Nach Fehlentscheidungen in der Bundesliga Nach Fehlentscheidungen in der Bundesliga: Sechs Gründe, die für eine Videobeweis-Einführung sprechen

1. Für die Vereine geht es um zu viel
In diesem Sommer hat es die Bundesliga teils schmerzlich erfahren müssen. Die Rolle des Geldes nimmt in der Welt des Fußballs eine immer größere Rolle ein. Der Geldfluss, der aktuell zum Großteil aus der Premier League nach Deutschland transferiert wird und hauptsächlich aus TV-Verträgen stammt, könnte auch bald direkt in Deutschland ankommen.
Die Übertragungsrechte für die Bundesliga werden ab der Saison 2017/18 neu vergeben - wohl zu deutlich höheren Preisen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die unter anderem platzierungsabhänigen TV-Prämien weiter steigen. Im Klartext: Jeder bessere Platz in der Bundesliga-Abschlusstabelle bedeutet Bares. Und da die Fußballerweisheit „Im Laufe einer Saison gleicht sich alles wieder aus“ ebenso veraltet ist wie nie bewiesen wurde, muss in Deutschland eine Fehlerquelle minimiert werden - mit dem Videobeweis.
2. Die Technik macht es möglich
Die Frage der Machbarkeit stellt sich im Falle des Videobeweises nicht. Waren bei der Einführung der Torlinientechnik die Bedenken bezüglich der richtigen Technik noch groß, sind die Stadien in Deutschland an Spieltagen bereits jetzt mit hunderten von TV-Kameras ausgestattet. Jeder Winkel des Platzes und jeder Moment des Spiels kann auf der Kamera eingefangen, vergrößert, verlangsamt und wiederholt werden - ohne große Mehrkosten.
Lesen sie auf der nächsten Seite, warum sich die Unparteiischen angreifbar machen und inwiefern der Job des Schiedsrichters immer schwerer wird.
3. Schiedsrichter-Gespann macht sich angreifbar
In der aktuellen Bundesliga-Saison machen sich die Schiedsrichter auffallend oft aufgrund von Unsicherheiten in ihren Entscheidungen angreifbar. Zwei Beispiele: Beim Heimspiel von Bayern München gegen den FC Augsburg entscheidet Schiedsrichter Knut Kircher in der letzten Minute zu Unrecht auf Elfmeter für den FC Bayern. Müller verwandelt zum 2:1 - Augsburg werden Punkte geklaut. Noch verblüffender als die Entscheidung selbst ist allerdings die Erklärung Kirchers nach dem Spiel. Er habe auf seinen Assistenten Robert Kempter gehört.
Ein noch deutlicheres Beispiel ereignete sich am Samstag in Wolfsburg. Nach einer undurchsichtigen Szene am Leverkusener Strafraum rollt der Ball auf den klar im Abseits stehenden Vierinha. Der Linienrichter hebt die Fahne, die Leverkusener Hintermannschaft schaltet ab. Der Portugiese spielt den Ball in die Mitte, wo Nicklas Bendtner zum 1:0 einnetzt. Am Spielfeldrand tobt Rudi Völler. Was war passiert? Manuel Gräfe hat seinen Schiedsrichter-Assistenten überstimmt, weil in seiner Wahrnehmung der Leverkusener Kevin Kampl den Ball entscheidend zu Vierinha spielte - zu Unrecht.
Solche Unsicherheiten im Gespann selber werden durch den Videobeweis ausgeschlossen. Ein kurzer Blick in die Zeitlupe und es wird deutlich, dass es ein irreguläres Tor war. Das wäre für alle Beteiligten deutlich angenehmer.
4. Geschwindigkeit macht den Schiedsrichter-Job ungleich schwerer
Die größte Weiterentwicklung des Fußballstils über die vergangenen Jahrzehnte liegt in der Geschwindigkeit. Stürmer agieren permanent an der Grenze zum Abseits, das Tempo, mit dem Angriff und Gegenangriff auf höchstem Niveau eingeleitet und abgeschlossen werden, ist ungleich höher als noch zu Zeiten von Franz Beckenbauer oder später Lothar Matthäus. Dadurch gerät das Schiedsrichter-Gespann permanent unter Druck. Abseits oder kein Abseits, Elfmeter oder kein Elfmeter, Notbremse, taktisches Foul oder Schwalbe - all das sind Fragen, die die Unparteiischen innerhalb von Sekundenbruchteilen entscheiden müssen.
Bei dem Tempo und den oft unklaren Spielsituationen ist es oft an der Grenze der Zumutbarkeit, den Schiedsrichtern die Entscheidung über spielentscheidende Szenen aufzubürgen. Ein kurzer Blick aller Offizieller auf die Kamerabilder brächte Licht in viele zweifelhafte Entscheidungen.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, inwiefern der Fußball von anderen Sportarten lernen kann und wie die Bundesliga zur Einführung steht.
5. Andere Sportarten haben Erfolg
Bei vielen Experten überwiegt die Skepsis darüber, ob der Videobeweis Klarheit in strittige Situationen bringen kann und wie eine solche Regelung aussehen könnte. Ein Blick über den Tellerrand hinaus auf andere Sportarten könnte Abhilfe schaffen. Auch im Tennis wehrten sich Spieler und Offizielle lange Zeit gegen die Einführung des sogenannten Hawk Eyes. Jetzt, da es seit fast zehn Jahren auf den großen Turnieren eingesetzt wird, hat das System an Akzeptanz gewonnen. Inzwischen kann man sich ein Grand-Slam-Turnier (abgesehen von den French Open) nicht mehr ohne Hawk Eye vorstellen. Auch im Eishockey oder im American Football ist der Videobeweis fest verankert.
Auch im Bereich der Regel-Lösung kann sich der Fußball hier einiges vom Tennis abschauen. Jeder Spieler hat drei Challenges, darf also drei Mal pro Satz falsch liegen. Denn liegt der Spieler mit seiner Challenge richtig und belegt damit die Fehlentscheidung der Schieds- und Linienrichter, darf er sie behalten. Ein ähnliches System ist auch im Fußball vorstellbar - mit einer festgelegten Anzahl an Challenges pro Halbzeit.
6. Zustimmung in der Bundesliga ist da
Im Gegensatz zur Torlinientechnik, die in einem ersten Votum vor knapp zwei Jahren abgelehnt worden war und erst später durchgesetzt wurde, genießt die Einführung des Videobeweises eine breite Zustimmung unter den Bundesligisten. In einer vom TV-Sender Sky unter den 36 Bundesligisten durchgeführten Umfrage vor wenigen Wochen sprachen sich 24 Vereine grundsätzlich für die Einführung des Videobeweises aus. Acht Klubs waren dagegen, vier Vereine enthielten sich.
Nach den jüngsten Vorkommnissen in der Bundesliga mit spielentscheidenden Fehlentscheidungen im Wochentakt dürfte die Tendenz der Zustimmung weiter gestiegen sein.
