Nach WM-Debakel Nationalmannschaft: Joachim Löw zur Analyse in Frankfurter DFB-Zentrale

Frankfurt/Main - Joachim Löw blickte kurz auf sein Handy, dann schlenderte er mit dem Anlass angemessener, ernster Miene in die Frankfurter DFB-Zentrale.
Am Mittwochmittag und damit deutlich früher als erwartet kam der Bundestrainer nach einem Kurzurlaub mit seinem Stab und Nationalmannschaftsdirektor Oliver Bierhoff zur zweitägigen WM-Klausur zusammen. Wichtigstes Gesprächsthema: Die weitere, eingehende Analyse des historischen WM-Desasters von Russland.
„Die sportliche Leitung hat sich getroffen, um ihre Abstimmung und Besprechungen mit Schwerpunkt WM-Analyse fortzusetzen“, sagte Nationalmannschaftssprecher Jens Grittner, der Löw an der Otto-Fleck-Schneise 6 in Empfang nahm. Das Treffen, an dem auch Löws Assistenten Thomas Schneider und Marcus Sorg teilnahmen, sei „nicht das erste“ im Zuge der Aufarbeitung, „und es wird auch nicht das letzte sein“. Löw und Co. befänden sich „mitten in der Arbeit“.
Analyse schon weit vorangeschritten
Wie der SID aus gut informierten Kreisen erfuhr, ist der Bundestrainer in seiner Analyse drei Wochen nach der Katastrophe von Kasan gegen Südkorea (0:2) inhaltlich schon weit gekommen. Eigene Fehler, der Neuaufbau der Mannschaft möglicherweise ohne langjährige Säulen, die Veränderung des Spielsystems – bei diesen Themen lägen wichtige Erkenntnisse vor.
Auch erste personelle Konsequenzen sollen bei der Zusammenkunft bis Donnerstag diskutiert, aber noch nicht beschlossen werden. Neben der Besetzung des Trainerstabes stehen dabei die Bereiche Scouting und Medien auf dem Prüfstand.
Für Freitag ist beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) zudem eine turnusmäßige Präsidiumssitzung angesetzt. Erst dann, heißt es vonseiten des DFB, sei es vorstellbar, dass sich einer der Beteiligten öffentlich zur Sache äußert - wenn überhaupt.
Im Italien-Urlaub gewähnt
Löw fuhr um 11.45 Uhr an der DFB-Zentrale vor. Der Bundestrainer erschien im Freizeit-Look mit dunklem Shirt und dunkler Hose, er trug weiße Sneaker, eine schwarze Tasche und sein Handy. Löw begrüßte eine Handvoll wartender Reporter, dann verschwand der Mann, der eigentlich im Italien-Urlaub gewähnt worden war, im Verbandsgebäude.
Unabhängig von der Klausur in Frankfurt soll die abschließende, von der DFB-Spitze um Reinhard Grindel eingeforderte WM-Analyse des Bundestrainers weiterhin erst am 24. August in München vorgelegt werden. Nach dem WM-Desaster hatte Löw selbst „tiefgehende Maßnahmen“ angekündigt. Bierhoff sprach von Veränderungen „auf allen Ebenen“.
Dass dies bei Löw selbst anfangen müsse, wie von Weltmeister-Kapitän Philipp Lahm in der Führungsstil-Debatte gefordert, wies nun Rudi Völler zurück. „Jogi Löw muss sich gar nicht ändern. Er weiß, wie er die Mannschaft zu führen hat“, sagte Völler der Sport Bild. Löw werde „die Spieler auf seine Art reizen“.
Löw muss Antworten finden
Der ehemalige Teamchef ist sicher, dass Löw aus dem WM-Debakel „die richtigen Schlüsse ziehen“ wird. Völler wie Jürgen Klopp finden es auch richtig, dass Löw weitermacht. „Durch die Kritik muss er jetzt durch“, sagte Völler, „der Gegenwind zieht aber vorbei. Jogi muss und wird erneut Antworten finden.“
Ottmar Hitzfeld sieht Löw dabei vor „schwierigen Entscheidungen, weil er sich von ein paar Spielern und sogar Weltmeistern trennen muss, denen er immer vertraut hat“. Der Bundestrainer müsse „ein Zeichen setzen“, sagte der Erfolgscoach der Münchner AZ.
Die Spieler-Qualität für den Neuaufbau sei „auf jeden Fall vorhanden“, meinte Völler, „für die nächsten Jahre mache ich mir eigentlich noch keine Sorgen“. Liverpool-Coach Klopp sagte der Sport Bild, im Nachwuchs komme „einiges“ nach: „Deutschland muss sich schütteln, und dann werden sie auch wiederkommen.“ (sid)