Australien Australien: Townsville bietet mehr als Sonnenschein

Townsville/dpa. - Dieser Ruf lockt natürlich viele Urlauber an: Rucksackreisende,die die Ostküste des Kontinents rauf- und runtertouren, machen in dergrößten Stadt im Norden Queenslands ebenso Station wie Taucher aufdem Weg zum Großen Barriere-Riff. Sie finden genug Möglichkeiten, dieSonne zu genießen - aber auch Orte, um sich vor ihr zu verkriechenund dem Risiko eines heftigen Sonnenbrandes aus dem Weg zu gehen.
Magnetic Island («Maggie») steht bei den meisten Besuchern aberauf jeden Fall auf dem Programm. Die Überfahrt mit der Fähre dauert30 Minuten. Mehr als die Hälfte der Insel ist Nationalpark, mehrereWanderwege laden zu Entdeckungstouren ein. Das FortbewegungsmittelNummer eins aber sind die Mini-Mokes genannten Strandbuggys. IhrenNamen hat «Maggie» vom britischen Entdecker James Cook erhalten,dessen Schiffskompass hier im Jahr 1770 verrückt spielte. Eine vonCook vermutete Magnetstrahlung der Insel gibt es allerdings nicht.
Die Fahrt mit Gregory Poplewski führt mitten durch üppig grüneEukalyptuswälder. Wer Glück hat, entdeckt in den Ästen einen Koala.«Die Tiere sind erst seit 1931 auf der Insel», erzählt der Guide.«Damals wurden 18 Koalas ausgewildert, heute gibt es Hunderte davon.»
Anderen tierischen Bewohnern begegnen die Touristen sogar mitziemlicher Sicherheit: An der Geoffrey Bay warten Rockwallabys aufdie Fütterung. Gemüse und Körner fressen die Beuteltiere gerne ausder Hand, doch sie bleiben skeptisch und flüchten bei jeder noch sokleinen Bewegung der Menschen.
Die Geoffrey Bay gehört zur Schiffswrack-Route, die sieben Orteauf Magnetic Island verbindet. Dort sind neun untergegangene oderabsichtlich versenkte Schiffe zu finden – in der Geoffrey Bay die1870 in Hamburg gebaute «Moltke», die 1911 als Wellenbrecher geflutetwurde und heute ein beliebtes Taucherziel ist. Schwimmen lässt essich hier allerdings weniger gut. Besser geeignet ist die HorseshoeBay im Norden, wo Gregory Poplewski verzweifelt nach Schatten sucht.In der geschützten Bucht liegen Seekayaks bereit, und der Strand istwie geschaffen für Sonnenanbeter. Im Meer schützen Netze die Badendenvor den lebensgefährlichen Quallen, die hier – wie fast überall imtropischen Nord-Australien – von November bis Mai auftreten.
Ein Wrack steht auch im Mittelpunkt einer der größten Attraktionenin Townsville selber, dem Museum of Tropical Queensland. Während dieSonne draußen mörderisch brennt und das Thermometer die 35-Grad-Markedeutlich überschreitet, empfangen die Besucher dort gekühlte Räumeund ein interessantes Ensemble von Fundstücken der «HMS Pandora», dieam 29. August 1791 im nördlichen Barriere-Riff gesunken ist. Erst1977 wurden die in 33 Meter Tiefe liegenden Reste wieder entdeckt.
Zu sehen sind geborgene Weingläser und Porzellan, eine goldene Uhrund Tintenfässer. Der Besucher erfährt auch viel über die Bemühungender Forscher, die drei im Wrack gefundenen Skelette den Biografienvon Seemännern zuzuordnen. Und auch der Spaß kommt nicht zu kurz:Zweimal am Tag wird der Nachbau einer 1,5 Tonnen schweren Kanone ausder «HMS Pandora» abgefeuert. Der Museumsführer holt sich dazu vierMänner aus dem Publikum, die den umständlichen Vorderlader bedienen.Dann gibt es einen lauten Knall – und Jubel vom Band.
Vor der Museumstür ist es noch immer sonnig und heiß. Wie gut,dass die zweite große Museumsattraktion der Stadt Townsville gleichnebenan liegt: das Aquarium «Reef HQ». 1987 erbaut und 2002 komplettrenoviert, stellt es Touristen das Große Barriere-Riff mit seinenverschiedenen Lebensräumen vor. Der Gast soll einen lebendigenEindruck von der Unterwasserwelt erhalten, ohne selbst nasse Füße zubekommen oder sich eine Taucherbrille auf die Nase setzen zu müssen.
In zwei großen Becken mit insgesamt 3,25 Millionen Liter Wassersind etwa zehn Prozent der Artenvielfalt am Riff zu sehen. 150 ArtenFische ziehen ihre Bahnen in einem Bassin mit künstlich erzeugtemWellengang. Ein gläserner Unterwassertunnel bringt die Besucher aufAugenhöhe mit drei Haiarten und einer großen Schildkröte, und ein«Touchpool» erlaubt das, was Taucher und Schnorchler am Riff besserlassen: Seegurken, Seesterne und Muscheln in die Hand zu nehmen. Einekurze Abkühlung vor dem Schritt zurück in die Hitze ist es außerdem.
