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Marco Engelhardt vom HFC Marco Engelhardt vom HFC: "Plötzlich stand ich neben Oliver Kahn auf dem Platz"

16.07.2015, 19:12
Ein Mann klarer Aussagen: Marco Engelhardt im Gespräch mit MZ-Redakteur Daniel George
Ein Mann klarer Aussagen: Marco Engelhardt im Gespräch mit MZ-Redakteur Daniel George Schulz Lizenz

Halle (Saale) - Ein paar Schweißperlen tummeln sich noch auf der Stirn, als Marco Engelhardt zum Interview in den Presseraum des Erdgas Sportparks kommt. Das Vormittagstraining des HFC ist gerade vorbei. Der 34-Jährige ist einer der größten Routiniers im Team des Drittligisten. Er hat schon Nationalmannschaft und Bundesliga gespielt. Daniel George sprach mit Marco Engelhardt über dessen Karriere, seine Erfahrungen an der Seite von Michael Ballack und Oliver Kahn und über Erlebnisse in der Ukraine und den USA.

Herr Engelhardt, wissen Sie noch, was Sie im Sommer vor zehn Jahren getan haben?

Engelhardt: Sie spielen bestimmt auf den Confed Cup an.

Genau. Sie waren schon mit Ihrer Freundin im Mallorca-Urlaub…

Engelhardt: …als plötzlich das Telefon klingelte. Gedanklich hatte ich mich schon darauf vorbereitet. Und dann ist der für mich glückliche Umstand eingetreten, dass sich ein Spieler (Dietmar Hamann, Anm. d. Red.) verletzt hatte. Die Freude war groß, dass ich nachnominiert wurde.

Im Vorrundenspiel gegen Argentinien, Ihrem bis heute letztem Länderspiel, wurden Sie nach 70 Minuten für Bastian Schweinsteiger eingewechselt. Obwohl Sie vier Jahre älter sind: War er damals ein Vorbild für Sie?

Engelhardt: Das war damals eine ganz andere Zeit. Es war vieles im Umbruch. 75 Prozent der Spieler waren erfahrene Recken. Und ich zählte zu den jungen Leuten, die erste Erfahrungen gesammelt haben, genau so wie Basti. Im Jahr davor hatte ich noch in der zweiten Liga gespielt. Und dann stand ich plötzlich neben Oliver Kahn und Michael Ballack auf dem Platz. Das ging alles ganz schön schnell.

Wie ernüchternd war es, ein Jahr später nicht zum Kader für die Heim-WM zu gehören?

Engelhardt: Die Ernüchterung über meinen Kreuzbandriss, den ich mir im letzten Saisonspiel für Kaiserslautern zugezogen hatte, überschattete alles. Dann sind wir auch noch abgestiegen. Ich war damals in einem Schockzustand. Aber aus der Situation bin ich gestärkt hervorgegangen.

Bastian Schweinsteiger hat sich kürzlich für einen Wechsel nach England entschieden. Das war auch mal Ihr Traum.

Engelhardt: Ja, ich hätte gerne die Erfahrung gemacht, im Ausland zu spielen. Dieses Leben und Lieben des Fußballs in England hat mir richtig gut gefallen.

2011 waren Sie für ein halbes Jahr lang vertragslos und absolvierten ein Probetraining bei den Zweitligisten Peterborough United und FC Watford.

Engelhardt: Es war schade, dass das damals nicht zustande gekommen ist. Aber trotzdem war die Zeit unheimlich spannend und lehrreich.

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Inwiefern?

Engelhardt: Ich war schon immer ein Spieler, der nicht nur den Fußball im Blick hatte. Damals habe ich mir auch die Ukraine und die USA angeschaut. Andere Sprachen und Kulturen kennenzulernen, erschien mir reizvoll.

Zu welchen Klubs bestanden damals Kontakte?

Engelhardt: Ich war in Sevastopol direkt an der Krim, das war zu der Zeit politisch noch kein Problem.

Trotzdem sind Sie in Deutschland geblieben. Woran ist es gescheitert?

