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Olympia 2022 Olympia 2022: Bürgerentscheid lehnt Münchens Bewerbung ab

10.11.2013, 17:57
Eine Frau wirft in München ihren Stimmzettel für den Bürgerentscheid in eine gelbe Wahlurne.
Eine Frau wirft in München ihren Stimmzettel für den Bürgerentscheid in eine gelbe Wahlurne. dpa Lizenz

München/dpa/sid - Es war kurz nach 19.00 Uhr, als die Befürworter Olympischer Winterspiele 2022 in München ihren großen Traum bereits begraben mussten. Aus Garmisch-Partenkirchen wurde ein krachendes „Nein“ gemeldet, damit war besiegelt: Es wird keine Bewerbung geben. Von Beginn an war klar gewesen: Ein Negativ-Votum der Bürger bei nur einem der vier Partner bedeutet das Aus für die Anstrengungen. In Deutschland wird es damit wohl keine zweiten Winterspiele nach 1936 mehr geben, mittelfristig höchstens eine Bewerbung um Olympische Sommerspiele.

„Ich bin sehr enttäuscht. Das ist sehr bitter für den deutschen Sport, dass wir nicht die Chance bekommen haben, der Welt zu zeigen, wie man heutzutage nachhaltige Olympische Winterspiele veranstalten kann. Ausschlaggebend ist für mich die zunehmende Skepsis in Deutschland gegenüber Großereignissen.“

„Ökologisches Bewusstsein und Heimatliebe der Bürger haben über Kommerz und Gigantismus gesiegt. Dies ist ein Weckruf an das Internationale Olympische Komitee und den Deutschen Olympischen Sportbund, wieder zum Ursprung der olympischen Idee zurückzukehren und sich von einseitigen Knebelverträgen zu verabschieden.“

„Das Votum ist kein Zeichen gegen den Sport, aber gegen die Profitgier des IOC. Ich glaube, in ganz Deutschland sind Olympia Bewerbungen mit dem heutigen Tag vom Tisch. Die Menschen im Ballungsraum München und die Natur in den bayerischen Alpen haben einen wichtigen Sieg errungen.“

„Ich bin der Ansicht, dass es nicht am Konzept gelegen hat. Es ist eher eine zunehmend kritische Einstellung von Bevölkerungsteilen gegen Sport-Großereignisse. Wir haben mit großer Überraschung zu Kenntnis genommen, dass im Landkreis Traunstein, der unbedingt beteiligt werden wollte, die Ablehnung noch größer ausgefallen ist.“

„Ich finde es sehr bedauerlich, dass die Bürgerentscheide keine Mehrheit für eine Bewerbung um die Olympischen Winterspiele 2022 gebracht haben. Wir werden dieses Ergebnis akzeptieren. Ich hätte mich auf die sportlichen Spitzenwettbewerbe in unserer Heimat gefreut, die Welt geht deswegen aber nicht unter.“

„Ich bin sehr enttäuscht. Das hätte ich nicht gedacht. Ich glaube, viele Bürger waren nicht richtig informiert. Für die olympische Bewegung ist es bedenklich. Wenn sich solche traditionellen Länder wie die Schweiz oder Deutschland als Ausrichter zurückziehen, ist dies eine gefährliche Entwicklung.“

„Ich weiß nicht, woran es lag. Es ist traurig, aber wahr. Wir haben in den letzten zwei Wochen noch einmal alles mobilisiert. Wir müssen jetzt in der Niederlage Größe beweisen. Der eine oder andere wird es später vielleicht noch bereuen.“

„Das ist eine Klatsche, wie ich sie im Leben nie erwartet hätte, ein 0:4 Debakel. Wie will man so ein Highlight wie Olympische Spiele jetzt noch nach Deutschland bringen?“

„Ich bin enttäuscht, dass sich eine so deutliche Mehrheit gegen Olympische Winterspiele ausgesprochen hat. Ich konnte das Ergebnis noch nicht analysieren. Aber es gibt im Sport nur Sieg oder Niederlage. Alle vier Abstimmungsorte haben verloren.“

„Ich bin natürlich enttäuscht. Es wäre die einmalige Chance gewesen, der Welt und dem Internationalen Olympischen Komitee zu zeigen, dass man Olympische Winterspiele auch ohne Gigantismus und Naturzerstörung durchführen kann.“

„Ich hoffe sehr, dass diese demokratische Entscheidung der Bürgerinnen und Bürger von allen Seiten akzeptiert wird. Ich persönlich glaube, dass es unsere letzte Chance war, Winterspiele zu bekommen.“

„Die Olympischen Winterspiele 2022 in der bayerischen Landeshauptstadt, in Garmisch, Ruhpolding und im Berchtesgadener Land auszurichten, hätten dem Wirtschaftsstandort enormen Rückenwind geben. Diese Riesen-Chance ist nun perdu. Jetzt ist es wichtig, den Kopf nicht in den Sand zu stecken und weiter an der Zukunft des Standorts Oberbayern zu arbeiten.“

