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Spielerberater  Spielerberater : Jan Heuckeroth vermittelt aus Eisleben Fußballer in alle Welt

Von Christoph Karpe 02.05.2016, 18:45
Jan Heuckeroth telefoniert von Berufs wegen viel - wenn es sein muss auch auf dem Eisleber Marktplatz
Jan Heuckeroth telefoniert von Berufs wegen viel - wenn es sein muss auch auf dem Eisleber Marktplatz Eckehard Schulz

Eisleben - Das Smartphone, das griffbereit auf dem Tisch in der Eisleber „Ratsstube“ liegt, vibriert energisch. Auf dem Display leuchtet der Name des gespeicherten Kontakts auf: Es ist ein Geschäftsführer Sport eines recht erfolgreichen Fußball-Bundesligisten. Jan Heuckeroth sieht kurz hin, welcher Prominente ihn dringend erreichen will - und geht nicht ran. „Er muss jetzt einmal warten“, meint der 44-Jährige mit einem Schmunzeln. Wenig später wird er schon unruhiger. Der Anrufer ist hartnäckig, wählt ein zweites und drittes Mal. Es könnte dringend sein. Der Name des Ungeduldigen? Der Mann erbittet sich später aus, namentlich nicht genannt zu werden.

Das meistens drängende Anliegen, mit dem sich Entscheidungsträger des Fußballs an Heuckeroth wenden, ist oft das gleiche. Sie suchen Spieler. Heuckeroth hat eventuell geeignete Kandidaten im Angebot. Fußball-Klubs bei deren Personalplanung möglichst helfen zu können, ist schließlich sein Job. Er ist Spielerberater - lizenziert vom DFB und deshalb auch beim Fußball-Weltverband Fifa anerkannt. Für die Zulassung hat er unter anderem ein polizeiliches Führungszeugnis und eine Unbedenklichkeits-Erklärung des Finanzamtes vorlegen müssen.

Atletico, Sporting, Arsenal

Bemerkenswert: Heuckeroth arbeitet zumeist von Eisleben aus, managt in seiner Heimatstadt ein globales Netzwerk. Dazu hat er Büros in Hamburg und Berlin. Das Geschäft läuft offenbar gut, wie sein dicker schwarzer Audi ahnen lässt. Was nicht verwundert. Die Kicker, die bei seiner Firma Soccertalents gelistet sind, sind durchaus bekannt und ihre Klubs illuster. Inaki Williams beispielsweise stürmt für Atletico Madrid, Islam Slimani, beim WM-Achtelfinal-Duell 2014 als Kicker von Algerien ein Unruhestifter in der deutschen Abwehr, ist bei Sporting Lissabon unter Vertrag. Der Marktwert der beiden Profis beläuft sich laut Transfermarkt.de auf jeweils 15 Millionen Euro. Auf zwei Millionen weniger wird Stürmer Charlie Austin vom FC Southampton taxiert, Calum Chambers (zwölf Millionen) verteidigt für Arsenal London. Andere Kicker spielen für Klubs in Brasilien, Mexiko, Frankreich, Kroatien, Tschechien. „Natürlich bin ich da nicht überall vor Ort. Ich habe Partner in den Ländern. Die wollen meine Kontakte nutzen, also listen sie Spieler bei mir.“ So funktioniert das Netzwerk. Anders hat man in diesem umkämpften Geschäft auch keine Chance. „Selbst Drittligisten wie dem Halleschen FC werden an manchen Tagen bis zu 100 Spieler angeboten“, erzählt Heuckeroth.

Branche Scouting-Plattformen im Internet

Die besten Chancen hat, wer den passenden Spieler parat hat. Dafür nutzt die Branche Scouting-Plattformen im Internet. „Dort meldet man sich an und kann fast sämtliche Spiele von Nachwuchsligen ansehen. Dazu gibt es dann ein umfassendes Daten-Paket. Jetzt knüpft man Kontakt zu dem interessanten Spieler, der ins Such-Profil von Verein X passt“, erklärt Heuckeroth. Idealerweiser hat man den Spieler mit den gesuchten Vorzügen schon in seinem Portfolio.

Wenn nicht, heißt das Reisen. Etwa nach Wien. Dorthin hatte Valdas Ivanauskas seinen guten Bekannten aus seiner wenig glücklichen Zeit als Jena-Coach, 2007 war das, eingeladen. Der einstige Bundesliga-Stürmer des Hamburger SV war dort mit einer Nachwuchs-Auswahl seines Heimatlandes Litauen. Die bestritt ein Testspiel gegen Österreich. Und Ivanauskas hat die Hoffnung, dass Heuckeroth die besten Talente seines Heimatlandes in einem Nachwuchs-Leistungszentrum eines Bundesligisten unterbringen könnte, wie Heuckeroth berichtet. Denn blieben sie in Litauen, würden die wenigen guten jungen Spieler nie ein Top-Niveau erreichen.