Engelhardt: Die Uhren ticken dort ein bisschen anders. Spätestens, als ich die medizinische Versorgung und das Krankenhaus gesehen habe, musste ich mich dagegen entscheiden. Das Thema Familiengründung stand auch schon auf dem Plan. In den USA habe ich mir dann noch Chicago Fire angeschaut. Später hatte ich ein Angebot von Seattle vorliegen. Aber das Sportsystem dort ist für Europäer doch etwas gewöhnungsbedürftig. Deshalb habe ich mich für Erfurt und die damit solidere Variante entschieden.

Sie haben inzwischen Frau und Kind, pendeln fast täglich 250 Kilometer zwischen Erfurt und Halle. Nervt das nicht?

Engelhardt: Ich kann mich vollkommen damit arrangieren. Manchmal ist es etwas mühselig. Aber wenn ich nach dem Training oder Spiel schlechte Laune habe, dann tut die Zeit ganz gut, um runterzufahren. Zu Hause habe ich dann die Ruhe, die ich als sehr wichtig empfinde.

Im Mai haben Sie erneut für eine Saison beim HFC unterschrieben. Wird es die letzte Spielzeit Ihrer Profikarriere sein?

Engelhardt: Wenn ich jetzt entscheiden würde, dass es meine letzte Saison ist, wäre das für mich im Kopf ein Nachteil. Ich habe noch das Feuer und den Ehrgeiz, etwas zu erreichen. Und solange es mir noch Spaß bereitet, spiele ich auch weiter.

Was treibt Sie an?

Engelhardt: Es macht mir einfach noch unheimlich Spaß, diesen Teamspirit zu spüren. Ich habe schon fast alles erlebt in meinem Fußballer-Leben. Aber aufzusteigen ist mir noch nicht gelungen (lacht). Das ist noch so ein persönlicher Anreiz.

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Macht das Fußballer-Dasein mit 34 denn noch genauso viel Spaß wie mit 22?

Engelhardt: Freude macht es noch immer. Meine Sicht auf viele Dinge hat sich aber verändert.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Engelhardt: Das Thema mündige Spieler zum Beispiel. Dass man sich auch mal kritisch äußern darf. Wenn ich das ein oder andere mal den Mund gehalten hätte, dann wäre ich sicherlich noch länger auf einem anderen Niveau dabei geblieben.

Bereuen Sie das im Nachhinein?

Engelhardt: Das gehört einfach zu meiner Entwicklung als Mensch dazu. Manche lassen sich verbiegen. Ich konnte das nie.

Zu Ihrer Rolle in der HFC-Mannschaft haben Sie einmal gesagt: „Ich will für Ordnung sorgen.“ Gilt das auch privat?

Engelhardt: So weit, dass Dinge im rechten Winkel liegen müssen, geht es nicht. Aber ja, es sollte alles in einem geordneten Rahmen laufen.

Sie haben gesagt, Sie sind noch nie aufgestiegen. Was möchten Sie 2015/2016 mit dem HFC erreichen?

Engelhardt: Es ist schwierig, eine Prognose abzugeben. Die Mannschaften der dritten Liga haben sich wieder sehr verändert - auch unsere. Wir haben versucht, die Abgänge von Andy Gogia und Marcel Franke in der Breite zu kompensieren. Wie das funktioniert, wird sich zeigen.

Sie sind Mitinhaber des Karlsruher Restaurants „Cantina Majolika“. Auch wenn das Karriereende noch nicht feststeht: Gibt es schon einen Plan für die Zeit danach? Steht Marco Engelhardt bald hinter dem Tresen?

Engelhardt: Nein, so war das nie angedacht. Aber ich bin ein Fußballer, der noch nicht zu viele Kopfbälle gemacht hat, und habe mir frühzeitig Gedanken darüber gemacht. Das Restaurant läuft jetzt seit elf Jahren hervorragend auch ohne mich hinter dem Tresen. Außerdem gibt es zwei, drei andere Dinge, mit denen ich mich intensiv auseinandersetze. Aber festlegen möchte ich mich da noch nicht. (mz)