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Neues Buch Neues Buch über RB Leipzig: Eigenwillige Geschichten von Auswärtsfahrten

Von Alexander Schierholz 27.10.2017, 08:00
Autorin Jenny Richter in der Red Bull Arena.
Autorin Jenny Richter in der Red Bull Arena. Stedtler

Leipzig - Auf die Frage, was sie an Fußball fasziniere, antwortet Jenny Richter mit einem Buchtitel: „Das Leben in 90 Minuten“, ein Band des Berliner Philosophie-Professors Gunter Gebauer. Erfolg und Misserfolg, hinfallen und wieder aufstehen, bejubelt und angefeindet werden, sich selbst verwirklichen und grandios scheitern - der Fußball als Metapher des Lebens.

Das ist so einleuchtend wie unspektakulär, weshalb die Geschichte an dieser Stelle schon zu Ende sein könnte, bevor sie angefangen hat. Wenn Jenny Richter, 52, Abteilungsleiterin im Leipziger Sozialamt, nicht selber ein Buch geschrieben hätte, darüber, wie der Fußball ihr Leben umgekrempelt hat.

Neues Buch: „Meine Reise mit RasenBallsport Leipzig“

Das Buch heißt „Meine Reise mit RasenBallsport Leipzig“ (Hier bei Amazon kaufen), eher ein Büchlein, 144 Seiten, auf denen es weniger um Fußball geht als vielmehr um das Drumherum. RB Leipzig also, der als Retortenclub geschmähte deutsche Vizemeister, erst seit einem Jahr in der Bundesliga. Das Buch ist eine Art Reiseführer zu den Austragungsorten der Auswärtsspiele der letzten Saison.

Die Partien aber beschreibt Richter oft nur in wenigen Sätzen oder Absätzen. Stattdessen offenbart sie einen sehr eigenwilligen Blick auf die Orte des Geschehens: Wie sie auf dem Weg zum Hoffenheim-Spiel eine kuriose Hinweisschilder-Kombination in Sinsheim entdeckt. Wie sie sich in Wolfsburg verläuft und zwischen den Zäunen verheddert, die das VW-Werk umgeben. Wie sie darüber staunt, wie dicht der Kölner Hauptbahnhof am Dom liegt („Welcher Stadtplaner hat sich das ausgedacht?“). Das ist oft schräg, manchmal nachdenklich, immer unterhaltsam.

Jenny Richter: Unterwegs auf Auswärtsfahrt mit RB Leipzig

Warum ein Buch? Warum so? Eigentlich, sagt Jenny Richter, war der Band nur für Freunde gedacht, als Geschenk. Und natürlich für sie selber. „Was man nicht aufschreibt“, sagt sie, „ist irgendwann weg, man erinnert sich nicht mehr daran.“ Und weil sie sowieso gerne fremde Städte entdeckt, stand das Konzept schnell fest.

Hoffenheim, Köln, Wolfsburg, Bremen, das sind so die Orte, in denen Jenny Richter die meisten ihrer Wochenenden verbringt, immer auf den Spuren von RB. Ein Leben auf der Schiene, am Bahn-Schalter, im Hotel, im Stadion. Klar, könnte man denken, Fans machen das halt so, ihrer Mannschaft hinterherreisen. Bloß, dass Jenny Richter lange gar nichts mit Fußball am Hut hatte.

Wie die Dassauerin Jenny Richter zum Fußball kam

Es fängt, wie so oft im Leben, ganz harmlos an, in den 1960er und 1970er Jahren in Dessau, wo sie geboren ist. Bis auf sie und ihre Schwester nur Jungs im Haus, und damit: Fußball, den ganzen Tag Fußball. „Wenn ich mit denen spielen wollte, musste ich halt mitkicken“, erinnert sie sich. Also kickt sie mit, im Hinterhof.

