Politik sieht Verbände in der Pflicht Warum sich der Sport mit Russland-Sanktionen noch schwertut
Die Politik hat mit empfindlichen Sanktionen gegen Russland auf die Entwicklungen in der Ostukraine reagiert. Der Sport tut sich aufgrund großer Abhängigkeiten schwer - doch der Druck steigt.

Frankfurt (Main)/SID - Millionenschwere Sponsorings, extreme Nähe zu den Spitzenverbänden - und sogar die Austragung von Großereignissen wie das diesjährige Champions-League-Finale: Russlands Einfluss auf die Welt des Profisports ist riesig. Während die Politik nach dem russischen Einmarsch in die Ostukraine am Dienstag empfindliche Sanktionen verhängte, tut sich der Sport (noch) schwer.
„Die UEFA beobachtet die Situation ständig und genau“, teilte der Fußball-Kontinentalverband am Dienstag auf SID-Anfrage mit. Zurzeit gebe es zwar „keine Pläne, den Austragungsort zu ändern“, ausgeschlossen ist eine Verlegung des Königsklassen-Endspiels am 28. Mai in St. Petersburg nach SID-Informationen allerdings nicht. Der Konflikt besitzt höchste Priorität in der Zentrale in Nyon - der Druck auf die UEFA steigt.
Sanktionen gegen Putin: Politik nimmt Fußball-Funktionäre in die Verantwortung
„Damit Sanktionen gegen Russland wirksam sind, müssen sie Russland vor allem wehtun“, sagte Philipp Hartewig, sportpolitischer Sprecher der FDP, dem SID am Dienstag. Am Beispiel Fußball sehe er „auch klar“ die UEFA um ihren Präsidenten Aleksander Ceferin „in Verantwortung“.
Auch Sabine Poschmann, sportpolitische Sprecherin der SPD, hält ein Champions-League-Finale für „undenkbar. Die UEFA ist aufgefordert, das Finale in ein anderes Land zu verlegen.“ Wenn Russland Völkerrecht „vorsätzlich bricht“, ergänzte Hartewig, „muss Russland auch mit den Konsequenzen leben.“
Auch im Ausland sind die Diskussionen in vollem Gange. In Großbritannien etwa sprach der konservative Abgeordnete Tom Tugendhat mit Blick auf das Königsklassen-Finale von einer „beschämenden Entscheidung. Die UEFA sollte einer gewalttätigen Diktatur keinen Schutz bieten“, schrieb er bei Twitter.
Verliert St. Petersburg das Finale der Champions League?
Dass kurzfristige Verschiebungen durchaus möglich sind, zeigt der Blick zurück. Im vergangenen Jahr war das Endspiel von Istanbul nach Porto verlegt worden, 2020 organisierte die UEFA aufgrund der Corona-Pandemie ein Finalturnier in Lissabon. Am Dienstag standen bei der UEFA bereits erneute Gespräche über das weitere Vorgehen an, doch die Verbindungen nach Russland sind eng - die wirtschaftliche Abhängigkeit ist riesig.
Seit Jahren pflegt nicht nur die UEFA eine lukrative Partnerschaft mit dem russischen Staatskonzern Gazprom. Der Energiegigant gehört in vielen Sportarten längst zu den Top-Sponsoren - im Fußball etwa für die Champions League, die EM im vergangenen Jahr oder die Nations League. Dazu sitzt in Alexander Djukow der Vorstandschef der Tochtergesellschaft Gazprom Neft im UEFA-Exekutivkomitee.
Auch das umstrittene Gazprom-Sponsoring bei Schalke 04 rückt angesichts der Entwicklungen in der Ostukraine plötzlich wieder in den Fokus. Der Zweitligist überprüft die Partnerschaft mit seinem langjährigen Hauptsponsor. Man werde „die weitere Entwicklung beobachten, bewerten und nachdrücklich zum Frieden appellieren zum Schutz der von der Krise betroffenen Menschen“, teilte der Verein am Dienstag mit.
Gazprom ist ein wichtiger Partner für Klubs und Verbände im Fußball
Der russische Präsident Wladimir Putin hatte am Montag die Unabhängigkeit der Separatisten-Gebiete Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt. Zudem entsendete er russische Soldaten in die Gebiete - weshalb die USA und EU am Dienstag an harten Sanktionen arbeiteten. Die Bundesregierung stoppte zudem bis auf Weiteres das Mammutprojekt Nord Stream 2.
Forderungen nach Reaktionen des Sports auf das politische Weltgeschehen sind keineswegs neu. „Jedes internationale Sportereignis legitimiert und zementiert die Macht von Putin“, hatte Viola von Cramon, Europa-Abgeordnete der Grünen, zuletzt der Sportschau gesagt. „Dabei müsste er als Aggressor mit seiner Politik der Desinformation und Destabilisierung international isoliert werden.“
Zumal Putin mit der Eskalation in der Ostukraine zum wiederholten Mal rund um Olympische Spiele militärische Maßnahmen ergriff. Bereits während der Sommerspiele von Peking 2008 hatte er mit Waffengewalt in den Georgien-Konflikt (2008) eingegriffen. Sechseinhalb Jahre später annektierte er begleitet von einem großen internationalen Aufschrei die Krim (2014).