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Paul Biedermann Paul Biedermann: Zum Nachttraining nach Belek

Von Petra Szag 07.06.2016, 18:11
Schwimmer Paul Biedermann.
Schwimmer Paul Biedermann. Imago

Halle (Saale) - Es war erst einmal nur die abgespeckte Variante. Gott sei Dank. „Die Trainingseinheiten heute sind einfach noch zu dicht dran an dem Wettkampf“, sagte Halles Schwimmtrainer Frank Embacher. Deshalb sollte sein Meisterschüler Paul Biedermann sich an diesem Dienstag noch nicht wieder voll belasten. Das Monaco-Rennen vom Sonntag steckte ihm noch in den Gliedern. Am Tag danach passierte außer der Rückreise aus dem noblen Auftaktort der Mare-Nostrum-Tour in das heimatliche Halle nicht viel.

Um wieder reinkommen in die bis ins Kleinste durchorganisierte Olympiavorbereitung hieß es am Morgen sechs Kilometer hin- und herschwimmen. Und am Nachmittag waren die Steigerungen fällig. Während sein Trainingspartner Michael Stöhner bei den sechs mal 200 Metern alles geben musste, durfte Biedermann es ruhiger angehen lassen, um sich dann alle 50 Meter zu steigern.

Aktuell Nummer vier der Welt

Keine Frage, der Meistertrainer und sein Weltrekord-Schwimmer sind ein eingespieltes Team. Und der Wettkampf am Wochenende hat beiden die Bestätigung gebracht, dass sie „auf einem guten Weg sind“, wie Embacher meint. „Mit den Zeiten, die Paul in Monaco geschwommen ist, bin ich mehr als zufrieden.“ Nach den 49,55 Sekunden zum Auftakt über 100 Meter Freistil hatte sich Biedermann in 1:46,71 Minuten den Sieg auf der doppelt so langen Strecke, seiner Parade-Disziplin, nicht nehmen lassen.

„Das ist die schnellste Zeit, die er jemals aus dem Training heraus geschwommen ist“, ordnete Embacher die Leistung ein. Dass Chinas Superstar Sun Yang sich nur wenige Stunden zuvor mit 1:44,82 Minuten an die Spitze der Jahresweltbestenliste katapultiert hat, registrierte sein Konkurrent aus Halle - natürlich. Biedermann selbst ist nun aktuell die Nummer vier mit seinen 1:45,45 Minuten von den deutschen Meisterschaften Anfang Mai.

Der 29-Jährige ist also mit den Olympiafavoriten auf Tuchfühlung. Und eine Sekunde, so hofft Embacher, kann in den nächsten Wochen auch noch herausgekitzelt werden. Dann würde Biedermann in dem Bereich schwimmen, in dem bei Olympia - wie die Experten sagen - die Medaillen wohl weggehen werden. Das zu wissen, macht die schwere Aufgabe leichter.

Dabei ist die Stimmung im Training ohnehin gut. Auch wenn die letzten zwei Wochen ziemlich einsam waren. Denn fast alle anderen SV-Schwimmer bereiten sich auf Fuerteventura auf ihre deutschen Jahrgangsmeisterschaften vor. Deshalb kommt das kurzfristig eingeschobene Trainingslager für Halles Olympia-Hoffnung gerade recht:

Ab 13. Juni probt er eine Woche lang mit Florian Vogel aus München und Christoph Fildebrandt (SSG Saar) im türkischen Belek nicht nur für die lange Freistilstaffel. Vordergründig geht es auch darum, sich den ungewöhnlichen Wettkampfzeiten von Rio de Janeiro anzupassen. Denn wegen der TV-Übertragung in die USA sind die Finals zu nächtlicher Stunde angesetzt. Nicht zuletzt für den Bio-Rhythmus ist das eine Herausforderung (MZ berichtete.)

Keine Wettkämpfe mehr vor Rio

Ein Meeting will Biedermann vor Rio nicht mehr bestreiten - im Gegensatz übrigens zu vielen seiner Kontrahenten. Am Mittwoch und Donnerstag beispielsweise duellieren sich Stars wie Olympiasieger Yannick Agnel aus Frankreich oder Japans Weltranglistenfünfter Kosuke Hakino in Canet.

Selbst die German Open Anfang Juli lässt Biedermann zugunsten seines Trainings aus. Als WM-Dritter des Vorjahres ist er von der zweiten Qualifikation der deutschen Schwimmer befreit worden.

Gute 2 000 Kilometer wird Biedermann in dem Trainingsjahr im Wasser zurückgelegt haben, wenn es am 18. Juli zur Zeitumstellung und Akklimatisierung Richtung Brasilien geht. Diesmal gab es keine Zwangspausen durch Verletzungen oder Erkrankungen. „Wir liegen im Plan“, bestätigt Embacher.

Und noch etwas sieht der Coach in der Vorbereitung auf den letzten großen Wettkampf seines Schützlings anders: „Ich empfinde ihn als nicht so belastet von außen. Diesmal muss Paul nicht irgendetwas erreichen. Es ist nicht mehr so, dass andere sagen: Der Zweite ist der erste Verlierer.“ Der enorme Druck ist also weg. Das hat ihn umgänglicher gemacht. Seinen Ehrgeiz hat er nicht verloren. „Paul ist zielorientiert, aber das Verbissene, das ,Du musst!’ ist nicht mehr.“ (mz)