Andreas Wels Andreas Wels: «Die Kleine ist mein großes Glück»
Halle/MZ. - Strahlen ihn die Augen seines Töchterchens an, vergisst er all die Probleme, die Sport und Studium so mit sich bringen. Oder die schmerzenden, durch das Training so arg strapazierten Körperteile."Eine bessere Ablenkung gibt es nicht. Zusammen mit meinem Kind, überhaupt im Kreise meiner Familie, kann ich gut entspannen", verrät der 33-Jährige.
Seit dem Silbermedaillengewinn bei Olympia vor vier Jahren in Athen haben sich seine Lebensumstände gewaltig verändert. Als er noch der Sportfördergruppe der Bundeswehr angehörte, habe er mehr als 30 Stunden in der Woche trainieren können. Und es blieb immer noch ausreichend Zeit zur Regeneration. "Seit ich studiere und Leonie da ist, habe ich einen ganz anderen Rhythmus. Der Tag ist genau verplant und es gibt praktisch keinen Leerlauf mehr", erzählt Wels. Ohne seine Familie sei das alles nicht zu stemmen. Dank ihrer Hilfe könne er aber immer noch 20, 25 Stunden wöchentlich fürs Training abknapsen.
Kirsten, nun schon seit vielen Jahren an seiner Seite, unterstützt ihn nach Kräften. Die Physiotherapeutin trägt die Hauptlast bei der Betreuung ihrer beider Tochter. Auch die Großeltern beiderseits kümmern sich rührend um das Nesthäkchen. Vor allem dann, wenn sich Dienst-, Studien- und Trainingspläne von Vater und Mutter überschneiden.
Vater Horst Wels spielt im Leben seines Filius auch noch aus einem anderen Grund eine besondere Rolle. Seit Jahren sekundiert er seinem Sohn am Beckenrand. Der versierte Trainer und Stützpunktleiter des SV Halle hat Wels junior bis in die Weltspitze geführt. Beide sind ein eingespieltes Team. Dass sie sich blind verstehen, ist sicher auch eine Voraussetzung für ihren Erfolg. Dabei ist es nicht immer einfach, so aufeinander fixiert zu sein. Reibungspunkte gab es früher und gibt es auch heute.
"Anfangs haben wir so manches Problem mit nach Hause genommen, bis meine Mutter ein Machtwort gesprochen hat. Seitdem klären wir alles Sportliche in der Schwimmhalle. Wenn die Tür ins Schloss fällt, zählen nur noch private Dinge", erzählt Wels. Mit diesem Arrangement fahren sie allesamt ganz gut. Wohl auch deshalb ist das Verhältnis untereinander nach wie vor sehr eng. Ja, beide Familien wohnen sogar Tür an Tür in einem Doppelhaus in Dölau.
Die Eltern haben Andreas Wels leistungsorientiert erzogen. Nicht nur die sportlichen Ziele geht der Athlet mit ganzem Ehrgeiz an. Auch in allen anderen Lebensbereichen versucht er, das Maximale zu erreichen. Mit Mittelmaß gibt sich Wels junior, den alle nur Andy rufen, nicht zufrieden. Auch in sein Studium hat er sich von Anfang an voll hineingekniet. Deshalb ist Andreas Wels auch stolz darauf, trotz seines zeitaufwändigen Sports das Lehramtsstudium Richtung Germanistik / Sport ohne Streckung in der Regelstudienzeit zu meistern.
In den Hörsälen und Seminarräumen der Martin-Luther-Universität drückt er seit 2004 die Schulbank. Nach Olympia muss der Sportler, der seit Jahren seine Prüfungen in der Sprunghallen weltweit vor den Augen der Kampfrichter souverän meistert, sich einer anderen großen Herausforderung stellen: den zwei Staatsexamen. Danach wartet auf ihn der Schuldienst. Möglicherweise sogar an der Sportschule in Halle, an der er 1994 selbst sein Abitur abgelegt hat.
So manche Unterrichtsstunde hat Wels während seiner Praktikumszeit in den letzten Monaten dort schon gegeben. "Das war zuerst ein komisches Gefühl, als ich in meiner alten Schule selbst vor einer Klasse stand", gibt Wels zu. Seine Erinnerungen an die Zeit damals und die eigenen Erfahrungen versucht er für seine Arbeit zu nutzen.
Auf das dann wieder ruhigere Leben nach Peking, wo er seinen vierten und letzten olympischen Wettkampf erleben wird, freut sich der Routinier. Nach Abschluss seines Studiums will er nicht nur beruflich durchstarten, sondern auch privat. Dann heiratet er seine Kirsten. Ob er seine Karriere als Wasserspringer fortsetzt, will er nach den Spielen entscheiden.