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Nationalmannschaft Härtetest im Schnapszahl-Spiel: Flick warnt vor Belgien

Seit Herbergers Zeiten hat Deutschland gegen Belgien nicht verloren. Ein Andauern dieser Serie ist für Hansi Flick wichtig. In seiner Personalstrategie sieht sich der Bundestrainer schon bestätigt.

Von Arne Richter und Klaus Bergmann, dpa Aktualisiert: 27.03.2023, 15:21
Die deutsche Nationalmannschaft bereitet sich auf das Belgien-Spiel vor.
Die deutsche Nationalmannschaft bereitet sich auf das Belgien-Spiel vor. Christian Charisius/dpa

Frankfurt/Köln - Einen Anruf bei Geburtstagskind Manuel Neuer wollte Hansi Flick trotz der vollen Konzentration auf die schwierige Fußball-Prüfung gegen Belgien auf keinen Fall vergessen.

„Ich habe versucht, ihn zu erreichen, aber er war nicht erreichbar. Das werde ich noch nachholen“, kündigte der Bundestrainer vor der durch den großen Streiktag auch für die deutsche Nationalmannschaft verkomplizierten Anreise zum 999. Länderspiel in der DFB-Historie nach Köln an.

Flicks Fokus auf den Härtetest gegen die ebenfalls noch unter den Nachwirkungen ihres WM-Schocks stehenden Belgier dürfte ein Glückwunsch-Telefonat mit dem verletzten Kapitän an dessen 37. Geburtstag nicht verrückt haben. Der Bundestrainer weiß genau, wie wichtig ein weiterer Erfolg am Dienstag (20.45 Uhr/RTL) gegen die an ihrer eigenen Katar-Hypothek noch knabbernden Belgier nach dem leichten Mutmacher beim 2:0 gegen Peru jetzt ist.

„Wir haben den ersten Schritt gemacht. Es war gut, dass wir mit einem Sieg ins Jahr gestartet sind“, sagte Flick. „Ganz klar ist der Fokus, dass wir dieses Spiel erfolgreich bestreiten wollen“, fügte der 58-Jährige an. Und warnte: „Belgien ist ein anderes Kaliber.“

Abschlusstraining mit 21 Spielern

Kalt pfiff der Nordwind über den Frankfurter DFB-Campus, als Flick mit seinen nach dem Ausfall von Kai Havertz (grippaler Infekt) und Nico Schlotterbeck (muskuläre Probleme) verbliebenen 21 Spielern das Abschlusstraining bestritt. Neuer-Vertreter Marc-André ter Stegen marschierte mit schnellem Schritt vorweg auf einen Nebenplatz zum separaten Torwart-Training mit Kevin Trapp und Bernd Leno. Flick, mit Mütze und dicker Jacke adäquat gekleidet, schnappte sich zu Beginn Emre Can zum Einzelgespräch.

Die großen Qualitäten des Dortmunders - Körperlichkeit, Leidenschaft, Intensität - werden gerade gegen die schnellen und spielstarken Belgier um Kapitän Kevin De Bruyne wieder gefragt sein. „Emre hat es gut gemacht“, lobte Flick den DFB-Rückkehrer für sein Comeback gegen Peru. Den Platz neben Deutschlands Anführer Joshua Kimmich als Sechser hat sich Can momentan im wahrsten Sinne erarbeitet. „Es geht darum, dass wir Stabilität ins Spiel bekommen“, forderte Flick.

Auch gegen Belgien mit Doppelspitze

„Wenig Wechsel“ will der Bundestrainer machen im Vergleich zum Peru-Sieg. Zu zwei Änderungen wird er gezwungen. Für den maladen Havertz, den nach dem guten Peru-Spiel Fieber plagt, wird Serge Gnabry hinter der neuen Doppelspitze mit Torgarant Niclas Füllkrug und dem emsig arbeitenden Timo Werner spielen. In der Innenverteidigung bekommt Thilo Kehrer den Platz von Schlotterbeck neben Matthias Ginter, der gegen Belgien wie möglicherweise auch Leon Goretzka sein 50. Länderspiel bestreitet.

