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Vom Sport zur Kunst DDR-Eisschnelllauf-Ikone Karin Enke: Auf und neben dem Eis eine bemerkenswerte Frau

Sie gewann acht Olympia-Medaillen, davon drei goldene. Eisschnelllauf-Ikone Karin Enke holte zudem noch elf WM-Titel. Am Sonntag wird sie 60 Jahre alt.

20.06.2021, 06:00
1980 feierte Karin Enke den Olympiasieg in Lake Placid.
1980 feierte Karin Enke den Olympiasieg in Lake Placid. (Foto: imago/Sven Simon)

Dresden - Karin Enke hält es mit einem Lied von Udo Jürgens: „Jetzt beginnt der Rest deines Lebens“, zitiert sie den Refrain und versichert: „Ich fühle mich mental noch längst nicht wie sechzig.“ Nur manchmal mache sich schon das ein oder andere Zipperlein bemerkbar. Zuletzt habe der Körper ihr einen kleinen Gong gegeben, der wohl heißen solle, auch ab und zu etwas kürzer zu treten und noch bewusster zu leben. „Ich habe den Hang, viele Dinge gleichzeitig zu tun und wovon ich überzeugt bin, dort hänge ich mich auch zu einhundert Prozent rein“, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Karin Enke, die als aktive Karin Busch und Karin Kania hieß, weiß, was sie will. Auch ihre drei Kinder Sascha (36 Jahre), Laura (29) und Sarah-Maria (28) stehen längst auf eigenen Füßen. Mit ihren beiden Töchtern, die mittlerweile in Wien leben und arbeiten, ihrem Mann und ein paar guten Freunden, wird sie am Sonntag in Österreich auch ihren runden Geburtstag feiern.

„Die coronabedingte Distanz zu den Kindern hat mir zuletzt zu schaffen gemacht“, betonte sie und wagte einen Blick in die Zukunft: „Ich hoffe, dass für mich jetzt nochmal ein Abschnitt mit 15 plus 15 Jahre kommt, den ich möglichst lange aktiv gestalten kann. Neben dem Beruf gehören auch Wandern, Yoga oder Radfahren dazu. Und nach dem Berufsleben haben wir die Vision, nach Wien oder Umgebung zu ziehen.“

Ex-Trainer Rainer Mund über Karin Enke: „Außergewöhnlicher Mensch“

Ihre außergewöhnliche Willensqualität und ihre Zielstrebigkeit für viele Dinge bescheinigt ihr auch ihr früherer Trainer Rainer Mund. „Sie hat unheimlich hart trainiert, konnte sich hervorragend auf die Wettkampfhöhepunkte konzentrieren. Wenn sie einmal etwas in Angriff genommen hat, dann hat sie es durchgezogen. Nicht nur im Sport, auch in der Schule war sie ehrgeizig und dass sie mit 44 Jahren noch ein Studium begann, davor kann man den Hut ziehen“, sagte der einstmals erfolgreichste Eisschnelllauf-Trainer der Welt, der Karin Enke zur Ausnahmekönnerin auf Kufen formte.

„Es war für mich eine Ehre, sie betreuen zu dürfen und ein glücklicher Umstand, auf eine solche Sportlerin zu treffen. Sie war nicht nur eine außergewöhnliche Athletin, sie ist auch ein außergewöhnlicher Mensch“, sagte der heute 75-Jährige, der noch immer engen Kontakt zu ihr pflegt.

Karin Enke, hier 2014 im Spiegelsalon im Deutschen Hygienemuseum in Dresden.
Karin Enke, hier 2014 im Spiegelsalon im Deutschen Hygienemuseum in Dresden.
(Foto: imago/Robert Michael)

Ihre sportliche Laufbahn begann Karin Enke mit vier Jahren als Eiskunstläuferin des SC Einheit Dresden, schaffte es 1977 zum neunten Platz bei der EM in Helsinki. Wegen Wachstumsproblemen wechselte sie ein Jahr später zu den Eisschnellläufern. Mund führte sie in kurzer Zeit in die Weltklasse. Auffallend war schon früh ihr ästhetischer und perfekt abgestimmte Laufstil, der Kraft und Schnelligkeit vereinte. So lief sie sich schnell auch in die Herzen der verwöhnten Eisschnelllauf-Fans in den Niederlanden.