Der Münchner Oberbürger Christian Ude sprach nach den negativen Meldungen von den Bürgerentscheiden in Garmisch-Partenkirchen sowie im Landkreis Traunstein sowie angesichts der Zwischenstände aus dem Berchtesgadener Land und München bereits um 19.30 Uhr Tacheles: „Es ist eine klare Niederlage erlitten worden“, sagte er, „damit ist die Bewerbung gescheitert.“ Und er ergänzte, dies gelte „nicht nur für 2022, sondern nach meiner persönlichen Einschätzung dauerhaft.“ Die Stimmung in Deutschland sei gegen sportliche Großereignisse. „Wir sind sehr enttäuscht, das hat uns sehr überrascht“, sagte DOSB-Generalsekratär Michael Vesper. Er bedauerte, dass eine Chance vertan wurde, wie man man Olympische Spiele nachhaltig veranstalten könne.

Der designierte DOSB-Präsident Alfons Hörmann sagte, es sei nun wenigstens Klarheit geschaffen, jetzt sei allerdings darüber zu diskutieren, „wie wir diese Schlappe wettmachen und den deutschen Sport in eine erfolgreiche Zukunft führen können.“ Zunächst werde der deutsche Sport „tendenziell“ in der Basisarbeit geschwächt. Insgesamt waren in München, Garmisch-Partenkirchen sowie in den Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein knapp 1,3 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre Stimme zu einer zweiten Bewerbung unter Führung der bayerischen Landeshauptstadt nach 2018 zu stimmen. Bei der Wahl für 2018 hatte München deutlich gegen Pyeongchang/Südkorea verloren.

Die norwegische Hauptstadt war bereits 1952 Gastgeber der Olympischen Winterspiele. In den Planungen des Bewerbungskomitees spielt auch Lillehammer, wo die überaus erfolgreichen Winterspiele 1994 ausgetragen wurden, eine große Rolle. Dort sollen die alpinen Ski-Wettbewerbe stattfinden. Ansonsten sind die Siegerehrungen und zahlreiche Wettkämpfe in und um Oslo vorgesehen. Grünes Licht gab es für die Olympia-Pläne durch ein Referendum am 9. September dieses Jahres. 53,6 Prozent der Befragten votierten für eine Kandidatur.

Mit Krakau als Gastgeberstadt nehmen Polen und die Slowakei einen weiteren Anlauf auf den erstmaligen Zuschlag für Winterspiele. In Krakau würden Eröffnungs- und Schlussfeier sowie die Eisschnelllauf-Wettkämpfe ausgetragen werden. Die Veranstaltungen im Ski nordisch und Snowboard würden in der 90 Kilometer entfernten Bergregion von Zakopane stattfinden. Zakopane hatte sich 2006 vergeblich um Spiele beworben. Die alpinen Wettbewerbe sind im Skigebiet Jasna in der Slowakei geplant. Das Land war 2002 und 2006 mit Poprad-Tatry im Bewerbungsverfahren gescheitert.

14 Jahre nach den Sommerspielen von Peking will Chinas Hauptstadt erstmals die Winterspiele holen. Peking bewirbt sich zusammen mit dem 200 Kilometer entfernten Zhangjiakou als Co-Gastgeber. Alle Eiswettbewerbe sind in Peking geplant, die Ski-Wettkämpfe sollen in den Bergen rund um Zhangjiakou stattfinden. Ein zentraler Punkt in der Bewerbung ist eine Hochgeschwindigkeitsbahn, die die Reisezeit zwischen beiden Städten auf 40 Minuten verkürzen soll. China hatte sich zuvor vergeblich mit Harbin um die Austragung der Winterspiele 2010 beworben. Erschwerend dürfte für Peking hinzukommen, dass 2018 in Pyeongchang/Südkorea und 2020 in Tokio zwei asiatische Städte als Olympia-Gastgeber fungieren.

Nach der Austragung der Fußball-EM 2012 als Co-Gastgeber geht die Ukraine mit Lwiw auch erstmals ins Rennen um die Olympischen Winterspiele. Die im Westen des Landes gelegene Stadt nahe der polnischen Grenze war bei der EM Spielort von drei Vorrundenbegegnungen, darunter die Spiele der deutschen Elf gegen Portugal und Dänemark. In Lwiw sind die Eis-Wettbewerbe vorgesehen, die Ski-Events sollen in den Karpaten ausgetragen werden.