Nicht nur diese Bilder hat sie heute noch im Kopf, auch dieses: WM ’74, 22. Juni, Hamburg, Volksparkstadion, die Deutsche Demokratische Republik gegen die Bundesrepublik Deutschland. Der Magdeburger Jürgen Sparwasser schießt die DDR zum 1:0-Sieg. „Unsere ganze Familie hat vorm Fernseher gesessen und ist vor Begeisterung vom Sofa hochgesprungen!“

RB Leipzig entfacht die Fußball-Leidenschaft bei Jenny Richter neu

Von da an ist Fußball für Jenny Richter vor allem ein TV-Ereignis, das Kicken mit den Nachbarjungs im Hinterhof stellt sie irgendwann ein. Sie macht Abi, geht 1983 zum Soziologie-Studium nach Leipzig. Als 1989 ihr Sohn geboren wird, erlahmt ihr Interesse am Fußball. Vorübergehend, wie sich zeigen wird. Ihr Sohn übrigens ist heute Bayern-Fan.

Vor ein paar Jahren dann geht es Jenny Richter so wie vielen in Leipzig. Die Stadt, in der vor 117 Jahren der Deutsche Fußballbund gegründet wurde, ist mit RB auf dem Weg zurück zu alter Größe im Fußball. So ist der Plan, und so kommt es dann ja auch. Und plötzlich ist Jenny Richters Interesse wieder erwacht. Sie verfolgt aufmerksam, was da passiert. Irgendwann, RB spielt in der 3. Liga, nimmt ein Freund sie mit ins Stadion. Gegen wen es an diesem Tag geht, weiß sie nicht mehr. Egal, „von da an war ich angefixt“.

Jenny Richter geht emotional an den Fußball ran

„Dabei“, sagt sie, „habe ich von Fußball gar keine Ahnung.“ Gut, sie hat ein paar Taktik-Bücher gelesen, „aber ich gehe da eher emotional ran“. Ihr Motto: Hauptsache, Spaß haben!

Zum Fototermin in die Red-Bull-Arena kommt sie im schwarzen Top, mit Jeans und grauer Strickjacke. Einziges Fan-Utensil: der Schal. „Im Auto habe ich immer einen dabei, vielleicht braucht man ihn ja mal unterwegs.“ Prädikat: unspektakulär, unaufgeregt. So wie die vielen Familien, die regelmäßig zu RB ins Stadion pilgern, Fußball als Familienfest. Das ist es, was sie mag an RB: „Die Festivalstimmung, da ist in Leipzig ein neues Wir-Gefühl entstanden.“ Der Lokalpatriotismus ist nicht zu überhören.

Was sie dagegen nervt: Die Das-ist-doch-gar-kein-richtiger-Verein-Debatte. Auch im Buch kommt dieses Thema kaum vor, sie schreibt: „Es wird nicht auf die Millionen des Herrn Mateschitz (Chef des Getränkeriesen Red Bull und RB-Gründer, d. Red.) eingegangen und auch das Wort ,Tradition’ findet der geneigte Leser nur vereinzelt.“ Jenny Richter findet: „Dazu ist alles gesagt.“ Feierabend.

RBL-Fan Jenny Richter: Der Lebenpartner akzeptiert das Hobby

In Leipzig geht sie oft mit einer Handvoll Freunde zum Spiel, die sie erst durch den Fußball kennen gelernt hat. Klar, den alten Freundeskreis gibt es auch noch. Manche davon betrachten ihre wiedererwachte Fußball-Liebe belustigt, erzählt sie. „Du Verrückte, so etwas habe ich auch schon zu hören bekommen.“

Ihr Lebenspartner toleriert ihre zeitfressende Leidenschaft, kommt aber selten mit zu einem Spiel. Zu Auswärtspartien fährt sie meist allein, sie macht das gerne. „Für mich ist das ein Rausnehmen aus dem Alltag.“ Unterwegs allein mit sich und dem Fußball, später im Stadion zusammen mit anderen Fans.

Das Gespräch mit Jenny Richter findet am Vortag des Spiels in Hamburg statt, bei dem RB mit 2:0 als Sieger vom Platz geht. Sie fährt hin, klar. Aus dem Zug nach Hamburg schickt sie eine Nachricht: Sie hat sich am Bahnhof gerade die Kultur-Zeitschrift „Kursbuch“ gekauft, mit einem Artikel über Fußballsprache. Kopfball, sozusagen.

Das Buch: Jenny Richter: Meine Reise mit RasenBallsport Leipzig, Engelsdorfer Verlag, 144 Seiten, 12 Euro, erhältlich bei Amazon