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Basketball-Bundesliga Basketball-Bundesliga: Korbjäger «tanzen» nach seiner Pfeife

Von Holger Zimmer 19.03.2006, 19:20

Weißenfels/MZ. - Doch bereits zum Saisonende stand der jetzt 30-Jährige im Würzburger Hexenkessel. Die Franken brauchten jeden Punkt und hätten gegen Frankfurt fast einen Erfolg geschafft. Aber als zwei Sekunden vor dem Ende nur zwei statt der von vielen gesehenen drei Punkte anzeigt wurden, weil Werfer Jeremy Veal auf der Linie stand, brach die Hölle los. Schiri-Kollege Uwe Prause wurde von einer Plastikflasche am Kopf getroffen und es gab eine 15-minütige Unterbrechung. Mit Wiederanpfiff passte dann der Frankfurter Pascal Roller den Ball übers gesamte Feld zu Chris Williams und es stand 89:87. Es war das Ende vom Würzburger Traum, der diesmal protestlos hingenommen wurde, und für Enrico Streit eine Gänsehaut-Erfahrung.

Nach seinen Lehrjahren macht es ihn stolz, neben Nationaltrainer Dirk Bauermann oder dem jetzigen Braunschweiger Coach Emir Mutapcic zu stehen, "Leute, denen man auch mal mit einem lockeren Spruch begegnen muss". Denn einer wie Bauermann könne ganz ruhig sein, "aber ich habe ihn schon anders erlebt". Da sei immer das Maß wichtig, müsse gegebenenfalls ein technisches Foul helfen.

Eines allerdings ist für den Unparteiischen Bedingung: Vor Anpfiff wird auf Tabelle und Hinspielresultat geschaut. Und stets muss die Konzentration hochgehalten werden, damit kein Schrittfehler und kein Foul übersehen werden. "Die Freude ist bei mir groß, wenn die Atmosphäre und die Qualität des Spiels stimmen." Leicht sei es nicht, denn Spiele mit klaren Resultaten werden seltener, und wer am Sonntag noch haushoher Favorit war, liegt heute - wie Frankfurt in dieser Saison - hinten. Jedes Match schaue er sich im Nachhinein auch noch mal auf Video an und analysiere es für sich.

Und dann nennt Streit bekannte Leute, neben denen er stand: Sasa Obradovic, Marko Pesic und Chuck Evans oder die Ex-Weißenfelser Jerry Green (Ludwigsburg), Mithat Demirel (Berlin / Istanbul), Chris Ensminger (Bamberg) und Bruno Roschnafsky (jetzt Rumänien). Letzterer habe ihn mal sarkastisch gefragt: "Hast du so etwas schon mal erlebt?". Da ging Schwelm als potentieller Absteiger gegen die Tübinger daheim mit 49:80 unter. Mehr als Smalltalk wäre auf dem Parkett freilich nicht drin.

40 Begegnungen hat Enrico Streit bereits im Oberhaus gepfiffen. Darüber führt er Buch. Hinzu kommen vier deutsche Damen-Länderspiele wie gegen Frankreich und Tschechien. Vor 8 500 Zuschauern stand der hallesche Student in Frankfurt und beim Nachwuchs-Allstar in Köln sogar vor 18 120 Fans. Von der Stimmung freilich bekomme er nicht viel mit. "Manchmal erschrecke ich über die Lautstärke auf den Videos. Und nach meinem ersten Spiel in Köln habe ich gedacht, dass ich aus der Disko komme."

Streit ist einer, der das Basketballspiel von der Pike auf bei den Weißenfelsern Horst Müller und Wulfhart Schmidt gelernt hat. Als die Saalestädter in der Regionalliga aufliefen, trainierte er unter dem Tschechen René Stepanek mit. In der Oberliga hat er es mit dem SSV sogar mal auf Platz 3 geschafft. Doch irgendwann habe er gespürt, dass sein spielerischer Zenit erreicht war, irgendwann sei angesichts der Entwicklung zum Profisport sein Idealismus verflogen. Noch immer aber läuft er "aus Spaß an der Freude" neben Siegfried Scherpiet und Rolf Melzer öfter mit Einheit in der Landesliga auf. Als 1992 im Nachwuchsbereich Schiris gesucht wurden, hatte er zugesagt. In Regionalliga-Zeiten saß er mit im Kampfgericht und konnte stets dazulernen. Später habe er auf ständig höherem Niveau auch in Berlin und Greifswald gepfiffen. "Basketball ist eben mein Sport - kreativ, athletisch, schnell und kompromisslos."

Ob er sich mal vorstellen könnte, ein nationales Finale oder ein internationales Pokalspiel zu pfeifen? Enrico Streit gibt sich zurückhaltend. Da müsse er wohl noch besser werden und verweist auf "Vorbild" Murat Biricik. Klar, eine Traum wäre das schon. Doch derzeit absolviert der Medizinstudent sein praktisches Jahr, steht schon jetzt teilweise mehrere Stunden am Operationstisch. Er brauche Zeit, um Fachliteratur zu lesen, trainiere wöchentlich mehrfach und pendele nicht nur wegen des Basketballs, sondern auch wegen seiner Freundin Ines nach Weißenfels. "Beruflich müsste da eben alles passen."