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Sanktionen RB Leipzig: Sanktionen für U19-Nationalspieler Vitaly Janelt und Idrissa Touré nach vermeintlichem Hotelbrand

Von Ullrich Kroemer und Martin Henkel 27.10.2016, 09:00

Leipzig - Vitaly Janelt und Idrissa Touré sind an diesem Morgen wieder zum Dienst erschienen. Pünktlich, um sieben Uhr. Doch die 18 Jahre alten Nachwuchsspieler von RB Leipzig stehen zu dieser frühen Stunde nicht etwa auf dem Trainingsplatz, sondern müssen in der Kindertagesstätte Tarsius im Leipziger Zentrum ran. Bereits seit Montag vergangener Woche müssen die zwei jungen Fußballer hier acht Stunden täglich Sozialarbeit ableisten. „Bis auf Weiteres“, sagt ein RB-Sprecher. Die Kita-Leiterin, Sabine Lucks, bestätigt die Anwesenheit der zwei jungen Männer: „Ja, die sind hier bei uns.“

Das Ableisten von Sozialstunden ist im deutschen Jugendstrafrecht eine beliebte Maßnahme, um Schuld zu sanktionieren. 80 Sozialstunden etwa, also 14 Tage Dienst, sind für straffällig gewordene Jugendliche ein durchaus übliches Strafmaß - für Vergehen wie DrogenhandelTierquälerei oder gewalttätige Attacken. Davon sind Janelt und Touré weit entfernt, auch wenn der bereits abgeleistete Stundensatz anderes vermuten lässt. Doch hat kein Jugendrichter die Sühnearbeit angeordnet, sondern ihr Klub und Arbeitgeber RB Leipzig. Der verhängte nicht nur Sozialstunden, sondern auch eine empfindliche Geldstrafe, den Rausschmiss aus dem Internat im Leistungszentrum am Cottaweg und die vorübergehende Ausgliederung aus dem regulären Spiel- und Trainingsbetrieb ihrer Teams. Bis auf Weiteres.

Ralf Rangnick: „Relativ drastische Maßnahmen”

Der Grund für die harten Sanktionen findet sich in einer ganzen Ansammlung angeblicher Vergehen, die ihren Höhepunkt auf einer Reise der deutschen U-19 zu einem EM-Qualifikationsturnier nach Albanien fanden. Von dort mussten die beiden Kicker auf eigene Kosten vorzeitig wieder abreisen, weil sie eine Shisha-Pfeife auf ihrem Zimmer geraucht haben sollen, die Feuer fing und das Zimmer in Brand steckte. Ein Eklat. „Feuer im Hotel” titelte die Bild-Zeitung, andere Medien zogen nach und zitierten aus dem Bericht des Boulevardblatts. Auch die Mitteldeutsche Zeitung. Eine Hotelangestellte, so die Bild en detail, habe das Feuer entdeckt. Von einem „Übergreifen auf andere Teile der Etage” war die Rede.

Die Raucherei aus der orientalischen Pfeife samt Brand-Gerücht brachte bei den Funktionären von RB wohl das Fass zum Überlaufen. Sportdirektor Ralf Rangnick erklärte im Nachgang bei Sky, das Duo sei bereits in der Vergangenheit auffällig geworden. Janelt und Touré seien „Spieler, die bei uns schon ein bisschen was auf dem Kerbholz haben”. Die „relativ drastischen Maßnahmen” erklärte Rangnick mit den Worten: „Wir haben es in der Vergangenheit auf verschiedene Art und Weise versucht, das hat alles nichts bewirkt.” Also ab in die Kita. Und abschrecken. Bei einer Ansprache im Internat prangerte Rangnick das Verhalten von Touré und Janelt vor den anderen Nachwuchskickern an. „Wir haben den anderen Spielern auch gesagt, was wir bei RB von ihnen erwarten", sagte Rangnick.

Öffentliche Brandmarkung von Janelt und Touré

Es ist keine Überraschung, dass Teenager über die Stränge schlagen, auch Profifußballer, von den oft verlangt wird, vernünftiger zu sein, als das ihre Persönlichkeit bereits zulässt. Es ist auch keine Überraschung, dass die Bild-Zeitung nicht unbedingt mit Augenmaß, sondern vor allem mit jeder Menge Fantasie die Brand-Geschichte veröffentlicht hat. Und es verwundert auch kaum, dass RB sanktionierend eingriff – gutes Recht des Klubs.

Aber Geldstrafe, Akademie-Rausschmiss und Kita-Sozialstunden? Stimmt da die Balance? Bei ihrem ersten Tag in der Kita der Rahn-Schulen beispielsweise, mit denen RB seit 2014 kooperiert, wurden Touré und Janelt nicht nur von Frau Lucks empfangen. Sondern auch von einem Fotografen der Bild. Eine öffentliche Brandmarkung, die für die weiteren Karrieren der Talente aus Berlin und Hamburg weit schädlicher sein könnte, als ein paar Arbeitstage in der Kita.

