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Paralympics in Pyeongchang Paralympics in Pyeongchang: Andrea Eskau ist die Unermüdliche

Von Julius Lukas 07.03.2018, 12:44
Am Sonntag verabschiedete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (links) Andrea Eskau.
Am Sonntag verabschiedete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (links) Andrea Eskau. Dbs-Akademie Ggmbh

Pyeongchang - Die größten Sorgen bereitet Andrea Eskau der Schlaf. „Vor einem Jahr habe ich in Pyeongchang richtig gelitten“, sagt die paralympische Athletin. Bei den Probewettkämpfen für die Spiele konnte sie ihren Rhythmus nicht auf die Zeitverschiebung umstellen. In Südkorea ist es acht Stunden später als in Deutschland. „Ich war dann in der Nacht um ein Uhr plötzlich putzmunter, was für die Wettkämpfe nicht so ideal war“, sagt Eskau, die für den Universitätssportclub Magdeburg (USC) antritt. Damit ist gebürtige Apoldaerin die einzige Sportlerin aus Sachsen-Anhalt bei den Paralympics.

Und bei den Spielen der Behindertensportler, die am Freitag beginnen, soll der Thüringerin freilich kein Schlafdefizit die Medaillen-Jagd vermasseln. Deswegen hat Eskau den Weg nach Südkorea genau geplant: Frühzeitige Anreise, exakt 19 Uhr wird im Flugzeug geschlafen und auch Tabletten, die beim Einschlummern helfen, sind dieses Mal erlaubt. „Ich will da nichts dem Zufall überlassen“, sagt die Sportlerin, die seit einem Fahrradunfall 1998 querschnittgelähmt ist.

Zweifelsohne ist es diese Akribie, die Andrea Eskau auszeichnet. Sie ist eine der erfahrendsten Athletinnen im deutschen Team. Quasi die Claudia Pechstein der Handicap-Sportler. Fünf paralympische Spiele hat sie seit 2008 bereits erlebt. Im Sommer sammelt sie mit dem Handbike Siege, im Winter ist sie als Biathletin und Para-Langläuferin auf Skiern unterwegs. Neun Medaillen holte die Diplompsychologin in Peking, Vancouver, London, Sotschi und Rio bereits, sechs davon mit goldenem Glanz. In Südkorea sollen - anders als bei Eisschnellläuferin Pechstein - weitere hinzukommen.

Andrea Eskau: „Ich verstehe mich als Ossi“

Ihre Erfolge, zu denen auch 27 Weltmeistertitel gehören, sind allerdings hart erarbeitet. Eskau feiert wenige Tage nach Ende der Spiele in Pyeongchang ihren 47. Geburtstag. Älter als sie sind im deutschen Team nur drei Curling-Herren. Bei den Frauen ist sie die Grande Dame.

„Viele der Sportlerinnen, gegen die ich antrete, könnten meine Kinder sein“, sagt sie. Doch die Frische, die den jugendlicheren Starterinnen gegeben ist, gleicht die Thüringerin durch mehr Übungseinheiten aus: Jeden Tag spult sie Kilometer auf dem Handbike ab, arbeitet im Kraftraum an ihrer Fitness und fährt mehrere Male pro Jahr ins Höhentrainingslager. Eskau gilt in der Vorbereitung als Duracell-Hase der deutschen Paralympioniken - sie trainiert und trainiert und trainiert.

Ihr hohes Pensum fordert von der unermüdlichen Sportlerin allerdings auch einiges organisatorisches Geschick. „Arbeit und Training zu vereinbaren, ist nicht immer ganz einfach“, sagt sie. Eskau hat einen Vollzeit-Job beim Bundesinstitut für Sportwissenschaften in Bonn (Nordrhein-Westfalen). Dort bearbeitet sie Förderanträge im Bereich Behindertensport und Pädagogik. Für Trainingslager mit dem Bundeskader gibt es zwar Sonderurlaub. „Aber in der vergangenen Woche musste ich noch arbeiten“, erzählt Eskau. Nur den Freitag habe sie sich freigenommen, um sich auf den Flug nach Südkorea am Sonntag vorzubereiten.

