Ausstellung zeigt «Kölns Progressive»
Köln/dpa. - «Ich stehe auf der Seite der Arbeiterrevolution, für die ich auch durch meine künstlerische Arbeit zu kämpfen hoffe», bekannte 1929 der Maler und Grafiker Franz Wilhelm Seiwert (1893- 1933).
Der Kölner, der sich nach eigenem Bekunden durch die Schrecken des Weltkrieges vom «streng orthodoxen Katholizismus» zum Marxismus gewandt hatte, wurde ab 1920 der theoretische Kopf einer ganzen Gruppe rheinischer Künstler und Intellektueller. Mit einer Ausstellung zum Werk Seiwerts, Heinrich Hoerles und des Holzschneiders Gerd Arntz als Hauptvertreter der Gruppe der «Kölner Progressiven» blättert das Museum Ludwig bis zum 15. Juni in einem der originellsten Kapitel der jüngeren deutschen Kunstgeschichte.
Zu sehen sind rund 50 Gemälde und 90 Papierarbeiten der sozialrevolutionär eingestellten Künstler, die mit neuer Bildsprache der neuen Zeit ein Gesicht geben wollten. Ab 1933 wurden sie von den Nazis als «entartet» verfemt und wohl auch wegen des frühen Todes Seiwerts und Hoerles eher als Seitenzweig in der Kunst des 20. Jahrhunderts gesehen. Mit ihren gegenständlich konstruktiven Bildformen, die die Nähe zu Oskar Schlemmer wie den russischen Kunstrevolutionären offenbart, schufen die «Progressiven» aus dem Rheinland «nicht nur einen der wichtigsten künstlerischen Beiträge zur Kunst der Weimarer Zeit, sondern der Moderne überhaupt», ist sich Museumsdirektor Kasper König sicher.
Bewusst war ihr Verzicht auf Film und Foto als moderne Massenmedien der Zeit, und auch ihre Wurzel im emotional gefärbtem Expressionismus ließen alle drei rasch hinter sich. Ebenso war ihnen der Realismus der kämpferischen Käthe Kollwitz viel zu sentimental. In einem Holzschnitt-Zyklus von Arntz wird der Mensch 1921 stattdessen zum allgemeinverständlichen Piktogramm. Seiwert setzt «Die Landarbeiter» (1923) wie Marionetten vor einen fernen Horizont. Er zerlegt künftig alle Gestalten in einfarbige Farbflächen und findet damit gültige Chiffren für die vom Kapitalismus zur Gesichtslosigkeit degradierte «Masse Mensch».
In «Stadt und Land» verschränkt Seiwert Arbeiter und Bauer programmatisch und analysiert in einem Wandbild für den bedeutenden Porträtfotografen August Sander 1925 malend die Technik der Fotografie. In seinem Spätwerk «Bauernkrieg» (1932) scheint die Masse der Marschierenden trotz der statischen Komposition auf den Betrachter zustürmen zu wollen. Hoerles Werk schwankt erstaunlich zwischen äußerster malerischer Verknappung wie in dem aus Farbflächen collagierten Freundschaftsbild «Seiwert und Ich» (1931) und dem Hang zum Dekorativen mit surrealen Einflüssen («Weiblicher Halbakt»/1930).
Holzschneider Gerd Arntz, 1988 in Den Haag gestorben, stapelt die unterschiedlichen Szenen seiner künstlerischen Zeitanklagen optisch auf dem Blatt wie auf Piscators Simultanbühne. Er hat den Blick des Klassenkämpfers selbst auf das scheinbar harmlose Motiv «Stadion»: Während Großbürger und Pickelhauben-Militärs unten bei den Sportlern auf den besten Plätzen sitzen, verschwimmt das Gros der Zuschauer auf den billigen Rängen immer mehr zur anonymen Menge.