Ein Feuer hat es im Hotel nicht gegeben

Und all das für eine Geschichte, die offenkundig gar nicht so stattgefunden hat, wie sie die Bild und Nachahmermedien schilderten. Wie mehrere Quellen der MZ versicherten, soll es in der Unterkunft der DFB-Junioren keineswegs einen Brand gegeben haben. Sondern lediglich ein Brandloch im Teppich. Und selbst dieses steht zur Debatte. Der Manager des betreffenden „Tropikal Resort“ in Durrës an der albanischen Mittelmeerküste, wo die U-19 ihr zweites Spiel gegen Irland austrug, versicherte auf Anfrage der MZ, dass er von keinem Brandloch wisse - und von einem Brand schon gar nicht. „Die deutschen Fußballer hatten alle eine schöne Zeit bei uns. Wir hatten keine Klagen“, sagt er.

Was also hat RB dann so sehr auf die Palme gebracht. Ein Sprecher des DFB erklärte, die Heimreise sei erst nach Absprache mit den Leipzigern erfolgt. Und bei der U-19 hätten sich Touré und Janelt zuvor nichts zu Schulden kommen lassen.

Wie die MZ erfuhr, handelt es sich bei den übrigen Verfehlungen um zu spätes Erscheinen beim Training, fehlende Präsentationskleidung bei Spielen - und eine Pizzabestellung auf das Internatszimmer. Vor allem Letzteres soll den ernährungsbewussten Rangnick besonders wütend gemacht haben, berichten Insider.

Stimmt die Verhältnismäßigkeit der harten Strafen

Jenseits von Schuld und Sühne hat die Bestrafung der zwei Junioren freilich auch eine arbeitsrechtliche Relevanz, auch wenn keiner der Beteiligten an einer Eskalation der Lage interessiert scheint und der Verein versichert, die Sache sei intern abgehakt. Was auch immer das für zwei Profis bedeutet, die erst vor kurzem mit Verträgen ausgestattet wurden und als potenzielle Kandidaten für eine Bereicherung des A-Kaders galten. Bis dato.

Ulf Baranowsky von der Spielergewerkschaft VDV mag sich zu dem komplexen Einzelfall nicht  äußern. Grundsätzlich sei aber zu berücksichtigen, so der VDV-Geschäftsführer, „dass Sanktionen gegen Arbeitnehmer nur im Rahmen der arbeitsvertraglichen Vereinbarungen und der geltenden Gesetze zulässig sind”. Gerade bei den Themen Vertragsstrafen und Recht auf Teilnahme am Mannschaftstraining könnten sich Fußballprofis „auf eine starke Rechtsposition berufen”.

Beteiligte BVB-Spieler Passlack und Burnic: „Beide sind Musterprofis“

Interessant in dem Zusammenhang ist auch, wie vor allem ein zweiter deutscher Profiklub mit dem Fall umgeht. Denn nicht nur Spieler von RB sollen in den Shisha-Vorfall verwickelt sein. Sondern auch zwei Auswahlkicker von Borussia Dortmund. Neben Janelt und Touré waren wohl die BVB-Spieler Felix Passlack und Dzenis Burnic beteiligt. Die beiden Dortmunder sollen die Shisha-Pfeife sogar mitgebracht haben.

Der BVB dementiert das nicht. Auf MZ-Anfrage teilte ein Sprecher mit: „Wir haben mit beiden Profis, die wir schon sehr lange kennen, gesprochen und keinen Grund, an ihrem Charakter zu zweifeln. Beide sind absolute Musterprofis und haben sich im gesamten Jugendbereich noch nie etwas zu Schulden kommen lassen.”

RB Leipzig: „Lassen nicht zu, dass Disziplinlosigkeiten ohne Folgen bleiben”

Am Cottaweg ist man von solcher Nonchalance weit entfernt. RB Leipzigs Nachwuchschef Frieder Schrof ließ mitteilen: „Wir haben ganz klare Regeln und Werte, die wir leben und für die wir auch konsequent stehen. Daher werden wir es auch nicht zulassen, dass die sonst sehr guten Akademie-Abläufe durch solche Disziplinlosigkeiten beeinträchtigt werden und ohne Folgen bleiben.” 

Wie es nun weitergeht mit Vitaly Janelt und Idrissa Touré, ob beide noch eine Chance im Profikader bei RB und der U19 des DFB haben, wann sie wieder in ihren Teams trainieren können und wo sie künftig wohnen, ist derzeit unklar. Am vergangenen Wochenende hatte Rangnick gesagt: „Ich hoffe, sie ziehen die richtigen Schlüsse daraus und verhalten sich so, wie man sich heutzutage als Profi zu verhalten hat.” Und bis das so weit ist, trainieren beide individuell und tun eben weiter Buße in der Kita. (mz)

Die RB-Youngster Vitaly Janelt (l.)und Idrissa Touré
Die RB-Youngster Vitaly Janelt (l.)und Idrissa Touré
Imago
Die RB-Youngster Vitaly Janelt (l.)und Idrissa Touré
Die RB-Youngster Vitaly Janelt (l.)und Idrissa Touré
Imago