Geburtsdatum/Ort: 21. März 1971/Apolda
Sportarten: Biathlon, Skilanglauf, Radsport
Verein: USC Magdeburg
Beruf: Diplom-Psychologin
Klassifizierung: LW 11 sitzend
Behinderung: Querschnittlähmung
Bisherige Paralympics-Teilnahmen: Rio de Janeiro 2016, Sotschi 2014, London 2012, Vancouver 2010, Peking 2008

Erfolge: Olympiasiegerin (6): Straßenrennen (2008, 2012, 2016), Zeitfahren Straße (2012), Skilanglauf 5 km (2014), Biathlon 6 km (2014); Olympia-2. (2): Zeitfahren Straße (2016), Skilanglauf 5 km (2010); Olympia-3.: Biathlon 10 km (2010); Weltmeisterin (20): Zeitfahren Straße (2009, 2010, 2013, 2014, 2017), Straßenrennen (2009, 2010, 2013, 2014, 2015, 2017), Team Straße (2010), Skilanglauf 12 km (2015), Skilanglauf Sprint (2011, 2015), Skilanglauf 5 km (2013, 2015), Skilanglauf 10 km (2013), Biathlon 10 km (2011, 2013); WM-2. (4): Zeitfahren Straße (2015), Straßenrennen (2011), Skilanglauf 5 km (2017), Skilanglauf Sprint (2017); WM-3. (9): Zeitfahren Straße (2011), Team Relay Rad (2017), Skilanglauf 12 km (2017), Skilanglauf 10 km (2011), Staffel Skilanglauf (2013), Biathlon 10 km (2017), Biathlon 7,5 km (2011), Biathlon 6 km (2015), Biathlon 3 km Verfolgung (2011)

Von einem Sport-Profitum ist Eskau also weit entfernt. „Deswegen ist es so wichtig, dass es Vereine wie den USC Magdeburg gibt, die mich das ganze Jahr über unterstützen.“ Diese enge Begleitung ist auch der Grund, weswegen die Para-Sportlerin dem Uni-Club aus der Landeshauptstadt bis heute treugeblieben ist - obwohl sie schon seit Jahren in Bonn arbeitet und in Bergheim bei Köln lebt. „Als ich 2003 mit dem Radsport begann, war das der einzige Verein, der auf mich zukam und mir Hilfe anbot“, erzählt sie.

Bis heute sei die Zusammenarbeit ein wichtiger Baustein für ihren sportlichen Erfolg. Und außerdem fühle sich die Frau aus dem thüringischen Apolda, wo sie erst die Leichtathletik und dann den Radsport für sich entdeckte, in einem Club aus den neuen Bundesländern bestens aufgehoben. „Ich verstehe mich schon noch als Ossi“, sagt Andrea Eskau voller Überzeugung.

Andreas Eskaus Programm: Zehn Tage, sieben Rennen

Für den deutschen Osten wird die 46-Jährige im Fernen Osten die Alleinvertretung sein. Mit 20 Athleten ist der deutsche Kader in Pyeongchang ohnehin nicht groß. Und aus den neuen Ländern ist nur Eskau dabei. Dieses Defizit könnte allerdings durch den Wettkampfeifer der Para-Athletin aufgehoben werden. Die Vielstarterin tritt bei sieben Rennen an - und das bei lediglich zehn paralympischen Tagen. „Das ist schon ein hartes Pensum“, sagt Eskau selbst.

Druck von außen gibt es für die erfahrene Biathletin und Para-Langläuferin nicht - den macht sich Eskau selbst. „Es wäre vermessen, bei jedem Start eine Medaille zu erwarten“, sagt sie und meint dann: „Aber wenn ich ohne Edelmetall nach Hause zurückkommen würde, dann wäre ich schon enttäuscht.“

(mz)