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Vor Slalom in Gurgl Die Skispaßfahrerin: DSV-Ass Aicher vor nächsten Coups?

Emma Aicher will vor allem eines: Skifahren und Spaß haben. So stürmt sie gen Weltspitze. Wie weit kann es gehen für die 22-Jährige im Olympia-Winter? Sie bleibt cool - der Verbandsboss wird deutlich.

Von Manuel Schwarz und Christoph Lother, dpa 21.11.2025, 08:20
Emma Aicher jubelt nach ihrem Podestplatz beim Weltcup-Slalom von Levi. (Archivfoto)
Emma Aicher jubelt nach ihrem Podestplatz beim Weltcup-Slalom von Levi. (Archivfoto) Marco Trovati/AP/dpa

Gurgl - Es scheint, als könne Emma Aicher derzeit nur eine Sache richtig nervös machen. Nein, mit Skifahren hat es nichts zu tun. Auf den zwei Brettern erlebt die deutsche Alpin-Hoffnung derzeit eine ausgezeichnete Frühphase ihrer Karriere, der Spaß und die Freude sind der 22-Jährigen anzusehen. Auch die Ergebnisse passen: Nach zwei Weltcupsiegen Anfang des Jahres und Rang drei zuletzt im Slalom von Levi wird Aicher pünktlich zur Olympia-Saison immer mehr zur ernstzunehmenden Medaillenkandidatin. Ihr nächster Auftritt steigt beim Torlauf am Sonntag (10.30/13.30 Uhr/ARD und Eurosport) in Gurgl in Tirol.

Die gute Laune vor dem Event in Ötztal rührt daher, dass sie dort vor allem auf ein paar Dutzend Torstangen trifft - und nur am Rande auf TV-Kameras und Mikrofone. Denn so cool Aicher auf der Piste ist, so aufregend findet sie Interviews. „Das ist viel schlimmer als das eigentliche Skifahren“, erzählte sie jüngst im Rückblick auf einen Auftritt in einer österreichischen Talkshow.

Ex-Star Riesch: „Sie erinnert mich an mich“

Dort war die in Schweden geborene, für Deutschland fahrende und inzwischen in Salzburg lebende Sportlerin als Shootingstar der vergangenen Saison eingeladen worden. Weil Aicher als eine der wenigen Fahrerinnen bei allen vier Disziplinen Slalom, Riesenslalom, Abfahrt und Super-G antritt, trauen ihr einige irgendwann sogar die größtmögliche Auszeichnung im Weltcup zu, die große Kristallkugel als Trophäe für die Gesamtsiegerin. Das war aus dem Deutschen Skiverband (DSV) letztmals Maria Riesch im Jahr 2011 gelungen.

„Sie erinnert mich tatsächlich ein bisschen an mich“, sagte Riesch (40) diese Woche dem Bayerischen Rundfunk über ihre mögliche Nachfolgerin. „Sie hat auch diese jugendliche Unbekümmertheit, wie ich sie damals in dem Alter hatte. Ich kann ihr einfach den Tipp geben, sich nicht zu viel Druck zu machen.“

Aichers Kalkül: Viele Rennen = weniger Training

Es scheint, als bräuchte Aicher diesen Ratschlag gar nicht. Ihre Lockerheit ist ihr Erfolgsrezept, sie genießt jede Minute auf der Piste. Während andere unbarmherzig im Training schuften, um bei den Wettkämpfen noch ein paar Hundertstelsekunden rauszuholen, vertraut Aicher auf ihr außergewöhnliches Gespür für Schnee und die gute Laune. Sie ist eine Skispaßfahrerin.

Das sei übrigens auch der Grund, warum sie in allen Disziplinen antritt und damit deutlich mehr Reisen und logistische Herausforderungen zu meistern hat. Ihr Kalkül: Wenn ich jedes Wochenende ein oder mehrere Rennen im Weltcup fahre, dann muss ich an diesen Tagen nicht irgendwo anders trainieren. 

Schlampigkeit und Laissez-faire sind erlaubt

Aicher trat als Jugendliche noch für ihr Geburtsland Schweden an, ihre Mutter ist Skandinavierin. 2020 dann wechselte die Tochter eines Deutschen zum DSV. Dort erkannte man ihr Potenzial und lud sie gleich nach wenigen Monaten zur WM 2021 nach Cortina d'Ampezzo ein, wo sie als 17-Jährige noch gänzlich ohne Weltcup-Erfahrung prompt die Bronzemedaille mit dem Team holte.

Im Verband weiß man ganz genau, was man an ihr hat, auch wenn Aicher nicht dem Ideal einer verbissenen oder gar asketischen Athletin entspricht. „Diese Schlampigkeit, das Laissez-faire, das musst du auch aushalten in dem Sport“, sagte Alpinchef Wolfgang Maier jüngst. Ein paar Richtlinien und „Eckpfeiler“ brauche es schon, „weil sonst ist die Emma unterwegs und dann gibt's Party“.

Lebte Aicher anfangs noch im Skiinternat in Berchtesgaden, so zog sie jüngst nach Salzburg, wo sie mit einer Freundin in einer WG wohnt. „Das ist ein cleveres Mädel. Die weiß, was sie tut“, sagte DSV-Sportvorstand Maier. Er hofft, dass seine Athletin „konsequent professioneller wird und auf der anderen Seite ihre Freude am Skifahren erhält. Weil das ist die Grundlage.“ 

Medientraining? „Kann und will mich nicht ändern“

Aicher hasse es, bevormundet oder in Muster gepresst zu werden. „Die Emma ist ein Typ, den du anders trainieren musst als alle anderen, weil die aus der Intuition lebt und nicht aus der Ansage“, erklärte Maier und fordert von seinen Trainern, der Sportlerin die individuellen Eigenheiten nicht auszutreiben.

Von so viel Theorie scheint Aicher freilich nicht viel zu halten. „Einfach machen“ ist ihre Devise, wie sie zuletzt im Podcast „SkiQ“ erzählte. „Es ist selten, dass ich mich verkopfe. Und wenn ich mich verkopfe, dann läuft der Becher über, und dann ist es wieder besser.“ Was die Presse über sie berichtet, das verfolge sie nicht. Viele würden ihr zu Medientraining raten, erzählt sie. „Aber das bin halt ich. Ich kann mich ja nicht ändern und will mich auch nicht ändern.“

Solange es sportlich weiter so gut läuft, gibt es dafür auch keinen Grund.