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Hummels im Interview Mats Hummels im Interview: "Der EM-Sieg ist für die Nationalmannschaft möglich"

Von Christian Löer 06.06.2016, 19:26
Mats Hummels braucht noch ein paar Tage.
Mats Hummels braucht noch ein paar Tage. AFP

Herr Hummels, wie geht Ihre Heilung voran?

Mats Hummels: Ich bin soweit zufrieden, mache mir aber auch keinen Stress. Es wird mit bis zu sieben Spielen ein sehr intensives Turnier. Da ist das Relevante, Mitte Juli bei hundert Prozent zu sein anstatt sich vorher für ein Spiel aufzuopfern. Ich bin nicht vor dem Zeitplan, nicht dahinter. Doktor Müller-Wohlfahrt hat zu mir gesagt: Mach dich nicht verrückt! Aber ich mache mich sowieso nicht verrückt, das Gegenteil ist der Fall. Wie Jürgen Klopp immer so schön sagt: Ich bin tiefenentspannt.

Haben Sie noch Hoffnungen, gegen die Ukraine zu spielen?

Mats Hummels: Das ist gar nicht so sehr das Ziel, das ist es ja. Der Bundestrainer hat mir gesagt: Werde hundert Prozent fit, es ist ein langes Turnier. Wir müssen jetzt nicht auf Teufel komm' raus das erste Spiel attackieren. Dafür sind wir auch viel zu gut, als dass man sich jetzt einreden müsste, man hätte nur mit mir eine Chance. Wenn ich erst im dritten Gruppenspiel spielen kann, stehen immer noch hoffentlich fünf Spiele in drei Wochen an, das wäre dann noch ein sehr intensives Programm.

Sorgen Sie sich um Ihr Fitnesslevel?

Mats Hummels: Nein, innerhalb von zwei, drei Wochen verliert man da nicht so viel. Innenverteidiger ist ja nicht so eine laufintensive Position.

Wie kam es zu der Verletzung?

Mats Hummels: Im Pokalfinale dachte ich, es sei ein Krampf. Ich habe noch nie einen Muskelfaserriss in der Wade gehabt, darum wusste ich nicht, wie sich das anfühlt. Es hat bei jedem intensiven Schritt reingestochen. Darum ging es irgendwann nicht mehr. Ohne dass ich jetzt irgendwie gesagt hätte, dass es nicht mehr ging. Aber das ist eine andere Geschichte.

Wie sehen Sie die Situation der Verteidigung?

Mats Hummels: Vor der WM 2014 hatten wir auch das große Thema Baustelle Außenverteidigung, und am Ende war es gar keins. Es geht darum, dass man das System gut umsetzt, dann sieht eine Abwehr immer gut aus. Wenn er auf sich allein gestellt ist, sieht jeder Außenverteidiger der Welt schlecht aus. Außer Philipp Lahm, der sieht nie schlecht aus. Das haben wir irgendwann mal festgestellt. Wir wissen nicht genau, wie er das macht.

Wie sehen Sie die Titelchancen der deutschen Elf?

Mats Hummels: Zuzutrauen ist uns alles. Der Turniersieg ist auf jeden Fall möglich, aber es ist keine Pflicht, da wir nicht der eine große Favorit sind. Es gibt vier, fünf, vielleicht sechs Mannschaften, die das Zeug haben, Europameister zu werden. Davon sind wir selbstverständlich eine; wäre ja auch Unsinn, etwas anderes zu behaupten. Dann brauchen wir noch ein bisschen Glück, dann hätten wir die Chance, schon wieder einen Pokal hochzuhalten, was natürlich sensationell wäre. Welt- und Europameister – klingt ziemlich cool.

Spielt es eine Rolle, dass Sie schon Weltmeister sind, wenn Sie zu einer EM fahren?

Mats Hummels: Keine große. Sportliche Wettbewerbe zu gewinnen ist generell ein großartiges Gefühl. Jeder Sportler will das immer wieder haben. Deswegen sind wir unheimlich heiß darauf, jetzt auch noch Europameister zu werden. Ich würde einen EM-Titel gar nicht mal so viel tiefer hängen als eine WM.

Nun geht es ins Camp, wo der Bundestrainer eine Magie wirken lässt und der Mannschaftsgeist entsteht. Sie waren vor zwei Jahren schon dabei. Was passiert dort?