Ginter - 2014 schon beim Triumph in Rio zumindest im Kader dabei - ist für Flick der positive Prototyp, wenn es um sein anfangs heftig umstrittenes Personalkonzept für den März-Lehrgang geht. Sonst im Schatten von Antonio Rüdiger und Niklas Süle, wird der Freiburger von Flick nun bewusst mit viel Spielzeit in die Verantwortung geschoben. „Er hat gezeigt, dass man sich auf ihn verlassen kann“, sagte der Bundestrainer.

Flick sieht seine Strategie mit vielen neuen Gesichtern im Kader und der Pause für viele Stammkräfte jetzt schon aufgegangen. Alle hätten in einer „erfrischenden Atmosphäre befreit aufgespielt“. Ob nach Marius Wolf, Kevin Schade und Mergim Berisha nun auch noch die drei weiteren Neulinge Malick Thiaw, Felix Nmecha, Josha Vagnoman zumindest ein paar Länderspiel-Minuten bekommen, ließ Flick offen. Versprechungen machte er keine.

Kehrer spürt „neue Energie“ im Team

Es muss passen im Spielverlauf. Erfolg steht für den Bundestrainer in dieser immer noch heiklen Bewährungsphase jedenfalls über Experimenten. „Siege tun letztendlich immer gut, fürs Selbstverständnis und Selbstvertrauen“, sagte Flick. Kehrer, der als Ersatz für Schlotterbeck die Aufgabe bekommen könnte, gegen Belgiens wieder erstarkten Torjäger Romelo Lukaku zu verteidigen, spürt eine „neue Energie“ beim DFB-Team.

Auch das Bundesliga-Topspiel zwischen Bayern München und Borussia Dortmund am Samstag hat für Flicks Belgien-Strategie keine Relevanz. Kompromisse mit gleichen Einsatzzeiten für die zwei verbliebenen Dortmunder (Wolf und Can) und drei Münchner (Kimmich, Gnabry, Goretzka) gibt es nicht. Er werde mit seinem Trainerteam „keinen genauen Plan machen, wer wie viele Minuten spielt. Das müssen wir auch nicht.“ Jeder der Top-Profis „kann alle drei, vier Tage ein Fußballspiel bestreiten. Das ist kein Problem für diese Spieler, nichts Neues“, sagte der ehemalige Bayern-Coach Flick.

Belgien ist im Duell der WM-Verlierer für Flick der erste richtige Gradmesser für den als Neuanfang beschworenen Weg zur Heim-EM. Das Vorrunden-Aus in Katar kostete beim Gegner Trainer Roberto Martinez - im Gegensatz zu Flick beim DFB - den Job. Die belgische goldene Generation schlittert, ähnlich dem deutschen Kimmich-Jahrgang 1995/96, titellos Richtung EM 2024. Und zeigte eine gute Reaktion unter dem neuen, aus der Bundesliga gut bekannten Trainer Domenico Tedesco. Drei Tore von Lukaku brachten am Freitag einen 3:0-Achtungserfolg in Schweden.

Deutschland und Belgien waren sich in den letzten Jahren aus dem Weg gegangen. Das Los brachte sie auch in Turnier-Qualifikationen nie zusammen. Superstar De Bruyne spielte zum Beispiel noch nie gegen die DFB-Elf. In Flicks aktuellem Kader hat noch keiner Belgien als Gegner auf dem Platz erlebt. Das letzte Duell 2011 wurde durch Tore von Mesut Özil, André Schürrle und Mario Gomez 3:1 gewonnen. Als Deutschland letztmals gegen Belgien vor 69 Jahren ein Spiel verlor, hieß der Bundestrainer noch Sepp Herberger.