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Auf Kosten der Steuerzahler

Von HENDRIK KRANERT-RYDZY 13.10.2011, 18:13

HALLE/MAGDEBURG/MZ. - Die beiden Finanzämter Halle Nord und Süd gelten nicht gerade als rasant, wenn es um die Bearbeitung von Steuererklärungen geht. In Halle Süd dauert es bis zu 120 Tage, in Halle Nord immerhin noch 80, bevor der Steuerzahler über Bescheid und Rückzahlung mehr oder minder strahlen kann. Das ist doppelt bis dreifach so lange wie etwa im Nachbar-Finanzamt Merseburg. Inzwischen deutet sich zumindest ein Grund für die Geschwindigkeitsunterschiede an: Die halleschen Finanzbehörden gewähren offenbar sehr großzügig Sonderurlaub für ihre Mitarbeiter.

Fünf Tage nach dem Hagel-Unwetter am 11. September, das besonders den Salzlandkreis und das Mansfelder Land traf, tauchte im Intranet des Finanzamtes Halle Nord eine "Kurzinformation" auf. Darin wird Bezug genommen auf das Unwetter und mehrere betroffene Mitarbeiter. In dem Text heißt es: "Zwar sind die meisten versichert, die Versicherungen sind zur Zeit aber überfordert und beim Aufräumen oder Schutt abräumen können sie sowieso nicht helfen. Wollen Sie helfen oder haben Sie Ideen, wie geholfen werden kann? Dann melden Sie sich bitte bei der Amtsleitung, den Sachgebietsleitern oder der Geschäftsstellenleiterin ... Für die Betroffenen und die Helfer wird in Anlehnung an die Regelungen während der Jahrhundertflut beziehungsweise beim diesjährigen Frühjahrshochwasser Sonderurlaub gewährt. Fragen Sie bitte in der Geschäftsstelle (GS 100) nach."

Und noch am selben Tag wird auch im Finanzamt Halle Süd eine E-Mail verbreitet, in der es heißt, die Geschäftsstelle habe entschieden, dass "für Einsatztage einschließlich Freitag (23.09.2011) für die Helfer Sonderurlaub gewährt wird". Es folgt die Aufforderung, sich zwecks Planung beim Sachgebietsleiter und dem Vize-Amtschef des Finanzamtes Halle Nord, Kai Schulz-Trieglaff, zu melden. Heißt: Wer in den Finanzämtern dem Büroalltag entfliehen wollte, bekam dafür auf Steuerzahlerkosten Sonderurlaub gewährt - nach MZ-Informationen bis zu fünf Tage. Vize Schulz-Trieglaff wollte sich gestern gegenüber der MZ nicht äußern.

Die den beiden Behörden vorstehende Oberfinanzdirektion (OFD) arbeitete derweil einen sehr konkreten Fragenkatalog mit der ausweichenden Antwort ab, dass Vorstehern der Finanzämter empfohlen wurde, den "unmittelbar Betroffenen" - also nicht den Helfern - bis zu drei Tagen Sonderurlaub zu gewähren. Die Entscheidungen seien von den Amtsvorstehern zu treffen. Für Helfer und Hilfsaktionen seien von der OFD keine Regelungen getroffen worden. Wie viele Mitarbeiter für welchen Zeitraum halfen, teilte die OFD nicht mit. Auch die Frage, welche Kriterien der Sonderurlaubsregelung zugrunde liegen - etwa ein vom Landkreis ausgerufener Katastrophenfall - wurde nicht beantwortet.

Erst auf Nachfrage erklärte OFD-Präsident Hermannus Erdwiens, dass "mehr als zwei Hände voll Mitarbeiter für einige Stunden" in zwei Einzelfällen geholfen hätten. Dafür sei Sonderurlaub gewährt worden. "Das ist doch Ausdruck einer funktionierenden Gesellschaft und gelebter Solidarität."

Finanzminister Jens Bullerjahn (SPD) kündigte gestern an, die Vorgänge prüfen zu wollen.