800 Jahre Retzau 800 Jahre Retzau: Kult-Auto mit Spiegel der Geschichte
Retzau/MZ. - Sommer, Sonne und viele viele Gäste am Wochenende in Retzau - fast wie ein Dankeschön von Petrus an die Organisatoren des Ortsjubiläums, den Verein zur Förderung des sportlich-kulturellen Lebens. Denn Retzau feierte sein 800-jähriges Bestehen. Beim Umzug durch die Gemeinde konnte man sich allerdings des Eindrucks nicht erwehren, dass in ihn mehr Einwohner eingebunden waren, als am Straßenrand dem bunten Treiben zuschauten.
Bürgermeister Fred Paninski bestätigt das mit einem zufriedenen Lächeln. "Rund 500 Mitwirkende werden es sein", schätzt er. Dabei hat der Ort nur ganze 400 Einwohner. Wie kann er sich also so sicher sein? Beim genauen Hinschauen wird deutlich, dass sich die Ret zauer "Verstärkung" aus der Verwaltungsgemeinschaft Raguhn geholt haben. Da sind nicht nur die freiwilligen Feuerwehren, die teilweise mit historischer Technik aufwarten, sondern auch einige Vertreter des Karnevalclubs "Raguhner Finken" fehlen mit ihren bunten Kostümen nicht.
Und da sind auch noch Jäger und Falkner. Die beiden Vögel von Edmund Strohschein, der seit 1973 die Falk nerei betreibt, lassen sich sogar streicheln. Wie alles begann - von der Ersterwähnung des Ortes im Jahre 1200/ 1201 bis zur politischen Wende 1989 - wird im historischen Festumzug in Schaubildern nacherzählt. "Die Kostüme haben wir uns vom Landestheater Dessau ausgeliehen", verrät der Bürgermeister.
Auf dem "Bock" seines Lanz-Bulldog, einem Trecker aus den Nachkriegsjahren, sitzt Heinz Pannier. Die Heuwendemaschine, mit der er in der Landwirtschaft sein Brot verdiente, hat er ebenfalls noch einmal hervorgeholt. "Eigentlich wollte ich ja mit dem Landauer am Umzug teilnehmen", erzählt er, "doch ich habe fürs Gespann kein passendes Pferd gehabt." So blieb dieser Wagen, der zu einer Zeit gebaut wurde, als es auf den Straßen und Wegen noch gemächlich zuging, ebenso im Stall zurück, wie der offene Jagdwagen. An ihm hat in jüngster Zeit allerdings der Holzwurm schon einiges an den Speichen angerichtet. Doch der gebürtige Retzauer will auch das noch einmal richten lassen.
"Früher waren wir zu Himmelfahrt immer mit ihm unterwegs", wirft der 77-Jähre ein, der in der Landwirtschaft groß geworden ist. Und als Hochzeitskutsche habe der Wagen auch schon Geschichte geschrieben. Das letzte Mal im vergangenen Jahr, sagt Heinz Pannier. Ebenfalls zur Historie, allerdings zur jüngeren, gehört ohne Zweifel auch das Kultauto der DDR, der Trabbi. Silke Seidel hat auf dem Fahrzeug ihrer Mutter versucht, Geschichte in Bildern nachzuempfinden. Auf der Frontscheibe prangt in großen Lettern "Aktivist der sozialistischen Arbeit", auf der Kofferraumklappe steht: 40 Jahre DDR. Darunter klebt eine Seite aus dem "Magazin", wird die Aufschrift von "Ata" sichtbar und ein Titelblatt eines "Mosaik"-Heftes. "Das sind alles Ausdrucke, die meine Tochter im Internet fand", sagt Lydia Zeimke. "Das alles gehört doch zu unserer Geschichte", beschreibt sie mit der Hand einen weiten Bogen über die Fülle der Aufkleber.
Geschichte geschrieben wird auch auf dem Festplatz bei Ritterkämpfen, Feuerschluckern, Tuchfärbern, Dudelsackmusikanten und einem großen Rummel für die Kleinen. Zum Höhepunkt des Samstagabends gehörte ohne Zweifel das Konzert mit DJ Ötzi. Sein "Anton aus Tirol" war viel stimmig bis Raguhn zu hören.