Ein schöner Überblick über Townsville lässt sich vom Gipfel des260 Meter hohen Castle Hill gewinnen. Hinauf geht es zu Fuß oder übereine schmale Straße. Natürlich fällt Magnetic Island am Horizont insAuge, dazu die Flaniermeile «The Strand» mit ihren schicken Bistrosund Restaurants, die nach den Zerstörungen durch einen Zyklon 1999neu gestaltet wurde. Der nahe zur Stadt gelegene Industriehafen störtden Anblick eines heißen Tropenparadieses jedoch nicht gerade wenig.
Etwa 20 Autominuten südlich von Townsville liegt das BillabongSanctuary. Der Wildtierpark zeigt rund 300 verschiedene Tiere - zumBeispiel die 22 Kilogramm schwere Wombat-Dame «Angelica», die alsKind bei einem Autounfall ihre Mutter verloren hat. «Sie wuchs dannbei Menschen auf und denkt nun, sie sei der beste Wombat, den esüberhaupt gibt», erzählt der Ranger Phil Perham. «Deshalb haben wirfür sie auch noch keinen Wombat-Freund finden können.» Genug Freundeunter den Besuchern findet «Angelica» dagegen immer: Groß und Kleindarf das Tier auf den Arm nehmen und sich damit fotografieren lassen.
So nah ran möchte bei den Giftschlangen wie der Inland-Taipan undden Krokodilen wohl keiner. Phil und sein Kollege Chris Pacey zeigen,wie die 350 bis 600 Kilogramm schweren Reptilien nach toten Hühnchenschnappen, dabei gewaltig in die Höhe schnellen und mit einem großenPlatsch wieder in ihrem Wasserbecken landen. Aus der Hand fressendagegen wieder die Graukängurus, die überall auf dem Gelände die Wegekreuzen. «Sie haben hier genug Rückzugsmöglichkeiten», erzählt Chris.«An schlechten Tagen können sie auch abseits der Besucherpfade sein.»
Abseits vieler Besucherpfade liegt auch Charters Towers fast zweiAutostunden südwestlich von Townsville. Der Ort gehört zum Outback,also zur tiefsten australischen Provinz, aber davon ist bei der Fahrtüber die Hauptstraße wenig zu spüren: Pompöse, gut gepflegte Bautenerinnern an den Goldrausch, der 1871 hier begann und fast 40 Jahredauerte. Noch heute schürfen mehrere Unternehmen aus dem Erdreich imUmland der Stadt rund 400 000 Unzen pro Jahr. Das sind zehn Prozentdessen, was zu Zeiten des Goldrausches insgesamt gefördert wurde.
Von Hand Gold gewaschen wurde in Charters Towers zwar nie, aberTouristen greifen gerne zum Sieb, um ihr Glück zu versuchen. «Wirbieten das an, weil man es von einer Goldstadt erwartet - und weiles Spaß macht», sagt Susan Phillips vom örtlichen Tourismusamt.
Im Jahr 1900 gab es in Charters Towers 92 Pubs, 5 Tageszeitungenund 4 Pferderennbahnen. Heute geht es dagegen eher gemächlich zu. Inder prächtigen Stock Exchange Arcade, wo vom Jahr 1890 an viele beiBörsengeschäften ihr Glück gemacht und dann wieder verloren haben,sind ein Friseur, ein Kosmetiksalon und ein Café ansässig.
Die einst 100 Fördertürme der Goldsucher stehen alle nicht mehr,am Highway wurde einer aber nachgebaut. Von den 29 Gesteinsmühlen,die das Gold aus dem Fels mahlten, ist mit der Venus Gold Batterydagegen eine noch existent. Bis 1973 war sie in Betrieb, heute istsie ein Museum. Führer Geoff Phillips zeigt genau, wie der Prozessder Goldgewinnung vor sich ging: vom Wiegen bis zum Waschen mitQuecksilber und Zyanid.
Auf dem Rückweg nach Townsville bietet sich ein Schlenker nachRavenswood an – ebenfalls ein Goldgräberort, aber längst nicht soerfolgreich wie Charters Towers. War der Verkehr auf dem Highway 78schon sehr dünn, wird es hier erst recht einsam. 2 der einst 48 Pubsstehen noch: das «Imperial Hotel» und das «Railway Hotel». Beidekönnten als Kulisse für einen Cowboyfilm dienen und sind völligüberdimensioniert für die Fast-Geisterstadt - was für ein Kontrastzum quicklebendigen Townsville mit den schicken Bars und Cafés. Nurdie Hitze ist hier die Gleiche: 35 Grad im Schatten. Doch am Horizontstehen dicke Gewitterwolken bereit, sich auszuregnen. Irgendwannmüssen die 300 Tage Sonnenschein im Jahr schließlich mal vorbei sein.
