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"RB gegen Celtic schaue ich im TV" Europa League: Ex-Leipziger Compper im neuen Klub ohne Rolle - "RB gegen Celtic schaue ich im TV"

Von Ullrich Kroemer 23.10.2018, 04:00
Seinen letzten Einsatz für RB Leipzig hatte Marvin Compper im Dezember 2017 im Champions-League-Heimspiel gegen Besiktas Istanbul.
Seinen letzten Einsatz für RB Leipzig hatte Marvin Compper im Dezember 2017 im Champions-League-Heimspiel gegen Besiktas Istanbul. imago/DeFodi

Leipzig/Glasgow - Marvin Comppers Situation ist kompliziert. Für seinen neuen Klub Celtic FC bestritt der 33-Jährige in gut neun Monaten bislang nur ein einziges Spiel. Für ein Interview vor dem Europa-League-Duell zwischen RB Leipzig und Celtic (Do., 18.55 Uhr) war Compper (82 Spiele für die Leipziger) dennoch sofort bereit.

Marvin Compper, wie geht es Ihnen nach einem dreiviertel Jahr in Glasgow?
Marvin Compper: Privat haben wir uns super eingelebt. Wir haben ein bisschen außerhalb von Glasgow ein Haus gemietet, von dem wir auf ein wunderschönes Panorama blicken: hinter einem Fluss beginnt eine hügelige Landschaft. Das ist wirklich idyllisch. Auf dem Weg zur Arbeit kann ich täglich meinen Sohn in der Schule absetzen. Das passt alles. Glasgow selbst ist eine Arbeiterstadt, hat einen rauen Charme, der mir gefällt. Das Westend zum Beispiel ist ein hippes Studentenviertel, in dem man gut essen gehen kann.

In der schottischen ,Sun’ haben Sie gesagt, dass Sie sich zunächst an die neue Kultur gewöhnen mussten. Was meinen Sie?
Compper: Man braucht immer eine Zeit, um sich einzugewöhnen. Es war in Italien eine Umstellung, als ich nach Florenz gewechselt bin, und man braucht auch hier eine gewisse Zeit, um sich einzuleben. Es ist eben eine andere Kultur, die einem in den Details erst im Laufe der Zeit bewusst wird.

Welche Details sind das?
Compper: Das fängt schon morgens an. In Deutschland ist es gang und gäbe, dass man jedem die Hand schüttelt. Hier begrüßt sich früh keiner mit Handschlag. Es ist noch nicht einmal selbstverständlich, dass man sich grüßt, wenn man einen Raum betritt. Aber das ist nicht unhöflich gemeint, der Umgang zwischen den Menschen ist einfach anders. Daran muss man sich anpassen.

Wie haben Sie die Schotten kennengelernt?
Compper: Die Menschen hier in Schottland sind extrem hilfsbereit. Nicht nach dem Motto „Eine Hand wäscht die andere”, sondern die Hilfe kommt wirklich von Herzen. Dafür verlangen die Menschen nichts zurück, das machen sie gern. Das ist stärker ausgeprägt als in Deutschland.

Die Rivalität zwischen dem katholischen Celtic und den protestantischen Rangers ist legendär und sogar religiös aufgeladen. Was bedeutet es, zu Celtic zu gehören?
Compper: Religion spielt gar keine Rolle mehr. Das war vor 20, 30, 40 Jahren ein Thema. Heute ist es völlig egal, an was man glaubt oder woher man kommt. Aber die Menschen gehören hier entweder zum einen oder zum anderen Lager. In diese Rivalität wird man reingeboren. Es gibt zwar auch Freundschaften zwischen den beiden Lagern, aber die ruhen in den Wochen rund um das ,Old Firm’ (Glasgower Derby, Anm. d. Red.). Dieses Derby ist für die Menschen hier unglaublich wichtig, das ist dann das bestimmende Thema in der Stadt. Dieses Duell hat sogar eine noch größere Dimension als Schalke gegen Dortmund.

Welches Erlebnis mit den Fans ist Ihnen in Erinnerung geblieben?
Compper: Celtic hat weltweit zehn Millionen Fans. Fast jeder irischstämmige Mensch ist Celtic-Fan. Dementsprechend gibt es eine unheimliche Fan-Basis, die uns überall auf der Welt begleitet. Als wir etwa zum Trainingslager in Dubai waren, kamen plötzlich 200 bis 300 Fans vorbei.

