Zwei Zu-Null-Siege RB Leipzig: "Back to the roots"-Taktik bringt RBL neuen Schwung

Leipzig - Rani Khedira war bei seiner Rückkehr nach Leipzig einigermaßen perplex. Direkt nach dem 2:0 (1:0)-Erfolg von RB Leipzig gegen Khediras neuen Verein FC Augsburg verstieg sich der defensive Mittelfeldspieler zu einer Stilkritik an seinem Ex-Klub.
RB Leipzig, so Khedira, habe „überhaupt keinen Spielaufbau gemacht, sondern die Bälle nur lang auf Poulsen gespielt, um auf die zweiten Bälle zu gehen. Ich weiß nicht, ob man das zu Hause gegen den kleinen FC Augsburg machen muss.”
Khediras Kritik am Leipziger Spielstil
Angesichts der Tatsache, dass RB am Freitagabend eines seiner besten Heimspiele in dieser Saison absolviert hatte, während Augsburg wenig Lösungen parat hatte, wirkte die Kritik etwas drollig. Doch die Aussagen zeigen, wie überrumpelt die Gäste vom Matchplan der Leipziger waren, dem Trainer Ralph Hasenhüttl die Überschrift „Back to the roots” gab.
„Die Herangehensweise war, sie tief zu empfangen, fast an der Mittellinie”, erläuterter der Chefcoach hernach. „So tief sind wir in einem Heimspiel noch nie gestanden. Wir wollten uns selbst Raum schaffen, um in unser Umschaltspiel zu kommen.” So hatte Augsburg in der ersten Hälfte sogar teilweise 55 Prozent Ballbesitz, wusste aber nicht viel damit anzufangen.
RB Leipzig: Neue Taktik freut vor allem die Abwehrspieler
Das RB-Spiel hingegen wirkte wie ein Déjà-vu der vergangenen Saison: kompakte Abwehr, aggressive Balleroberungen, schnelles Umschalten – auch mit flachen Bällen – mit jeder Menge Platz hinter der gegnerischen Viererkette.
Stürmer Timo Werner war zwar nicht vollends zufrieden mit seiner Leistung, weil er eine Handvoll guter Gelegenheiten vergab, aber so zahlreich wie gegen Augsburg – elf Mal – hatte er lange nicht aufs Tor geschossen. „Er hat sehr viele Laufwege gemacht, viel gearbeitet gegen den Ball”, lobte Hasenhüttl. „Auch wenn er nicht getroffen hat, war es ein gutes Spiel von ihm.”
So wirkten vor allem die Defensivspieler wie Willi Orban oder Torschütze Dayot Upamecano erleichtert ob der neuen, alten Effektivtaktik, die mehr Kompaktheit in das sensible Gefüge zurückbrachte. Auch bei Standards.
„Wir haben umgestellt, sind viel griffiger und schärfer darauf, den Ball zu klären”, geriet Orban regelrecht ins schwärmen. „Wir sind jetzt mental anders darauf eingestellt. Wir freuen uns jetzt auf Eckbälle des Gegners und sehen das als Chance, einen gegnerischen Eckball zum Konter zu machen. Das ist die Mentalität, die wir brauchen, um auch weiterhin zu Null zu spielen.”
Die beste Medizin für den Patienten RB Leipzig
Doch Trainer Hasenhüttl betrachtet die Abkehr vom lange stur praktizierten Ballbesitzspiel eher wie eine Medizin, die der Patient RB Leipzig im Winter brauchte. „Wir haben insgesamt in den vergangenen Spielen etwas tiefer gestanden und tiefere Ballgewinne provoziert, weil wir für schönes, attraktives Offensivspiel nicht immer so belohnt wurden, wie wir uns das erhofft hatten”, gestand Hasenhüttl ein. „Da ist es logisch, dass man auch mal wieder einen Schritt zurückmacht – back to the roots. Es ist vielleicht nicht so offensiv im Moment, aber sehr effektiv.”
Ein Schritt zurück nach vorn also. Denn gerade gegen den mächtigen Europa-League-Gegner SSC Neapel werden eher die RB-Grundtugenden gefragt sein als dominantes Kombinationsspiel. Auf Sicht, das ist nicht nur Hasenhüttls feste Überzeugung, muss RB den Wechsel zwischen Ballbesitz- und Konterspiel virtuoser beherrschen, um zu einem Spitzenteam zu reifen.
„Es ist der letzte und schwere Schritt in der Entwicklung einer Mannschaft, sich mit Ballbesitz durchzusetzen”, gab der Fußballlehrer zu. Doch durch die Abkehr vom Dogma Ballbesitzfußball ist der Bundesliga-Zweite taktisch bereits aktuell weniger ausrechenbar.
Orban prophezeit Werner-Tor gegen Neapel
Seinem Team jedenfalls hat die Defensiv-Kur mit zwei Zu-Null-Siegen hintereinander äußerst gut getan. Selbstbewusst kündigte Orban vor dem Auftritt beim Spitzenreiter der italienischen Serie A an: „Wir trauen uns zu, auch in Neapel zu Null zu spielen. Vielleicht nehmen wir ein 0:0 mit, vielleicht hauen wir noch einen rein.”
Orban prophezeite, dass Timo Werner „sein Tor, das er heute nicht gemacht hat”, erzielen werde. „Wir brauchen uns nicht zu verstecken, auch nicht vor Neapel”, so Orban. Ohne allzu großen Erfolgsdruck gegen den Favoriten betrachten die Leipziger die Italienreise auch als Standortbestimmung. „Das ist eine gute Chance für uns zu sehen, wie weit wir schon sind”, sagte Torhüter Peter Gulacsi.
Und Orban ergänzte: „Auf dem Niveau Fußball zu spielen, ist Gold wert für unsere Mannschaft.” Das Ziel: Napoli taktisch ähnlich zu überrumpeln wie Rani Khedira und den FC Augsburg. Durch einen Schritt zurück nach vorn. (mz)