Archäologische Grabungen Archäologische Grabungen: Erste Gebeine im Reihengrab
Buro/MZ. - Die schlichte, schwarze Tafel mit den weißen Steckbuchstaben und -ziffern sagt nichts darüber aus, dass sich vor wenigen Tagen am unscheinbar-sandigen Quadrat die Entdecker in die Seite knufften und vor Freude die Fäuste schüttelten. Die archäologischen Grabungen auf dem Buroer Feld vor den Toren Coswigs haben in der vorigen Woche die erste Körperbestattung mit einem intakten Skelett zu Tage gebracht. Und weil sich auch Erwachsene manchmal noch fast wie Kinder freuen können, hatte der erste Altvordere sofort seinen Spitznamen weg: "Buri", weil das doch an das Buroer Feld erinnert, wie Matthias Sopp lacht. Buri bleibt nicht lange allein. Jetzt werden die Ausgräber auch auf den benachbarten Flächen, den unter der Humusschicht freigeschürften Zehn-mal-zehn-Meter-Quadraten fündig.
"Reihengräberzivilisation nach Abschluss der slawischen West-Erweiterung bis zur Elbe", tippt der Archäologe nach erster Inaugenscheinnahme von Buris Grabbeigabe. Ein kleiner Topf mit organischen Restsubstanzen (Wegzehrung für die mythologische Reise ins Jenseits?) klassifiziert den Beigesetzten für Experten deutlich als slawischen Siedler vor der Christianisierung. "800 nach Christus. Das war ein Zeitgenosse von Karl, dem Großen." Seit dem Spätherbst 2000 laufen die Ausgrabungen auf dem Buroer Feld, wird das Gelände des Gewerbegebietes nach archäologisch bedeutsamen Funden förmlich durchsiebt, dokumentiert, fotografiert und gezeichnet. Eine Regie-ABM über ein Jahr hat das Arbeitsamt der Stadt Coswig bewilligt und dafür 49 Arbeitskräfte. Diese "vorbereitenden Maßnahmen zur Erschließung und Ansiedlung von Unternehmen" sollen dem 14 Hektar großen Areal letztlich zu einem "archäologischen Persilschein" verhelfen, so dass ansiedlungswillige Investoren womöglich nicht schon bei Baubeginn wieder gebremst werden müssen, weil der erste Baggeraushub gleich einen prähistorischen Scherbenberg mitliefert.
Diese Möglichkeit ist auf dem Buroer Feld sehr reell: Bereits bei der Ersterschließung des Gewerbegebietes vor sieben Jahren hatten Mitarbeiter des Landesamtes für Archäologie Halle Gräber aus der Bronzezeit und der frühen Völkerwanderungszeit entdeckt und dokumentiert. Jetzt arbeiten die 49 Kräfte unter den zwei Archäologen Matthias Sopp und Torsten Schunke mit ihren Trupps quasi auf zwei Gräberfeldern: Schunke im nördlichen Areal, Sopp im Südfeld vor dem Elbe-Hochufer. 16 Siedlungsgruben hatte Sopps Team gefunden, dann den Boden "geschnitten" von Ost nach West. Zunächst vergeblich. "Wir waren schon fast verzweifelt." An der Süd-Westgrenze setzte schließlich der Radlader noch einen Grobschnitt an. Dann kamen die Scherben. Und dann die Brandgräber. Mittlerweile sind es mehr als 200, der größte Friedhof der frühen Eisenzeit, der in Sachsen-Anhalt bis heute geöffnet wurde. Brandgräber, Urnengräber, Steinsetzungen aus später Bronze und frühem Eisen sind erfasst und dokumentiert. Jetzt auch die Körperbestattungen in Reihengräberordnung; im Kies an der Südflanke besser erhalten, als im reinen Sand weiter nördlich. Gestern nimmt mit Renate Schafberg erstmals die Anthropologin des halleschen Landesamtes die Gebeine auf dem Buroer Feld in Augenschein.
Das Nachbargrab von "Buri" offenbart ein passabel erhaltenes Skelett, das konserviert und vermessen werden kann. "Von der Struktur ein Erwachsener", sagt die Anthropologin aus Halle. Beigesetzt in ausgestreckter Rückenlage höchstwahrscheinlich in einem zersetzten Baumsarg oder in einem Ledertuch, worauf die organischen Ablagerungen auf den Knochen hindeuten. Der Slawe war nicht groß gewachsen, in der Grablege "in situ" nur 1,60 Meter lang. Bei der Geschlechtsbestimmung ist die Expertin nach erster Prüfung unschlüssig. "Die Beckenknochen sind breit und daher eher weiblich, der Schädel mit starken Kaumuskeln und Stirnwülsten mehr maskulin." Die Schädelnähte am Hinterhaupt sind deutlich erkennbar. Also kann sich Renate Schafberg in einem festlegen: Alt ist der Verblichene nicht geworden, keine 40.