Wie nehmen Sie die Atmosphäre im legendären Celtic-Park wahr?
Compper: Gerade die Flutlichtspiele sind einzigartig. Sowas habe ich noch nie erlebt und das wird auch für einige Leipziger Spieler etwas sein, was sie so noch nicht kennen. Das lässt sich auch nicht mit Dortmund vergleichen. Wenn es beim BVB mal nicht so läuft, ist das Stadion und auch die Gelbe Wand schnell kritisch und unterstützt dann nicht mehr so lautstark. Das ist bei Celtic anders. Hier stehen die Menschen auf und applaudieren, wenn du mit einer Grätsche zum Einwurf klärst. Diese permanente Interaktion zwischen Spielern und Fans, Fans und Spielern geht wirklich 90 Minuten lang. Das ist die beste Stimmung, die ich in meiner Karriere erlebt habe. Das einzige, was jetzt noch fehlt, sind Spielzeiten für mich.

Bisher erst einen Einsatz: Warum? 

Sie hatten bislang erst einen einzigen Einsatz im März im Pokal. Warum?
Compper: Das erste halbe Jahr war schwierig. Alle drei Wochen hatte ich kleinere Blessuren und Verletzungen, die mich immer wieder aus dem Tritt gebracht haben. Deswegen war ich in dieser Zeit gar nicht wettbewerbsfähig. Aufgrund dieses ersten halben Jahres hatte mich der Trainer abgeschrieben. Er dachte, dass sich dieses Muster wiederholt und ich immer weiter verletzt sein würde.

Aber?
Compper: Ich habe im Sommer extra Arbeit verrichtet und mit einem Athletiktrainer und Physiotherapeuten zusammengearbeitet und ein Aufbauprogramm gemacht. Seit über zwei Monaten bin ich voll im Training, wieder komplett fit und gesund. Doch noch hat es sich nicht ergeben, dass ich eine Chance bekommen habe. Normalerweise wird der Tüchtige belohnt. Ich muss geduldig bleiben.

Woher rührten die vielen Verletzungen?
Compper: Als ich zu Celtic gewechselt war, war ich verletzungsanfälliger als die anderen. Das habe ich analysiert und gemerkt, dass hier physiotherapeutische Betreuung und gezieltes Athletiktraining weniger intensiv sind als bei RB. Ich musste mir erst individuell ein System aufbauen, mit dem ich zusätzliche Behandlungen organisiere. Seitdem ich das gemacht habe, läuft es richtig gut. Anhand der GPS-Daten sehe ich, dass meine Werte über dem Mannschaftsdurchschnitt liegen.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Trainer Brendan Rodgers?
Compper: Prinzipiell gut. Am Ende der Transferperiode hat er mir gesagt, dass er im Moment nicht wirklich mit mir plant. Das lag aber daran, dass er mich nie länger als drei, vier Wochen im Training dabei hatte. Ich verstehe das auch. Wie willst du mit einem Spieler planen, den du nie über einen längeren Zeitraum im Training zur Verfügung hast? Ich habe ihm gesagt, dass ich jetzt stabil und physisch auf der Höhe sein werde. Aber noch hat er noch nicht richtig gesehen, was ich der Mannschaft in fittem Zustand bringen kann.

Sind Einsatzchancen realistisch?
Compper: Ich bin in guter Verfassung, erhöhe den Druck im Training. Noch konnte ich den Trainer nicht überzeugen, merke aber anhand des Feedbacks von Mitspielern und Mitarbeitern des Trainerstabes, dass ich einem Einsatz näher komme. Denen fällt immer mehr auf, dass meine Qualitäten zum Vorschein kommen, weil ich gesund bin. Es ist eine Frage der Zeit, ich tue alles dafür, dass der Moment kommt, in denen ich eine Chance bekomme.