Mats Hummels: Das ist gar nicht mal so sehr, dass es der Bundestrainer von außen in die Mannschaft trägt. Das ist etwas, worüber wir im Mannschaftsrat reden: Muss man noch was machen? Was machen wir? Wir haben das Gefühl, dass wir eine sehr gute Atmosphäre haben, trotz der intensiven Arbeit auf dem Platz. Kann aber auch sein, dass wir zu dem Entschluss kommen, noch eine Teambuilding-Maßnahme zu machen, außerhalb des Trainingsbetriebs.

Sie sitzen im Mannschaftsrat und besprechen, wie die Stimmung ist?

Mats Hummels: Ja. Obwohl ich das Gefühl habe, dass wir schon recht weit sind. Es sind 14 WM-Teilnehmer dabei, Joshua Kimmich kennt viele von Bayern. Wir haben uns ja alle schon mal gesehen, darum ist die Stimmung sowieso ziemlich gut.

Welche Rolle spielt, dass Bastian Schweinsteiger dabei ist?

Mats Hummels: Er ist der Kapitän und die fußballerische Figur, die Deutschland zurzeit hat. Deswegen ist er einfach als Typ wichtig, als Spieler auch. Er bringt eine gewisse Lockerheit rein, ist sehr gut gelaunt den ganzen Tag. Eine wichtige Figur in diesem Schachspiel.

Wie beurteilen Sie den EM-Kader?

Mats Hummels: Wir haben drei Alteingesessene verloren (Lahm, Klose, Mertesacker, d. Red.), in deren Rolle wachsen jetzt andere Spieler. Das haben wir gut aufgefüllt und die Neuen gut aufgenommen. Sie fühlen sich, zumindest wirken sie so, gut integriert, laufen mit einem gewissen Selbstbewusstsein durch die Gegend, aber ohne Arroganz. Das ist ja mittlerweile etwas, worauf man als erfahrener Spieler aufpassen muss. Dass nicht schon die 17-Jährigen vergessen, dass sie Bälle tragen müssen. Aber die machen das alles. Sind nicht zu zurückhaltend, sondern wissen auch, dass sie sich in einer Gruppe von Sportlern ihren Platz erkämpfen müssen.

Hätten Sie Julian Weigl zugetraut, es in so kurzer Zeit so weit zu schaffen?

Mats Hummels: Ich glaube, mittlerweile traut ihm jeder alles zu. Wir haben ja alle gesehen, wie gut er ist. Am Anfang hat man den Bonus des Neuen, wo es reicht, keine Fehler zu machen, um eine Eins zu kriegen. Aber er hat noch einmal einen Schub bekommen, ist offensiver geworden, hat die Diagonalbälle auf Marcel Schmelzer gespielt, die wir in Dortmund so gern spielen. Also: gespielt haben, ich muss ja über Dortmund jetzt in der Vergangenheit reden.

Wie erleben Sie die Trennung von Borussia Dortmund?

Mats Hummels: Es beschäftigt mich nicht durchgehend. Aber sobald ich drüber rede. Ich weiß, dass ich, wenn ich zurück bin von der EM, nicht mehr in Dortmund sein werde. Man erzählt viele Geschichten im Fußball, und da rede ich schon noch von 'uns', wenn ich Borussia Dortmund meine. Es wird auch noch eine sehr lange Zeit dauern, bis das wirklich draußen ist. Es ist auf jeden Fall komisch, in der Vergangenheitsform zu reden.

Muss man die Trennung im Kopf denn so scharf vollziehen?

Mats Hummels: Ehrlich gesagt: Für wen ich bin, wenn ich mal ein Spiel gucke, entscheide ja immer noch ich. Es werden schon Leute sagen, dass ich nicht mehr für Dortmund sein darf, aber ich werde auch in den nächsten Jahren immer große Sympathie für die Mannschaft haben. Allein wenn ich bedenke, dass so Jungs wie Marcel Schmelzer oder Sven Bender dort ihre Karriere beenden werden. Da wüsste ich gar nicht, wie ich überhaupt gegen die sein sollte. Außer in den Spielen, in denen ich gegen sie sein muss, das ist ja klar. Es ist einfach eine große Verbundenheit in den letzten Jahren entstanden, auch zu Leuten wie Michael Zorc oder Hans-Joachim Watzke.

Ist das so etwas wie eine Heimat?

Mats Hummels: Eine sportliche auf jeden Fall, da muss man nicht drum herumreden. Dass ich eine gewisse Heimat in München auch hatte, ist ja auch bekannt. Dass ich da gern war und das auch mit reingespielt hat in die Entscheidung, zu wechseln, ist ja nichts, das ich verhehlen müsste.

Das Gespräch führte Christian Löer