, dem Chef der Leichtathleten beim VfL, umso höher ein. "Der hat nach der Wende die Leichtathletik in Köthen erst wieder aufgebaut. Das ist ein ,Leichtathletik-Verrückter', der fast täglich als Trainer auf dem Sportplatz zu finden ist und der die Fäden in der Abteilung zusammenhält", lobt Jens Kaden den unermüdlichen 69-Jährigen.
Die eigenen leistungssportlichen Ambitionen des heute 40-Jährigen - nach zwei DDR-Meistertiteln im Jugend- und Juniorenbereich war eine spätere Olympia-Teilnahme nicht ausgeschlossen - fanden am 1. August 1986 ein jähes Ende. Ein schwerer, von ihm nicht verschuldeter Motorradunfall, zerstörte Jens Kadens Medaillenhoffnungen. Und beinahe nicht nur die. "Der behandelnde Arzt meinte damals, als ich wegen der aus meiner Sicht zu langsamen Heilung ein wenig ungeduldig wurde, dass der Heilungsprozess für einen amputationsreifen Unterschenkel doch sehr schnell ginge", entsinnt sich der Osternienburger an seine Leidenszeit.
Auf Krücken
Knapp drei Jahre darauf - bis dahin musste der gebürtige Köthener beim Laufen mit einigen Unterbrechungen immer wieder auf Krücken zurückgreifen - kam die Wende. Und die erzwang zunächst eine völlige berufliche Neuorientierung. Nach dem Sportstudium an der DHfK in Leipzig setzte sich der junge Vater für den Abschluss als Diplomverwaltungswirt (FH) nochmals in die Hörsäle. Die eigene sportliche Betätigung geriet in dieser Zeit etwas ins Hintertreffen. Irgendwann jedoch ließ sich das Mehrkämpferblut in seinen Adern nicht länger unterdrücken. Insbesondere die Liebe zu den eine ausgefeilte Technik verlangenden Wurfdisziplinen erwachte neu.
Und so ließ sich Jens Kaden, der mittlerweile als Prüfer beim Landesrechnungshof arbeitet, selbst durch einen im vergangenen Jahr erlittenen Anriss der Achillessehne nicht aus der Bahn werfen. 2006 gelangte er wie sein Vater Bernd bei den Landesmeisterschaften der Senioren in Stendal mit der Kugel und dem Diskus aufs oberste Siegerpodest. Dem schlossen sich Anfang Juli anlässlich der Deutschen Senioren-Meisterschaften in Erfurt ein fünfter (Diskus) und ein achter Rang (Kugel) an. Reizt da nicht mal ein internationaler Auftritt? Gastgeber für die europäischen Titelkämpfe der Senioren 2007 ist Italien. Das scheint keine unüberwindliche Distanz.
"Abwarten, wie wir durch den Winter kommen", hält sich das Kaden-Gespann noch ein wenig zurück. Außerdem treibt beide ein durchaus gesunder Ehrgeiz an. Falls man die Reise über die Alpen antritt, dann soll nicht gleich im Vorkampf Endstation sein. "Es muss schon eine realistische Chance auf die Teilnahme am Endkampf, also auf eine Platzierung unter den besten acht Startern bestehen, sonst lohnt sich der ganze Aufwand nicht", meint Jens Kaden auch für seinen Vater Bernd.
Omas Backkünste
Vielleicht wäre ein solcher Abstecher ins Land von Pasta und Pizza aber auch bloß eine Frage der optimalen Nahrungsergänzung. Bei den Wettkämpfen schwören nämlich die Sportsmänner aus drei Generationen und "Managerin" Annett Kaden regelmäßig auf die Backkünste von Oma Gudrun. Dem Topfkuchen der 61-Jährigen, der mindestens acht Eier enthält, schreibt die Familie nahezu magische Kräfte zu. Kein Wunder, dass niemand auf die leistungsfördernde Backware verzichten möchte. Noch steht sie ja auf keiner Dopingliste.