Ärger um Bodenreform-Grundstück Ärger um Bodenreform-Grundstück: Geerbter Acker wird teuer für Rentner
Hettstedt/MZ. - Helga Grude ist außer sich: "Eine Frechheit ist das", sagt die Hettstedterin, "das glaubt einem kein Mensch." Tatsächlich hört sich die Geschichte unglaublich an: Es geht um einen kleinen Acker in Ermsleben, den ihr Lebensgefährte, Fritz Wölfer, 1979 von seinem Vater geerbt hatte - und der das Rentnerpaar heute teuer zu stehen kommt.
Per Gerichtsurteil müssen sie das Grundstück unentgeltlich an das Land Sachsen-Anhalt abgeben - außerdem haben sie knapp 1 000 Mark Gerichts- und Rechtsanwaltskosten am Hals. Und das "für nichts und wieder nichts", wie Frau Grude verbittert feststellt.
Was die beiden in diese Situation gebracht hat, ist offenbar eine Mischung aus einer komplizierten Rechtslage und falscher Beratung durch einen Bekannten. Denn das zuständige Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung (Alf) in Hal berstadt hat sich durchaus im Rahmen der gesetzlichen Regelungen bewegt:
Nach der zwar umstrittenden, aber geltenden Rechtsprechung hatte das Land wirklich Anspruch auf den Acker von Fritz Wölfer. Dessen Vater hatte das Land, "etwa einen Morgen", bei der Bodenreform 1946 erhalten und war ins Grundbuch als Eigentümer eingetragen worden. Zunächst habe sein Vater, der kein Landwirt war, sondern in der Brennerei arbeitete, das Land auch beackert, erzählt Wölfer.
Später sei es dann von einem Betrieb mit einer Straße überbaut worden. Er selbst sei Bergmann im Thälmann-Schacht gewesen und habe den geerbten Acker nie landwirtschaftlich genutzt. Nach der Wende bekam Wölfer eines Tages die Einladung zu einem Gespräch in Ermsleben - es seien Eigentumsverhältnisse zu klären. Dabei erfuhr der Rentner, dass das Land Sachsen-Anhalt Anspruch auf seinen Acker erhebe.
Grund: Wölfer habe weder das Grundstück genutzt noch mindestens zehn Jahre in der Landwirtschaft gearbeitet. Bei ihm waren es nämlich nur acht Jahre: "Ich habe als Rentner noch im Kreisbetrieb für Landtechnik gearbeitet." Obwohl die Rechtslage also gegen Wölfer sprach, riet ihm ein Bekannter, der seit langem in der Landwirtschaft tätig ist, die Forderung des Landes nicht zu unterschreiben.
"Er hat gesagt, wir könnten vielleicht noch eine Entschädigung bekommen", so Frau Grude, "und wir haben gedacht, dass er sich damit auskennt." Er unterschrieb also nicht, und die Sache nahm ihren Lauf. Das Amt für Landwirtschaft und Flurneuordnung reichte Klage beim Amtsgericht Aschersleben ein. Wölfer äußerte sich dazu nicht ("wir haben das laufen lassen; sonst hätten wir ja noch einen Rechtsanwalt nehmen müssen"), und das Gericht entschied, dass er den Acker an das Land abgeben und die Verfahrenskosten tragen müsse.
Die beiden Rechnungen für die Gerichts- und die Rechtsanwaltskosten der Gegenseite summieren sich auf knapp 1 000 Mark. Der zuständige Sachbearbeiter im Halberstädter Amt, Lutz Fiebig, bedauert zwar, dass die Sache dieses Ende genommen hat, kann aber kein Versäumnis seiner Behörde erkennen. "Das ist alles ordnungsgemäß gelaufen."
Der Rentner sei mehrfach angeschrieben und auf die Sach- und Rechtslage aufmerksam gemacht worden, er habe die Forderung aber abgelehnt. "Wir mussten einfach Klage erheben", so Fiebig. Nach seinen Worten wäre es auch möglich gewesen, die Klage wieder zurück zu ziehen. "Er hätte dann aber nach der Zustellung reagieren müssen."
Auch gegen das Gerichtsurteil habe er nichts unternommen, so dass es rechtskräftig sei. Wie Fiebig sagte, gebe es etliche ähnliche Fälle. "Das Problem ist oft, dass die Leute einfach abwarten und die Sache laufen lassen. Das ist das falscheste, was man machen kann; statt dessen sollte man sich kompetenten Rat einholen."
Um so mehr, als - verständlicherweise - viele Bürger hier zu Lande noch wenig Erfahrung mit Rechtssachen oder Eigentumsfragen hätten.