Karin Enke räumt bei Olympia 1984 in Sarajevo vier Medaillen ab

Nach dem ersten WM-Titel und Olympia-Sieg 1980 im Sprint beherrschte sie in den folgenden Jahren die Weltspitze. Hätte es schon damals Einzelstrecken-Weltmeisterschaften gegeben, wäre ihre Medaillensammlung um einiges größer. Sie stellte zehn Weltrekorde auf und durchbrach 1986 über 1500 Meter als erste Frau der Welt die Zwei-Minuten-Schallmauer. Erst 1997 wurde diese Bestmarke dank der neu entwickelten Klappschlittschuhe übertroffen.

Dreifacherfolg für die DDR bei Olympia 1998 in Sarajevo: Karin Enke (Platz 2), Olympiasiegerin Andrea Schöne und Gabi Schönbrunn (Platz 3) während der Siegerehrung (v.l.n.r.),
Dreifacherfolg für die DDR bei Olympia 1998 in Sarajevo: Karin Enke (Platz 2), Olympiasiegerin Andrea Schöne und Gabi Schönbrunn (Platz 3) während der Siegerehrung (v.l.n.r.),
(Foto: imago/Sven Simon)

Mit je zweimal Gold und Silber erlebte sie 1984 in Sarajevo ihre olympische Sternstunde, vier Jahre später in Calgary fühlte sie sich mit zweimal Silber und einmal Bronze eher als Verliererin, weil die Hoffnungen andere waren. Nach dem WM-Titel im gleichen Jahr beendete sie ihre sportliche Laufbahn, wurde 1991 als erste Eisschnellläuferin für ihr Lebenswerk mit der „Jacques Favart Trophy“ geehrt.

Das alles aber liegt für sie „unendlich weit zurück“, wie sie betonte. „Alles war gut für den jeweiligen Zeitpunkt. Trotz mancher Fehler würde ich nichts wesentlich anders machen“, meinte Enke, die ihr rastloses Leben in Abschnitte einteilt. Sportlerin, Mutter und Hausfrau, Studentin, Berufstätige und inzwischen Chefin einer GmbH mit siebzig Mitarbeitern.

Karin Enke: Studienabschluss in Erziehungswissenschaften „nachhaltiger“ als sportliche Erfolge

„Zu den verschiedenen Abschnitten haben auch verschiedene Partner gehört“, sagte sie. Und verschiedene Nachnamen, die mit den Hochzeiten einhergingen. Erst mit ihrem vierten Ehemann Peter Mayer-Enke, einem Österreicher, fand sie ihr großes Glück.

Er animierte die ausgebildete Kosmetikmeisterin dazu, noch ein Studium der Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Sozialpädagogik zu beginnen. Nach nur vier Jahren schloss sie es mit dem Diplom ab und startete bei einer gemeinnützigen Gesellschaft neu durch.

Während sie im Eisschnelllauf von Erfolg zu Erfolg lief, wurde ihr erst später bewusst, „dass mich der Sport zu einer gewissen Unselbstständigkeit erzogen hat und dass Leben vor allem Problembewältigung bedeutet. Deshalb war für mich der Studienabschluss viel bedeutsamer, nachhaltiger als der sportliche Erfolg“, sagte die rückblickend. Die Herausforderungen und die Erfahrungen im Beruf haben mich in den vergangenen 15 Jahren als Mensch und Persönlichkeit reifen lassen. Ich bin gelassener, selbstsicherer geworden.“

Durch ihren heutigen Ehemann fand die schon immer kunstinteressierte Frau auch zum Theater und dem Förderverein des Dresdner Staatsschauspiels, bei dem sie inzwischen stellvertretende Vorsitzende ist. (Astrid Hofmann, dpa)