Matthias Zimmerling heute beim VfL Halle Matthias Zimmerling bei Lok Leipzig: Wie die Stasi das DDR-Top-Talent kaltstellte

Halle (Saale) - Am Ende halfen auch die Kontakte nichts. Vor dem letzten Oberliga-Spiel des Jahres hatte Matthias Zimmerling einen alten Kumpel angehauen: Heiner Backhaus, Trainer von Inter Leipzig. Der übermittelte ein paar Tipps für das Duell gegen Einheit Rudolstadt. Die blieben aber ohne positive Wirkung: Der VfL Halle 96 verlor am Samstag zu Hause gegen Rudolstadt mit 0:2 und überwintert damit auf einem Abstiegsplatz.
Schwere Zeiten also für Trainer René Behring und seinen Co-Trainer. Der ist seit Mitte Oktober Mathias Zimmerling. Auch Behring ist ein alter Kumpel von „Zimbo“. „Wir sind gute Freunde“, erzählt Zimmerling. „René hat mich angesprochen, ob ich ihm helfen kann, das war eine Ehrensache für mich.“
Matthias Zimmerling: Bei Lok Leipzig ein großes Talent
Überhaupt ist Zimmerling in der Leipziger Fußballszene praktisch mit jedem vernetzt. Was natürlich ein Ergebnis seiner durchaus bewegten Vita ist. Ende der achtziger Jahre galt der heute 51-Jährige als Spieler von Lok Leipzig als eines der großen Talente des Ostfußballs. 1987 kommt er als Teil der DDR-U-21-Nationalmannschaft bei der Juniorenweltmeisterschaft in Chile auf den dritten Platz. „Das war einer der drei Höhepunkte meiner Karriere“, sagt Zimmerling.
Am 26. Oktober 1988 folgt der größte. Vor 100.000 Zuschauern im Zentralstadion trifft Lok im Uefa-Cup auf den SSC Neapel mit Diego Maradona. Zimmerling erzielt per Kopf das 1:0. Das Spiel endete 1:1. „Das war das größte Erlebnis meiner Karriere. Auch wenn ich oft auf das eine Tor reduziert werde.“
Discobesucht kostet Zimmerling die Karriere bei Lok Leipzig
Was auch damit zusammenhängt, was auf dieses Spiel folgte. Denn zum Rückspiel in Neapel, das Lok 0:2 verliert, darf Zimmerling nicht mitreisen. Der Staat verbietet es. Weil Zimmerling als unangepasst gilt, auch mal Feiern geht, überwacht ihn die Stasi. Zeitweise sind neun Personen auf ihn angesetzt. Ein Diskobesuch, von dem Zimmerling sagt, dass er um 7 Uhr am Abend zu Ende war, bedeutet das Ende seiner Zeit bei Lok Leipzig.
„Das war ein vorgeschobener Grund um mich zu eliminieren“, sagt Zimmerling. „Ich bin sicherlich ein bisschen gegen den Strom geschwommen, habe nicht alles richtig gemacht“, sagt Zimmerling. „Aber so vernichtet zu werden... Was die meisten nicht wussten, ich bin damals lebenslang gesperrt worden.“ Ein Jahr hält er sich in Riesa und Grimma fit. Dann fällt die Mauer.
Matthias Zimmerling: Verspätete Karriere nach dem Fall der Mauer
Zimmerling geht zu Hannover 96, schießt später für Union Berlin und Energie Cottbus zahlreiche Tore. 1997 steht er mit den Lausitzern sogar im Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart, verliert aber 0:2.
„Trotzdem war das der dritte Höhepunkt meiner Karriere“, sagt Zimmerling. Den er sich kürzlich noch einmal auf Youtube angeschaut hat. „Tommy Barth, Verteidiger hier, hat mich auf das Spiel angesprochen und mir dann einen Link geschickt.“
Am Ende lässt er seine Karriere vor allem in Österreich ausklingen, spielt aber auch ein Jahr beim VfL 96. „Ich habe 20 Jahre professionell gespielt, dafür bin ich dankbar“, sagt Zimmerling. „Auch wenn mir die Karriere am Anfang in der DDR zum Teil verbaut worden ist.“
Lok Leipzig: Vergangenheitsbewältigung für Zimmerling als Assistent
Dem Fußball bleibt er auch nach der aktiven Zeit verbunden, macht Trainerscheine in Österreich. Zuletzt war Zimmerling Assistent bei Lok Leipzig. „Das war ein Stück weit auch Vergangenheitsbewältigung, dort noch einmal aktiv zu sein.“
Jetzt will er mithelfen, den VfL 96 aus der Krise zu führen. „Ich unterstütze René, etwa mit taktischen Ideen oder bei Trainingsformen“, beschreibt er seine Aufgaben. Das Ziel: „Die Mannschaft hat Qualität. Die muss sie aber zu 100 Prozent abrufen“, sagt Zimmerling. „Die Kunst ist, dass wir das oft genug für den Klassenerhalt hinbekommen.“ (mz)