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Rücktritt des Bayern-Arztes Rücktritt des Bayern-Arztes: Müller-Wohlfahrts Weg zum Doktor der Superstars

Von Christian Oeynhausen 17.04.2015, 16:43

Köln - Dass Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt in den 60er Jahren studiert hat, das kann man seiner Frisur bis heute ansehen. In dieser Hinsicht ist der „Mull“, wie er von vielen gerufen wird, konservativ. Die wehende Matte ist auch mit 72 Jahren das Markenzeichen des gebürtigen Ostfriesen aus Leerhafe, heute Wittmund, der am Donnerstag jenen Job hingeworfen hat, der ihn zu einem der weltweit bekanntesten Sportmediziner gemacht hat: Seit 1977 hat Müller-Wohlfahrt die Spieler des FC Bayern München betreut – mit einer kurzen Unterbrechung während der Klinsmann-Zeit – fast 38 Jahre lang. Nun hat er die Konsequenzen aus dem angespannten Verhältnis zu Trainer Pep Guardiola gezogen.

Sein Weg zum Doktor der Superstars ist familiär nicht vorgezeichnet. Müller-Wohlfahrts Vater, ein Pfarrer, hätte gern seine Gemeinde an den Jüngsten seiner drei Söhne übergeben. Das Medizin-Studium und die Ausbildung in Berlin unterstützt der Senior nicht. Bevor der Sohn als Mediziner reüssiert, stirbt der Vater.

Müller-Wohlfahrts Karriere im Leistungssport beginnt als Teamarzt von Hertha BSC, wo ihn Uli Hoeneß, gerade Bayern-Manager geworden, abwirbt. Der Doc, ehemaliger 11,0-Sekunden-Sprinter, macht mit ungewöhnlichen Methoden von sich reden. „Von der Syndesmose hatte ich vorher nie gehört. Ich hatte das Gefühl, der Müller-Wohlfahrt hat die erst erfunden“, sagte Hoeneß einmal. In dem Scherz steckt viel Ernst. Müller-Wohlfahrt verlässt sich bei der Diagnose lieber auf seine Hände als auf Apparate. „Ich sehe mit den Fingern“, sagt er. Viele Athleten sind begeistert. „Radarfinger“, bescheinigt ihm Lothar Matthäus, Boris Becker nahm bei ihm „ein seelisches Wannenbad.“ Seit 1995 betreut Müller-Wohlfahrt auch die Fußball-Nationalmannschaft.

Pilgerstätte für Prominenz

Seine Praxis im Stadtzentrum Münchens wird zur Pilgerstätte der Prominenz. Weltstars wie U-2-Sänger Bono, Bruce Springstein oder Sprinter Usain Bolt finden sich ein. Der Jamaikaner bedankt sich nach seinem 100-Meter-Olympiasieg von London 2012 live im TV bei Müller-Wohlfahrt.

Der gebräunte Arzt mit der scheinbar ewig jungen Haut entwickelt sich über die Jahre zum Wohlfühl-Guru der Reichen und Schönen, zum Mann für die Jet-Set-Probleme. Er vertreibt Nahrungsergänzungsmittel und Literatur zum Thema. Mediziner-Kollegen und Wissenschaftler runzeln die Stirn, weil nicht alles nachweisbare Effekte hat. „Schon das Lesen des Türschildes dürfte 50 Prozent des Placebo-Effektes ausmachen“, lästerte der Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel 2014.

Umstritten ist auch Actovegin, hergestellt aus Kälberblut. Es ist das Lieblings-Mittel, das Müller-Wohlfahrt in die Muskeln spritzt. Bei intravenöser Gabe ist es als Dopingmittel verboten. Von anderen wird es als wirkungslos abgetan – ein Stoff aus der Grauzone.

Die Müller-Wohlfahrts sind heute fester Teil der Münchner Schickeria. Gattin Karin tritt als Malerin Karen LaKar in Erscheinung, Tochter Maren de Martino, einst Freundin von Lothar Matthäus, ist Galeristin. Sohn Kilian war bereit, beim FC Bayern in die Fußstapfen des Vaters zu treten. Auch er ging am Donnerstag. „Wir haben bislang jeden Trainer überzeugt, wir werden auch Guardiola überzeugen,“ hat der Vater einmal gesagt. Aber diesen Riss konnte er nicht heilen.