Gegnervorschau Rot-Weiß-Erfurt Gegnervorschau Rot-Weiß-Erfurt: RWE punktet nie nach Rückstand
Halle (Saale)/MZ - Meine erste Erinnerung an den HFC war eine tragische und ich «verdanke» sie meinem Onkel Johann. Er schenkte mir ein kleines Transistorradio vom Typ «Sternchen». Es war verschlissen und wurde nur von einem Gummiband vor dem Zerfall bewahrt. Egal, es war fürs Erste meine Verbindung zur Welt. Die zuweilen verstörende Nachrichten bereithielt. Beispielsweise von einem verheerenden Brand in einem Hotel der fernen Stadt Eindhoven, bei dem es Tote und Verletzte gab. Unter ihnen Spieler des DDR-Oberligaklubs Hallescher Chemie. Woraufhin das Spiel nicht stattfinden konnte. Damals ein kleiner Schock.
Als Kind war Fußball für mich zunächst etwas völlig Reines. Er war losgelöst von den Zumutungen der Realität, die da hießen: gehorchen oder zur Schule gehen, nur um die schlimmsten Heimsuchungen zu nennen. Wenn man spielte oder einem Spiel zusah, trat das alles zurück. Fußball war Weihnachten im Alltag. Und ein wenig ist das für mich heute noch so.
Wosz wirbelt nach Belieben
Als ich älter und qua lokaler Nähe Anhänger der FC Rot-Weiß Erfurt wurde, war der HFC ein ständiger, vertrauter Begleiter in der DDR-Oberliga. So etwa eine Kategorie mit den Mannschaften aus Karl-Marx-Stadt, Rostock, Zwickau und Aue. Und, klar, dem FC Rot-Weiß selbst: nichts Spektakuläres, kein Spitzenteam, aber doch immer anwesend. Fast immer jedenfalls. Ehrlich gesagt war mir der Abstieg des HFC Mitte der 80iger Jahre völlig entfallen, dafür erinnere mich noch an ein - aus Erfurter Sicht - ungemein deprimierendes 3:5 im Mai 1989, als selbst eine Führung von zwei Toren für Romstedt, Heun, Weidemann, Vogel und Co. nicht zu einem Punktgewinn genügte.
Auch weil auf Seiten des HFC ein Spieler stand, wie man ihn in der DDR-Oberliga nur selten erlebte. Für einen objektiven Zuschauer war die Performance von Darius Wosz an diesem Nachmittag allein das Eintrittsgeld wert. Gegen eine völlig überforderte Erfurter Defensive wirbelte er nach Belieben. Ich nahm es mit einer Mischung aus Verdruss und Bewunderung zur Kenntnis.
HFC verschwand aus Koordinatensystem
Kein HFC-Anhänger wird mir verübeln, wenn ich jetzt zugebe, dass der HFC nach der Wende zunächst völlig aus meinem fußballerischen Koordinatensystem verschwand. Aber Tradition ist im Fußball eben nicht nur ein Wort. Häuser werden abgerissen, Firmen gehen Pleite und man sieht und hört nie wieder etwas von ihnen. Eine Fußballtradition jedoch speichert sich im kollektiven Gedächtnis einer Stadt. Weswegen einstmals große Vereine nur sehr selten ganz und für immer von der Bühne abtreten. Oft gelingt es ihnen, sich in der sportlichen Bedeutungslosigkeit neu zu erfinden.
Das ist fast immer mühsam und erfordert Geduld. Manchmal dauert es Jahrzehnte. Fußball-Halle hat es geschafft. Die Mannschaft des HFC ist zurück im bezahlten Fußball und die dritte deutsche Profiliga soll sicherlich nicht die Endstation dieses Weges sein. Unter anderem dieses Ziel eint die beiden Kontrahenten des bevorstehenden Spiels. Nur, dass in Halle dafür inzwischen deutlich bessere Rahmenbedingungen vorliegen. Auf dem Grund des einstigen Kurt-Wabbel-Stadions entstand ein neues kleines aber todschickes Stadion. Dass zudem Tradition mit den Ansprüchen zeitgemäßen Profifußballs gelungen vereint.
Davon scheint man in Erfurt mit jedem Tag der vergeht weiter abzurücken. Alles schien bereits klar: Konzept, Finanzierung, Zeitplan. Jetzt entdeckt die Politik den bereits beschlossenen und für das Überleben des Vereins bitter notwendigen Umbau des Stadions als kommodes Wahlkampfthema. Ein Trauerspiel, mit dem Format zur Tragödie. Der akute Streit darüber wird mir allerdings die Vorfreude auf den Samstag nicht verleiden.
Nachwuchs bereichert RWE
Denn der FC Rot-Weiß hat bisher eine herausragende Saison gespielt. Zumindest aus Sicht eines RWE-Anhängers, der den Blick für die sportlichen Realitäten beibehält. Der neue Trainer, Walter Kogler, hat sich als Glücksgriff erwiesen. Die Mannschaft behauptet sich seit Beginn der Saison im vorderen Tabellendrittel. Damit durfte nach dem Weggang der Leistungsträger Oumari, Morabit und Drexler, einem erneut schwindsüchtigen Etat und dem sportlichen Desaster der letzten Saison niemand rechnen. Das anspruchsvolle Nachwuchskonzept zahlt sich aus: Ehemalige Spieler aus der A-Jugend-Bundesligamannschaft wie Möhwald, Klewin, Göbel, Nietfeld, Stolze und Baumgarten sind eine Bereicherung für die Mannschaft.
An dieser Einschätzung ändern auch die beiden jüngsten Niederlagen gegen Rostock und Saarbrücken nichts. Beiden Kontrahenten stehen mit Lindenhahn und Möhwald wichtige Mittelfeldspieler nicht zur Verfügung. Ebenso gravierend aufseiten der Erfurter ist die andauernde Absenz von Stürmer Simon Brandstetter. Es ist ohnehin erstaunlich, wie gut RWE sein Fehlen kompensiert hat, bisher schrieben sich bereits 13 Feldspieler in die Torstatistik ein (HFC: 7).
Ein großes Manko besitzt das Spiel von RWE dann doch: sobald die Mannschaft in Rückstand gerät, hat sie im Laufe der Saison keinen einzigen Punkt geholt. Entsprechend rechne ich mit einem vorsichtigen und abwartenden Beginn der Erfurter Mannschaft. Bei allen bisherigen Begegnungen beider Mannschaften in der 3. Liga gewann das Heimteam. Auf eine Fortsetzung dieser Statistik könnte ich aus nahe liegenden Gründen gut verzichten und natürlich wünsche ich mir einen Sieg des FC Rot-Weiß. Tippen würde ich allerdings auf ein 1:1-Unentschieden. Von dem anschließend alle behaupten werden, dass es leistungsgerecht war.