Berater sucht höherklassige Arbeitgeber

Andere Heuckeroth-Kicker, meist Anfang 20, sind etwa in Jena in der Regionalliga aktiv. Noch. Der Berater sucht höherklassige Arbeitgeber. „Aber nur, wenn die Spieler mit Leistung überzeugen“, sagt er klipp und klar. Idealerweise sieht der Ansatz für eine Profi-Karriere so aus: Schon in jungen Jahren hat der Spieler regelmäßige Einsätze bei einem Drittligisten, hat Können bewiesen und gilt dennoch als entwicklungsfähig. So wie eben der heute 24-jährige Dennis Mast, der Halle vor drei Jahren Richtung Karlsruhe verlassen hat und heute in Bielefeld darum kämpft, wieder Zweitliga-Einsätze zu bekommen. „Für ihn ist der Zug noch nicht abgefahren, sich in der zweiten Liga zu etablieren. Ein Schritt zurück könnte jedoch der Karriere-Knick sein. Wer es mit 25 Jahren nicht in die zweite Liga geschafft hat, kommt dort auch nicht mehr an“, sagt Heuckeroth.

Party mit Werder-Stars

Jan Heuckeroth kennt sich mittlerweile prima in dem Geschäft aus, in das er eigentlich nur durch einen feucht-fröhlichen Abend gerutscht ist. „Zur Wendezeit tingelte Werder Bremen durch unsere Region und machte Benefizspiele. Auch in Eisleben. Ich kickte zu DDR-Zeiten beim damaligen Zweitligisten Dynamo und wir spielten gegen die Bundesliga-Stars“, erinnert er sich. Am Abend folgte die obligatorische Sause. Und die Bremer Stars wie Thomas Wolter oder auch Michael Schulz waren nie Kinder von Traurigkeit und sich auch nicht zu schade, mit den Eisleber Jungs ein paar Bier zu kippen.

Anfertigung von Dossiers

Man kam ins Gespräch, blieb tatsächlich in Kontakt. Schulz heuerte dann nach seiner Karriere bei einer Hamburger Spielerberaterfirma an. Als diese Infos über einen Kicker von Lok Leipzig benötigte, wurde Jan Heuckeroth angefragt, ob der den jungen Mann nicht beobachten und ein Dossier anfertigen könne. „Ich hab das natürlich gemacht und hatte sofort Spaß an der Sache“, erzählt der Eisleber, der inzwischen Jura studiert hatte. 2005 stieg er dann ganz bei den Hamburgern ein - und vor drei Jahren machte er sich dann selbstständig. „Ich hatte da schon ein großes Netzwerk und habe mich gefragt, warum ich 50 Prozent der Honorare, die ich generiere, an die Firma abtreten soll. Behalten wäre doch besser. Zugleich hatte ich das Vertrauen, dass ich doch auch auf eigene Faust arbeiten könne“, sagt Jan Heuckeroth, der einstige Stürmer.

Also fing er an - mit Mast, oder auch mit Christoph Siefkes, dem einstigen HFC-Stürmer, der seine hoffnungsvolle Karriere in den Sand gesetzt hat. „Manche Spieler begreifen nicht, was wichtig ist und biegen dann falsch ab“, meint Heuckeroth und schüttelt den Kopf. Siefkes hatte er vom HFC zu Bayer Leverkusen vermittelt. Obwohl er dort nur in der Zweiten spielte, hielt er sich für einen kommenden Bundesliga-Profi. Einsatzwille und Fleiß nahmen ab, die nächtlichen Eskapaden zu. Endstation in Deutschland war die Zweite des 1. FC Magdeburg, wo er dann Kreisoberliga spielte. Heute ist Siefkes bei einem Schweizer Drittligisten unter Vertrag. Heuckeroth berät ihn längst nicht mehr. „Er hat so viele Chancen vertan“, sagt er über den heute 25-Jährigen.

Der Berater organisiert das Leben eines Spielers

Andere seiner Schützlinge sollen ihr Talent gefälligst nicht so verschleudern. Dafür bietet er umfassende Betreuung: Der Berater organisiert das Leben eines Spielers. Von der Wohnung über das Auto bis hin zu Versicherungen wird ein Komplettpaket geschnürt. „Der Spieler muss sich auf den Fußball konzentrieren können.“ Und vor allem glänzende Leistungen zeigen, soll die Karriere voran kommen. Deshalb, so Heuckeroth, sei er ein strikter Verfechter von leistungsorientierten Verträgen. „Um junge Spieler voranzubringen, ist nur ein geringes Grundgehalt, in der dritten Liga etwa 1 500 Euro, nötig. Zusätzlich verdienen kann er dann ab einer bestimmten Zahl von Einsätzen. Und wenn er sich prächtig entwickelt, gibt es dann bald auch mehr.“ Was sich alles vertraglich mit den Klubs, die davon auch profitieren, regeln lässt.

Zehn Prozent des Spieler-Gehalts

Und wie ist das nun mit dem Verdienst eines Beraters, die sich in der landläufigen Meinung an Spielern und Klubs nur bereichern? Manches Mal gibt es einen Teil des Handgeldes. Die Regel ist: „Man bekommt zehn Prozent des Jahresbruttoverdienstes - über die gesamte Vertragslaufzeit. Deshalb ist es auch ein Ammenmärchen, dass Berater ihre Spieler ständig zu Wechseln drängen“, sagt Jan Heuckeroth. Man verdiene auch so. Klappt es, etwa Islam Slimani nach England zu vermitteln und der dort jährlich um die acht Millionen Euro verdienen würde, bekäme der Berater 800 000 Euro - und teilt mit den Partnern. Auch das Finanzamt fordert seinen Teil. Heuckeroth klagt nicht.

Dann, draußen auf dem Eisleber Marktplatz, ruft er den ungeduldig Kontaktsuchenden zurück. Es könnte ein Geschäft winken - zum allseitigen Vorteil. (mz)