Anwälte bezweifeln Sommers Aussage im Telekom-Prozess
Frankfurt/Main/dpa. - Die Gangart im millionenschweren Musterprozess um den dritten Telekom-Börsengang verschärft sich: Die Anwälte der Kläger äußerten am Dienstag massive Zweifel an der Glaubwürdigkeit des früheren Telekom-Chefs Ron Sommer.
Er habe sich bei seiner gut zwei Wochen zurückliegenden Zeugenaussage vor dem Oberlandesgericht Frankfurt mehrfach in Widersprüche zu früheren Telekom-Schriftsätzen gesetzt, teilte das Anwaltsbüro Tilp am Dienstag mit. So habe Sommer unter anderem Zahl und Häufigkeit der Kontakte zu Verantwortlichen des später übernommenen US-Mobilfunkers VoiceStream anders angegeben als noch Ende 2001, also in weitaus geringerem zeitlichen Abstand zu dem umstrittenen VoiceStream-Geschäft.
Unterdessen stützte der frühere Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke, Sommers Nachfolger an der Konzernspitze, vor dem Oberlandesgericht Frankfurt die Angaben des Unternehmens. Demnach fiel erst Mitte Juli 2000, also nach dem dritten Börsengang im Juni, eine Entscheidung für den Kauf von VoiceStream. Ricke betonte, dass er nicht umfassend in die Verhandlungen mit VoiceStream eingebunden gewesen sei. «Ich war für das operative Geschäft von T-Mobile zuständig», sagte Ricke. Er habe aber den Eindruck gehabt, dass die Konzernführung eine Übernahme von VoiceStream nur halbherzig verfolgt habe. «Obwohl mir nicht alle Aktivitäten bekannt waren, hatte ich den Eindruck, dass die Unterstützung für VoiceStream sehr lange Zeit nur lauwarm war.»
Der VoiceStream-Deal aus dem Juli 2000 ist im Musterprozess einer der zentralen Angriffspunkte der gut 16 000 Kläger, die von der Telekom Schadensersatz wegen erlittener Kursverluste verlangen. Das rund 39 Milliarden Euro schwere Geschäft war nur wenige Wochen nach dem Zeichnungsschluss für die dritte Aktien-Tranche bekanntgegeben worden. Die Aktionäre vermuten, dass die größte Akquisition in der Unternehmensgeschichte schon während des Börsengangs verabredet, aber nicht angezeigt worden sei. Die Telekom-Verantwortlichen und zahlreiche Zeugen haben hingegen geschildert, dass das Geschäft innerhalb weniger Tage im Juli über die Bühne gegangen sei.
Bis zu entscheidenden Verhandlungen mit dem US-Unternehmen Qwest Mitte Juli 2000 seien alle anderen Gespräche damit auch die mit VoiceStream - nachrangig gewesen, sagte Max Hirschberger, ein enger Mitarbeiter des früheren Vorstandschefs Ron Sommer. Erst nachdem die Gespräche mit Qwest gescheitert seien, wurden Verhandlungen mit dem VoiceStream-Management geführt. Ein Anfang Juni vorgelegtes unverbindliches Übernahmeangebot für VoiceStream sei unterbreitet worden, um den Gesprächsfaden mit VoiceStream nicht abreißen zu lassen. Das Angebot sei so abgefasst worden, dass VoiceStream es nicht habe annehmen können, sagte Hirschberger, der für die Analyse des US-Mobilfunkmarkts zuständig war.
Die Tilp-Anwälte haben zudem nach eigenen Angaben bei der Ursprungsinstanz durchgesetzt, dass vor dem OLG nicht nur Fragen des möglicherweise fehlerhaften Börsenprospekts verhandelt werden. Es gehe nunmehr auch um Ansprüche der Kläger aus den Straftaten Kapitalanlagebetrug und vorsätzlicher Falschbilanzierung, erklärte Anwalt Andreas Tilp. Der Musterkläger könne nunmehr zusätzliche Streitpunkte in das Verfahren einführen. Er kritisierte zudem die Bundesrepublik, die sich weiterhin weigere, das Gutachten des Bundesrechnungshofes zur umstrittenen Immobilienbewertung der Telekom herauszugeben.