Der Kader ist mit 27 Feldspielern riesig. Ist ein Wechsel ein Thema?
Compper: Brendan Rodgers will den Kader ausdünnen, hofft, dass einige Spieler im Winter den Verein verlassen. Für mich ist das aber kein Thema. Ich habe hier für zweieinhalb Jahre unterschrieben und will meinen Vertrag erfüllen. Auf jeden Fall bis Sommer. Wenn ich bis dahin gar keine Rolle gespielt haben sollte, können wir immer nochmal schauen. Aber mein Wunsch ist es, meinen Vertrag zu erfüllen und Spiele zu absolvieren. Ich bin schließlich nach Glasgow gewechselt, um erleben zu dürfen, für diesen Klub auf dem Feld zu stehen.

Celtic hat ungewohnterweise schon sieben Punkte in der Liga liegen gelassen. Warum fiel der Saisonstart schwer?
Compper: Wir hatten ein paar Spieler bei der WM, mussten vor und während des Saisonstarts alle Quali-Runden in der Champions und Euro League absolvieren. Das waren acht zusätzliche Spiele. Da musste sich die Mannschaft erst einmal finden. Im Dezember und Januar wird man sehen, wozu das Team in der Lage ist.

Sie waren in dieser Saison noch nicht im Kader. Wie schwer fällt es, sich das von der Tribüne aus anzuschauen?
Compper: Ganz ehrlich? Es war schwieriger, bei RB vom Stammspieler in der Vize-Meistersaison zum Statisten degradiert worden zu sein, als hier auf der Tribüne zu sitzen. Das letzte halbe Jahr in Leipzig war wirklich hart, das hat in meiner Karriere eigentlich alles getoppt, was ich zuvor erlebt hatte. Hier war ich ja noch nie richtiger Bestandteil der Mannschaft. Wenn ich mal zeigen kann, was ich dem Team geben kann, bin ich überzeugt davon, dass ich Bestandteil der Rotation sein kann.

Was erwartet RB Leipzig in Glasgow?

Haben Sie darüber noch einmal mit Ralph Hasenhüttl oder Ralf Rangnick ausgetauscht?
Compper: Nein. Das ist passé und lässt sich auch nicht mehr rückgängig machen.

Celtic hat Sie gar nicht für das 43er-Aufgebot für die gesamte Europa-League-Saison gemeldet. Hart für Sie, in Glasgow bleiben zu müssen?
Compper: Ich schaue mir das Spiel im Fernsehen an. Natürlich ist es schade, logisch, wäre ich gern dabei gewesen. Aber ich habe schon von schlimmeren Einzelschicksalen im Fußball gehört. Eine schlimme Verletzung ist wirklich tragisch. Nicht, dass ich ein Spiel gegen RB verpasse.

Worauf muss sich RB gegen Celtic einstellen?
Compper: Wir versuchen auch, aggressives Pressing zu spielen, auch wenn uns das in dieser Saison noch nicht ganz so gut gelungen ist, und haben ein stabiles Passspiel. Auswärts haben wir uns zuletzt ein wenig schwer getan, haben mehr reagiert als agiert. Zuhause bringen wir 20 Prozent mehr Aggressivität, sind ungeschlagen und ein extrem schwerer Gegner.

Auf welche Spieler muss RB achten?
Compper: Unser Rechtsaußen James Forrest ist ein schneller, guter Eins-gegen-Eins-Spieler. Unser linker Verteidiger Kieran Tierney ist ein großes Talent, das von vielen Vereinen in Europa gejagt wird. Dedryck Boyata ist in der Innenverteidigung seit der WM in bestechender Form. Herzstück des Teams, Dreh- und Angelpunkt im Spiel ist Scott Brown. Und nicht zu vergessen Odsonne Edouard, ein junger Mittelstürmer, den wir aus Paris geholt haben und der gegen Salzburg getroffen hat. Den darf man nicht aus den Augen lassen. Vor dem Tor ist er eiskalt.

Gibt es spezielle Typen im Team?
Compper: (lacht) Scott Brown ist schon ein Typ für sich. Er ist der absolute Chef bei uns, geht als Klublegende und Kapitän immer voran. Er führt das Team nach dem Motto ,leading by example’. Er haut auch mal auf den Tisch, wenn es nötig ist, setzt den Strafenkatalog um und hat die Mannschaftskasse im Griff. Ein echter Leader alter Schule.  (mz)