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Skispringen Skispringen: Sieg von Richard Freitag bestätigt Konzept des DSV

Von Jörg Winterfeldt 05.01.2015, 17:36
Er zeigt, dass aus Talent Weltklasse werden kann: Richard Freitag, der Sieger von Innsbruck
Er zeigt, dass aus Talent Weltklasse werden kann: Richard Freitag, der Sieger von Innsbruck AP Lizenz

Bischofshofen - Es war durchaus ein seltsamer Eindruck, den Richard Freitag, 23, in Innsbruck hinterließ. Die Fachleute schwärmten nach seinem Sieg im vorletzten Springen der Vierschanzentournee von der Perfektion seines Fluges und der Eleganz seiner Haltung. Die Deutschen freuten sich, dass endlich mal einer die Erfolglosigkeitssträhne bei der Tournee beendet hatte. Und Freitag ergötzte sich beinahe mehr am Ambiente, der Stimmung im Stadion, als an seiner feinen Vorstellung.

Disziplinierter hat selten ein Innsbruck-Sieger seinen Überschwang versteckt, wenn der denn da war. Statt den Kollegen einen auszugeben, erinnerte Freitag an die Fortsetzung der Tournee am Montag in Bischofshofen, wo er im Abschlussspringen zwölf Punkte gutmachen müsste, um noch Dritter der Tourneewertung zu werden. Die Feierlichkeit mit den Kollegen fiel so nüchtern aus wie Freitags Schilderung: „Mal fett einschlagen, einen High Five.“

Aufwärtstrend bestätigt

Die Bosse des Deutschen Skiverbandes durften Freitags Innsbrucker Kunststück weit überschwänglicher zur Kenntnis nehmen. Ein knappes Jahr nach dem Olympiagold der Mannschaft in Sotschi bestätigte es den stetigen Aufwärtstrend, den sie sich 2008 aus der Anstellung des Österreichers Werner Schuster als Bundestrainer erhofft hatten. Von ihm hatten sie sich die grundsätzliche systematische Neuausrichtung erhofft, mit dem Ziel, in absehbarer Zeit zuverlässig Siegspringer im Weltcup feiern zu können. Debütierte Severin Freund, 26, der zweite Podiumskandidat des DSV, im Winter vor Schusters Anstellung, so darf Freitag als eine der ersten Entdeckungen des Österreichers gelten. „Die Goldmedaille von Sotschi hat uns definitiv weitergeholfen, indem sie uns gezeigt hat, dass wir, wenn wir am Tag X alles unsere sieben Sachen beieinander haben, wir die Besten der Welt sein können“, schwärmt Horst Hüttel, Sportlicher Leiter Skisprung und Nordische Kombination im DSV.

Für den Verband zählt die doppelte Signalwirkung der Ära Schuster: Zum einen die Erfolge, zum anderen die Möglichkeit, als jüngerer Springer in die erste Linie nachrücken zu können. Früher pflegten die Koryphäen vergangener Tage von Martin Schmitt über Michael Uhrmann bis zu Georg Späth dem Nachwuchs die Aufstiegschance relativ hartnäckig zu verbauen. Unter Hüttel und Schuster gewinnt der Verband das Interesse des Nachwuchses nun zahlreicher, darf dort mehr Erfolge feiern und eine bessere Aufstiegschance signalisieren. „Die Herausforderung ist, dass man ein System schafft, in dem diese Jungen sich entsprechend ihres Leistungsstandes entwickeln können, auf der richtigen Wettkampfebene sind und, dass sie nicht die Geduld verlieren“, sagt der Cheftrainer Schuster, „und dass sie im System soweit Fuß fassen können, dass sie einerseits kämpfen lernen müssen, aber andererseits genug Support kriegen, dass sie nach oben kommen können.“

Weil sie im Verband erkannt haben, dass sie die Kinder entweder für das Skispringen gewonnen haben, bevor sie zehn Jahre alt sind, oder sie für immer verloren haben, werden inzwischen mit Hilfe der Vereine und Landesverbände viele Anreize geschaffen, mit dem Skispringen zu beginnen.

Schule oder Skisprung

Seit drei Jahren greift das Konzept „Auf die Plätze, fertig, Ski“, das sich der Nachwuchschef Sepp Brunner überlegt hat. Der Erfolg beruht neben den motivierten Kindertrainern auf einer todsicheren Verlockung: In den Schulen der Stützpunktgebiete wird ein Schnuppertag ausgeschrieben. Sechs, sieben Jahre alte Kinder dürfen zwischen dem 1. und 15. November ankreuzen, ob sie an einem Tag zwischen dem 1. und 15. Dezember lieber in die Schule oder zum Skispringen gehen wollen. Überraschenderweise ist der Zulauf zum Skisprung riesig.

Der DSV verfügt über acht Ausbildungszentren: In Bayern Oberstdorf und Berchtesgaden, in Thüringen Oberhof, in Sachsen Oberwiesenthal und Klingenthal, in Baden-Württemberg Hinterzarten, in Hessen Willingen-Winterberg und das Nachwuchsleistungszentrum Bad Freienwalde 65 Kilometer nordöstlich von Berlin, das zehn Meter über Meereshöhe liegt. „An manchen Stützpunkten“, sagt Hüttel, „laufen die Kinder uns die Bude ein, da merkt man, dass die Faszination Skisprung voll lebt.“

Die gewachsene Nachfrage schlägt sich inzwischen auch in den Erfolgen nieder. Im vorigen Jahr haben die Deutschen im Schüler-Grand-Prix des Weltskiverbandes Fis alle Klassen gewonnen bei den 12- und 13-Jährigen, in der dritten Kategorie, dem Alpen-Cup, haben die Nachwuchsspringer des DSV im Alter von 16, 17 Jahren ebenfalls die Wertung gewonnen. Sie alle wollen werden wie Richard Freitag.