Arte Arte: Die New Yorker Kunstszene der 60er Jahre
Straßburg. - Schon in einer Studienarbeit aus dem Jahr 1957 bezieht die vielversprechende Psychologiestudentin Valerie Solanas konsequent feministische Positionen, mit denen sie ihrer Zeit weit voraus ist. Mit provozierend nachlässiger Kleidung treibt sie sich im New York der frühen 60-er auf den Straßen als Bettlerin herum oder verdingt sich als Gelegenheitsprostituierte. Dass alle Männer nur degenerierte Frauen und der Fortpflanzung nicht wert sind, ist eine fixe Idee, von der Valerie schon lange besessen ist. Ihre zwischen radikalem Feminismus und obszönen Beschimpfungen changierenden Gedanken hat sie in einem Manifest niedergeschrieben, das sie erfolglos auf der Straße zu verkaufen versucht.
Über den befreundeten Transvestiten Candy Darling knüpft sie Kontakt zu dem berühmten Pop-Art-Künstler Andy Warhol, der von ihrem spröden Charme zunächst begeistert ist und ihr einen Auftritt in einem seiner Filme ermöglicht. Für eine Inszenierung ihres Theaterstücks kann sie den Avantgarde-Papst jedoch nicht begeistern, in dessen legendärer "Factory" Valerie bald als verrückte Fanatikerin abgekanzelt wird. Mehr Glück hat Valerie bei dem Verleger Maurice Girodias, der ihre kompromisslosen Gedanken schätzt und mit ihr einen Vertrag über zwei Romane abschließt. Als Valerie jedoch das Kleingedruckte liest und bemerken muss, dass sie alle Rechte an ihrem geistigen Eigentum abgetreten - und damit ihre Seele verkauft hat, wähnt sie sich als Ziel einer Verschwörung, hinter der Maurice Girodias und Andy Warhol stecken. Mit einer gestohlenen Pistole verübt sie auf den Künstler ein Attentat, von dem dieser sich zeitlebens nicht mehr richtig erholen sollte...
Mit "I Shot Andy Warhol" gibt die frühere Musikkritikerin Mary Harron ihr beeindruckendes Regiedebüt. Ihre visuell intensive Hommage an die Kunstszene der 60er Jahre zeichnet die Warhol-Attentäterin Valerie Solanas nicht nur als Psychopathin, sondern auch als avantgardistische Feministin inmitten einer dröhnenden Subkultur zwischen Kunst und Kommerz, politischer Wirren und Drogenkult. Die Musik stammt vom "Velvet Underground"-Musiker John Cale. Jared Harris überzeugt als aseptisch-phlegmatischer Andy Warhol ebenso wie Lili Taylor in der Rolle der sendungsbewussten lesbischen Attentäterin.