Bereits im August dieses Jahres hat Almaty als erster Bewerber das Rennen um die Winterspiele 2022 aufgenommen. Bei der Kandidatur für 1994 und 2014 war die frühere Hauptstadt des autoritär regierten Kasachstan in Zentralasien jeweils in der Vorauswahl gescheitert. Die Millionenstadt am Ausläufer des Tian-Shan-Gebirges verweist auf die 2011 gemeinsam mit der neuen Hauptstadt Astana ausgerichteten Asienspiele. Allerdings wären bei einem Zuschlag große Investitionen nötig. Unter anderem wären der Bau einer Bob- und Rodelbahn, eines Eisstadions und des Olympischen Dorfes fällig.

Bis zum 12. November will das Nationale Olympische Komitee von Schweden über eine Bewerbung Stockholms entscheiden. Die Begeisterung innerhalb der schwedischen Regierung scheint sich aber nach den vielen gescheiterten Bewerbungen in der Vergangenheit in Grenzen zu halten. Stockholm, Gastgeber der Sommerspiele 1912, hatte vergeblich für Olympia 2004 kandidiert. Außerdem scheiterten Göteborg (1984), Falun (1988 und 1992) sowie Östersund (1998 und 2002) mit Bewerbungen für die Winterspiele.

Ob es nach dem Debakel beim jetzigen Bürgerentscheid in Zukunft eine Bewerbung um Sommerspiele gibt, wollte Vesper zunächst nicht beurteilen. Es sei „nicht die Zeit“ für derlei Gedanken. Schon kurz nach Schließung der Wahllokale um 18.00 Uhr war nach der Auszählung der ersten Münchner Stimmbezirke sowie Gemeinden der Trend für eine Niederlage der Befürworter zu erkennen, je später der Abend wurde, desto mehr wuchs sie sich zum Debakel aus. Erst meldete Garmisch-Partenkirchen 51,56 Prozent Nein-Stimmen - es war bereits der K.o.-Schlag für eine Bewerbung. Aus dem Landkreis Traunstein kam nur wenig später die Meldung: 59,67 Prozent Nein-Stimmen.

Angesichts der wenig erbaulichen Zwischenmeldungen aus München und dem Berchtesgadener Land wirkten Ude, Vesper und Hörmann arg deprimiert. Ganz anders war wenig überraschend die Laune im Standesamt des Kreisverwaltungsreferats der Stadt München bei den Gegner, die sich im Bündnis „NOlympia“ zusammengeschlossen hatten. „Unsere Argumente haben gezogen, die Leute haben sich gefragt: Wieder eine 17-tägige Sause, wofür brauchen wir das?“, sagte erkennbar stolz Katharina Schulze, die Vorsitzende der Grünen in München. Sie hat Erfahrung im Kampf „David gegen Goliath“, wie sie es nennt und zuvor schon gegen eine dritte Startbahn am Münchner Flughafen gekämpft.

Die Olympia-Bewerbung von Garmisch-Partenkirchen für die Winterspiele 1960 scheitert im ersten Wahlgang mit lediglich fünf erhaltenen Stimmen. Die Winterspiele finden im amerikanischen Squaw Valley statt.

Bereits im ersten Wahlgang um die Austragung der Olympischen Winderspiele 1992 belegt Berchtesgaden mit sechs Stimmen den letzten Platz und scheidet aus. Den Zuschlag für die Winterspiele bekommt das französischen Albertville.

Berlin scheitert bei der Abstimmung über den Olympia-Ausrichter 2000 in Runde zwei. Sydney sichert sich den Zuschlag für die Olympischen Sommerspiele.

Leipzig wird beim Rennen um das Ringe-Fest 2012 gar nicht erst zur Endrunde zugelassen. Am Ende setzt sich London durch.

München scheitert bei seiner Bewerbung um die Winterspiele 2018 nur knapp. Die bayerische Landeshauptstadt verliert das Wahlfinale gegen den südkoreanischen Favoriten Pyeongchang.

Nach einem klaren „Nein“ der Bürger zu einer weiteren Münchner Olympia-Bewerbung wird es keine Winterspiele 2022 in München geben. 1,1 Millionen stimmberechtigte Bürger sprechen sich mit 52,1 Prozent gegen eine Münchner Olympia-Bewerbung aus.

„NOlympia“-Sprecher Ludwig Hartmann, Fraktionschef der Grünen im bayerischen Landtag, betonte unterdessen: „Das ist keine Zeichen gegen den Sport, sondern ein deutliches Zeichen gegen die Profitgier und Intransparenz beim IOC.“ Die Olympiagegner hatten in einem kurzen, aber heftigen Wahlkampf immer wieder die Profitgier und die mangelnde Transparenz beim IOC hervorgehoben, außerdem vor Schulden und Naturzerstörung gewarnt. Eine Mehrheit der Wahlberechtigten konnte ihnen da offensichtlich zustimmen.

Skirennläuferin Maria Höfl-Riesch wirbt auf einem Plakat für eine Bewerbung Münchens um die Olympischen Winterspiele 2022.
Skirennläuferin Maria Höfl-Riesch wirbt auf einem Plakat für eine Bewerbung Münchens um die Olympischen Winterspiele 2022.
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